Um 2 Millionen Euro betrogen
Mostviertel: "Robin Hood der Häuselbauer" muss vor Gericht
„Wo ist das Geld?“ Mehrfach forderte der St. Pöltner Richter Slawomir Wiaderek eine Antwort von einem 57-Jährigen aus dem Mostviertel, dem die Staatsanwaltschaft das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges zur Last legt. Zumindest am ersten von sechs anberaumten Verhandlungstagen konnte dies nicht eindeutig geklärt werden.
BEZIRK SCHEIBBS. Der Beschuldigte soll zwischen 2017 und Juni 2020 seine Kunden, Großteils aus den Bezirken Scheibbs und Amstetten, um insgesamt 1.929.706,52 Euro betrogen haben. Als Selbständiger bot er den Leuten, die er aus seiner ehemaligen Tätigkeit in einer Versicherung kannte, an, deren Bauvorhaben zu koordinieren, Kreditangebote einzuholen und die Baurechnungen je Baufortschritt zu bezahlen. Das Geld dafür ließ er sich in vielen Fällen auf sein Firmenkonto überweisen. Gegen entsprechende Vereinbarungen habe er jedoch nur jeweils geringe Baurechnungen seiner Kunden beglichen.
Darüber hinaus soll er auch Rechnungen einer Baufirma gefälscht oder Kunden Blankoformulare untergeschoben haben.
Die Suche nach verschwundenem Geld
„Nicht schuldig“, lautete zunächst seine Verantwortung. Er habe einen Fehler gemacht, indem er Kundengelder verborgt, bzw. in andere Projekte investiert habe. Er sei jedoch zuversichtlich gewesen, dass er das Geld zeitgerecht zurückbekommt. „Ich wollte keine Kunden im Stich lassen!“
Sich selbst bezeichnete er als „Chaoten“, man habe ihm aber nach seiner Inhaftierung keine Gelegenheit gegeben, alles aufzuklären und Geld flüssig zu machen.
„Wo ist das Geld?“, so Wiaderek zum wiederholten Mal. „Das Geld ist im System, in meiner Firma“, behauptete der Angeklagte. Der Richter dazu: „Ihre Konten sind leer, die Firma insolvent! Wo also ist das Geld versteckt?“
„Ich verstehe die Frage nicht“, meinte der Beschuldigte schon ziemlich aufgebracht.
650.000 Euro verspielt
Einen Wink zum Verbleib des Geldes kam von den Casinos Austria, wonach der Angeklagte in den vergangenen zweieinhalb Jahren knapp 650.000 Euro verspielt habe. „Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“, meinte er, bekannte sich zuletzt jedoch nach Rücksprache mit Verteidiger Michael Dohr schuldig, mit Kundengeldern auch andere Projekte finanziert zu haben.
Privatbeteiligtenvertreter Martin Brandstetter, der insgesamt vier Geschädigte vertritt, bezeichnete den 57-Jährigen als „Robin Hood der Häuselbauer“. Als solcher sei er schon vor Jahren aufgetreten und habe sich einen äußerst positiven Namen gemacht. Mit der Selbständigkeit sei er allerdings überfordert gewesen und auf eine Taktik eingestiegen, die nur noch durch kriminelle Geldtransfers aufrecht zu erhalten war. So habe ihm etwa ein junges Paar 110.000 Euro an Eigenmitteln und 135.000 Euro eines Darlehens überlassen, wovon nur noch 6.000 Euro zu retten waren. Mit Baustelle und Schulden sei das Paar nun massiv existenzgefährdet.
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