Bezirk Scheibbs: Der Haken beim Wahlrecht

Renate Gruber ist bei dem neuen Gesetz zweigeteilt. | Foto: SPÖ
  • Renate Gruber ist bei dem neuen Gesetz zweigeteilt.
  • Foto: SPÖ
  • hochgeladen von Roland Mayr

BEZIRK SCHEIBBS. Bislang dürfen Zweitwohnsitzer in allen Orten an der Gemeinderatswahl teilnehmen, an denen sie gemeldet sind. Und auch Wiener dürfen den NÖ Landtag wählen, wenn sie hier ein Haus besitzen. Doch das könnte sich nun ändern. Künftig muss man den „wirtschaftlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Mittelpunkt“ seines Lebens in Niederösterreich haben, um hier seine Stimme abgeben zu dürfen.
Die Krux dabei: Am Ende entscheidet der Bürgermeister, denn zwangsläufig ist das Stimmrecht nicht weg.
Christian Müller von den Grünen aus Purgstall sieht das neue Gesetz zu den Landesbürgerevidenzen etwas kritisch: "Das wurde nur gemacht, um vor der Wahl noch mehr Wähler zu bekommen." Denn letztendlich entscheidet der Bürgermeister der Gemeinde ob eine Person aus dem Wählerevidenzblatt gestrichen wird oder nicht. Von 573 Gemeinden in Niederösterreich haben 434 einen Bürgermeister der ÖVP. Christian Müller weiter: "Man darf dabei nicht alle über einen Kamm scheren und muss von Fall zu Fall entscheiden." Vom neuen Gesetz, das nur mit Stimmen der ÖVP und des Team Stronach beschlossen wurde, sind insgesamt 120.000 Personen mit Zweitwohnsitz in Niederösterreich betroffen – ein gewaltiges Wählerpotenzial.

Eine Person und eine Stimme

Einen ähnlichen Tonfall trägt auch die Gaminger Bürgermeisterin Renate Gruber vor: "Das Gesetz wurde ohne die SPÖ beschlossen. Der richtige Weg wäre, dass eine Person auch nur eine Stimme hat. Für viele Zweitwohnsitzer ist es schwierig dies nachzuvollziehen." In Gaming kommen auf 100 Einwohner rund 34 Personen mit einem Zweitwohnsitz. Bei 3.200 Einwohnern ist diese Zahl durchaus beachtlich. Für Renate Gruber gibt es bei dieser Angelegenheit aber zwei Seiten der Medaille: "Wir haben viele Zweitwohnsitzer, die in unserer Gemeinde äußerst engagiert und zum Beispiel bei etlichen Vereinen aktiv sind. Ich bin bei dieser Thematik etwas zweigeteilt." Die Frage warum man in Niederösterreich wieder ein eigenes Süppchen kochen muss, scheint aber ebenso berechtigt, auch für die Bürgermeisterin aus Gaming: "In anderen Bundesländern haben Zweitwohnsitzer kein Wahlrecht in den Gemeinden. Es wäre einfacher wenn es in allen neun Bundesländern gleich wäre."

Mehr an Verwaltungsaufwand

Renate Gruber gibt auch etwas Aufschluss über den Ablauf des Prozederes: "Das Wählerevidenzblatt wird an den Zweitwohnsitz der betroffenen Personen geschickt. Bis 30. September muss ich anhand des ausgefüllten Dokuments meine Entscheidung treffen. Sollte das Wählerevidenzblatt nicht zurückgeschickt werden, entscheide auch ich was als Konsequenz passiert. Jeden einzelnen Fall werde ich mir in Ruhe anschauen und keinen ad hoc über den Daumen brechen. Es werden auch sicher einige leichtere Fälle dabei sein, wo ich schneller entscheiden werde. Zu den anfallenden Kosten kann ich zurzeit noch nichts Genaueres sagen. Für das Porto des Wählerevidenzblattes muss die Gemeinde aufkommen. Der Verwaltungsaufwand wird sicher nicht weniger, vor allem für größere Gemeinden." Einer gewissen Willkür der Bürgermeister in ganz Niederösterreich könnte damit Tür und Tor geöffnet werden. Die Kritik nach den kommenden Landtagswahlen scheint fast schon so sicher wie das Amen in der Kirche und Wahlanfechtungen sollen in Österreich bekanntlich in Mode gekommen sein. Abwarten und Tee trinken?

Grüne: "Zahnbürstel-Cobra" kann nicht die Antwort sein

"Statt Klarheit und Rechtssicherheit für bevorstehende Wahlen, öffnet die ÖVP die Büchse für Willkür. Eine Wahlanfechtung hat damit große Chancen", so Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im NÖ Landtag, zur "Bereinigung" der Wählerevidenz.
Denn, das Problem aus Sicht der Grünen, füllt jemand das Blatt nicht aus, bleibt er auf jeden Fall in der Wählerevidenz. Wer hingegen das Blatt ordnungsgemäß ausfüllt, läuft Gefahr, gestrichen zu werden, wenn der Bürgermeister entscheidet, dass manche Kriterien für ein Wahlrecht nicht ausreichend erfüllt sind.
"Diese Logik versteht nur die ÖVP. Und eines wird deutlich: Damit liegt die ganze Macht bei den ÖVP-Bürgermeistern, da sie in 434 von 573 NÖ Gemeinden den Bürgermeister stellen."
Die Bürgermeister haben bei Unklarheiten von "Amts wegen" zu prüfen, heißt es. „Eine Zahnbürstel-Cobra wird nicht gemeint sein, oder?“, so Krismer. „Scheinanmeldungen haben uns in der Vergangenheit in Niederösterreich viele Probleme bereitet. Willkür und die Möglichkeit einer Wahlanfechtung sind mit der neuen Regelung allerdings noch einfacher möglich. Das Gesetz ist also ein Schildbürgerstreich."

1 Kommentar

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.