Wie zukunftsfit sind unsere Gemeinden?

Für Gemeindebundpräsident Hans Hingsamer braucht die Gemeinde der Zukunft ein gutes Bürgerservice vor Ort. Spezialaufgaben werden hingegen in Dienstleistungszentren erledigt, wo mehrere Gemeinden zusammenarbeiten. | Foto: Hingsamer
  • Für Gemeindebundpräsident Hans Hingsamer braucht die Gemeinde der Zukunft ein gutes Bürgerservice vor Ort. Spezialaufgaben werden hingegen in Dienstleistungszentren erledigt, wo mehrere Gemeinden zusammenarbeiten.
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EGGERDING. Warum er Kooperationen sinnvoller findet als Zwangsfusionen und wie für ihn die Gemeinde der Zukunft aussieht, erzählt Gemeindebund-Präsident Hans Hingsamer im Interview.

Was wird Ihres Erachtens die größte Herausforderung, die es für Gemeinden in Zukunft zu meistern gilt?
Hingsamer: Die größte Herausforderung wird die Sicherstellung der Dienstleistungsqualität auf hohem Niveau. Im Besonderen wird der weitere Ausbau der vorschulischen Kinderbetreuung und der Nachmittagsbetreuung in den Schulen notwendig. Dazu sind nicht nur bauliche Maßnahmen erforderlich, auch mehr Personal wird dazu gebraucht. Im Sozialbereich und da wiederum beim Pflegeangebot wird es notwendig, mehr Vielfalt zuzulassen. Neben den klassischen Angeboten bei der mobilen und stationären Pflege braucht es einen Ausbau bei der Tagesbetreuung und das Zulassen neuer Wohnformen wie z.B. das Vitale Wohnen am Beispiel St. Marienkirchen zeigt. Ein Angehörigenentlastungsdienst ist weiter auszubauen.

Wird’s Gemeindezusammenlegungen geben?
Die Frage von Gemeindezusammenlegungen soll von der Bevölkerung der jeweiligen Gemeinde autonom entschieden werden. Ein Patentrezept gibt es nicht. Allerdings wird der Druck zu mehr Kooperationen massiv steigen um den stark steigenden Anforderungen in der Dienstleistung gerecht zu werden. Eines sei angemerkt: Das Land OÖ. hat für fusionswillige Gemeinden sehr hohe Summen Geld zur Verfügung gestellt. Am Beispiel Aigen/Schlägl oder Rohrbach/Berg muss man jetzt erkennen, dass diese Unterstützungen nicht öfter leistbar sind.
Ich verfolge die Entwicklungen in der Steiermark sehr genau. Trotz Fusionen steigt in diesem Bundesland der Verwaltungs- und Betriebsaufwand auch nach den Fusionen deutlich an. Mit 876 Euro je Einwohner ist dieser Aufwand in der Steiermark deutlich höher als in Oberösterreich mit 582 Euro je Einwohner. Auch nach den Fusionen steigt dieser Aufwand in der Steiermark um 2,5 Prozent pro Jahr. In Oberösterreich bestätigen die Rechnungsabschlüsse der Gemeinden, dass die Gemeinden zwischen 1.000 und 5.000 Einwohner die niedrigsten Aufwendungen haben. Eine ganz neue Studie untersucht die Entwicklungen von 142 Fusionsgemeinden in der Schweiz. Obwohl die Kantone die Gemeindefusionen bisher mit 730 Millionen Franken subventioniert haben, konnten Einsparungen nicht verzeichnet werden. Der Spareffekt blieb aus, wie die Studie beweist.

Worin müssen sich die Gemeinden im Bezirk Schärding unbedingt zukunftsfit machen?
Damit die Gemeinden im Bezirk Schärding zukunftsfit werden, ist die Zusammenarbeit ein Gebot der Stunde. Kleinere Gemeinden müssen dort, wo Spezialwissen gefragt ist, Dienstleistungen gemeinsam erledigen. Das kann im Bereich der Verwaltung z.B. das Standesamt oder die Bauverwaltung sein. Auch im Bereich der Bauhöfe können gemeinsame Arbeitserledigungen mit Spezialgeräten Vorteile bringen. Wenn Gemeinden die Vorteile der Zusammenarbeit nicht erkennen, werden Fusionen der logische Schritt sein. Ich bin aber überzeugt, dass Kooperationen mehr bringen als Zwangsfusionen.

Welche Gemeinde im Bezirk Schärding zeigt sich jetzt schon besonders innovativ und fortschrittlich?
Jede Gemeinde im Bezirk ist für sich ein Unikat. Alle Gemeinden des Bezirkes arbeiten derzeit über die Gmeindegrenzen hinweg an gemeinsamen Angeboten in der Kinderbetreuung, Beispiel Sommerkindergärten. Der Breitbandausbau muss forciert werden. Da ist etwa Dorf an der Pram sehr weit, andere wiederum sind Schrittmacher bei kulturellen Angeboten, wiederum andere bei der Betriebsansiedlung. Jede Gemeinde bemüht sich in ihrem Bereich.

Thema Bevölkerungsrückgang und Landflucht: Werden die Schärdinger Gemeinden da besonders betroffen sein?
In den letzten Jahren konnte der Bevölkerungsrückgang im Bezirk Schärding gestoppt werden und der Bezirk wächst wieder leicht. Das eigentliche Wachstum ist jedoch auf die mehr als 500 Asylwerber in den Grundversorgungsquartieren zurückzuführen. Wie die Praxis zeigt, bleiben nur wenige dieser Personen mit positivem Bescheid im Bezirk. Erfreulich ist, dass wieder mehr Kinder geboren werden. Ländlich periphere Gebiete im Bezirk sind vom Einwohnerschwund stärker betroffen.

Gibt’s konkrete Pläne, um dem entgegenzuwirken?
Bei der Raumordnung wird die Zusammenarbeit für Widmungen von Gewerbe- und Betriebsbaugebieten verstärkt und besser aufeinander abgestimmt. Ab dem Jahr 2018 werden die Angebote im öffentlichen Personenverkehr verbessert. Das oberste Ziel muss sein, Arbeit zu den Menschen zu bringen. Arbeitsplätze im Bezirk sind die beste Grundlage dafür, dass die Menschen in der Region bleiben. Da sollte sowohl die Bundesverwaltung, wie auch die Landesverwaltung mit gutem Beispiel vorangehen. Nicht alles muss in Linz oder Wien erledigt werden. Die öffentliche Verwaltung gehört dort hin, wo die Menschen leben. Das Stauchaos in Linz sollte uns Warnung genug sein.

Gemeinde 4.0: Was muss sie haben? Wie sieht sie aus?
Nahversorgung, Praktische Ärzte und Fachärzte, ein Sport- und Freizeitangebot, gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, beste Kinderbetreuung, kulturelle Angebote, Arbeitsplätze, Jugendzentren, Pflege und Betreuung auf den Bedarf abgestimmt, sind wesentliche Grundlagen, damit die Menschen in der Region bleiben. Eine gute Gemeinde bemüht sich dies alles zu unterstützen und zu begleiten. Überschaubare Strukturen fördern das Ehrenamt zur Unterstützung der vielfältigen Leistungen und sind Garantie, dass sich die Menschen am Land wohl fühlen können.

Ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die Gemeinden im Bezirk Schärding in 50 Jahren?
Gemeinden der Zukunft garantieren ein gutes Bürgerservice vor Ort und erledigen Spezialaufgaben in Dienstleistungszentren, wo mehrere Gemeinden zusammenarbeiten. Mobilität gestaltet sich völlig neu – über App wird ein Fahrzeug, welches sich selbst steuert, bestellt und bringt mich überall hin. Die Stadtflucht ist Vergangenheit. Die Menschen entdecken die Lebensqualität am Lande wieder neu.

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