Asylwerber
Umzug wirft viele Fragen auf

Die "Toleranz" in Jenbach wird die neue Unterkunft  | Foto: Knoflach-Haberditz

Kleinquartiere für asylwerbende Menschen werden geschlossen, Bewohner in Großquartiere umgesiedelt.

ZILLERTAL/TIROL (fw). Die Verteilung von Menschen aus den Flüchtlingsheimen der Tiroler Sozialen Dienste (TSD GmbH) auf Häuser in den Gemeinden hat gezeigt, wie Integration gelingen kann. Unter anderem im Zillertal. Doch nun soll Schluss damit sein.

Man kümmere sich „um geeignete Unterkünfte“ und achte bei der Unterbringung von Menschen „stets auf Menschenwürde und Familieneinheiten“ an über 200 Standorten in ganz Tirol

Menschen in der Grundversorgung lebten (und leben) in Großquartieren wie auch in kleinen Wohngemeinschaften. Mitverträge mit kleineren (meist privaten) Unterkünften werden nun aufgekündigt. Davor würden „unterschiedliche Optionen geprüft“, schreibt Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne). Ein Versuch sei zum Beispiel, „den Wohnraum zwar als Gesellschaft abzugeben, allerdings den dort lebenden Menschen die Übernahme des Mietvertrages zu ermöglichen. Ob diese Vorgehensweise machbar ist oder nicht, hängt aber einerseits an den Asylverfahren und andererseits am Entgegenkommen der VermieterInnen“.

LA Markus Sint (Liste Fritz) dazu: „Wie das Positivbeispiel Vorarlberg zeigt, erleichtern kleine Einheiten (...) den Kontakt zu den Einheimischen, sie bieten schneller Heimat, beschleunigen das Deutschlernen und bringen Geflüchtete schneller in den Arbeitsprozess“.

Für einen Vermieter (der nicht genannt werden möchte) ist „die Unterbringung von Familien aufgrund christlich sozialen Denkens eine Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber“. Daher habe er sein Haus für „drei Familien zu je fünf Personen bereitgestellt“. Nach Adaptierungen im Außenbereich und am Gebäude habe er angeboten, „auch für die Einrichtungen im Haus zu sorgen. Auf eigene Kosten“. Das hätten die TSD abgelehnt, denn „das macht ausschließlich der Maschinenring“. Er habe akzeptieren müssen, gefallen habe es ihm allerdings nicht. Der Maschinenring hat 2015 – 2016 für Hausmeisterarbeiten im Auftrag der TSD insgesamt 1,5 Millionen Euro erhalten. Und zwar ohne Ausschreibung, wie sonst üblich. „Dass damals alles sehr schnell passieren musste“, lässt Markus Sint (Liste Fritz) nicht gelten, „weil die Entwicklungen absehbar und eine Ausschreibung seines Erachtens auf jeden Fall möglich war“.

Das schlechte Gefühl des Vermieters hatte einen guten Grund. Absolut inakzeptabel war ein Erlebnis während der Adaptierungsarbeiten: In den von ihm zur Verfügung gestellten Containern „landete originalverpackte Bettwäsche, Geschirr sowie Kinderspielzeug und nahezu neue Möbel“, erzählt er. „So massive Stühle haben wir nicht“, hätten Mitarbeiter seines Betriebs nach einem Blick in die Container gesagt. Er habe die Arbeiter des Maschinenrings nach dem Sinn der Entrümpelung gefragt. „Wir machen nur das, was uns gesagt wird“, habe er zur Antwort bekommen.

An den Stammtischen waren diese Umtriebe natürlich Gesprächsthema. Dabei hätte auch die Runde gemacht, dass er als Vermieter „in dieses Haus investiert, aber uns (die eigenen Arbeiter, Anm.) schlecht bezahlt“. Außerdem sei in einem anonymen Brief an die Haushalte gemunkelt worden, dass er an Miete pro Tag und Person € 19,00 kassiert hätte (laut Tarif der TSD ).

„Ziehe ich von den Einnahmen die eigenen Investitionen ab und rechne diese Summe auf 15 Personen und 3 Jahre um, waren es tatsächlich € 1,24 pro Person und Tag“.

Mehrmals habe der Vermieter außerdem gebeten, den Mietern die richtige Handhabe von Heizung und Wasserboiler (exorbitanter Ölverbrauch, überhöhte Kosten für Wasserverbrauch) beizubringen, „weil bei meinem Besuch im Haus zum Teil Temperaturen um 25°C und mehr waren“. Für ihn habe es damit zu tun, dass es moderne Heizungen in den Heimatländern nicht gegeben habe. Der gewünschte Einbau eines Thermostats wurde vom Maschinenring mit den Worten „das muss nicht sein, weil es aus einem anderen Topf (nicht vom Maschinenring, Anm.) bezahlt wird“ abgewiesen.

Wieso wurden vor Bezug von privaten Häusern durch geflüchtete Menschen seitens des Maschinenrings teils neue Möbel, Bettwäsche, Geschirr oder Kinderspielzeug „entrümpelt“, war die Frage an Soziallandesrätin Gabriele Fischer. Ihre Antwort: „ „Grundsätzlich muss die TSD GmbH vor dem Einzug sicherstellen, dass die Unterkunft feuerpolizeilichen, gesundheits- und sicherheitstechnischen Standards entsprechen“.

Neue Situation drei Jahre später

Die Mietverträge für die von den TSD gemieteten Häuser sind einen Monat vor Schulende aufgekündigt worden. Die Bewohner wurden bzw. werden in bestehende Landesquartiere übersiedelt, und zwar nach St. Gertraudi und Jenbach.

„Es gilt vernünftige Lösungen zu finden, die den Menschen nützen und den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Wo ein Wille, da ein Weg!“, so Markus Sint (Liste Fritz).

In einem konkreten Fall muss eine betroffene Familie wohl ein weiteres Mal aus dem vertrauten Umfeld (Freunde, Mitschüler, gemeinnützige Tätigkeiten ...) heraus. Betriebswirtschaftlich scheint es durchaus nachvollziehbar, leerstehende Zimmer in eigenen Heimen angesichts rückläufiger Neuankünfte von Flüchtlingen zu füllen. Auseinandersetzungen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft oder Religion sind in großen Unterkünften aber keine Seltenheit und relativieren diese Herangehensweise.

In diesen Heimen lebende Familien wären vermutlich froh über etwas mehr Platz. Sie könnten doch die leeren Zimmer beziehen, oder? Dazu LR Fischer: „Speziell bei Familien wird ein besonderes Augenmerk auf die Wahrung der Privatsphäre gemacht, daher werden diese Möglichkeiten überall dort, wo es umsetzbar ist, realisiert“.

Bürgermeister mehrerer Gemeinden im hinteren Zillertal hatten sich bemüht, das erwähnte Haus als Unterkunft halten zu können. Um den Betroffenen ein weiters Umziehen zu ersparen. Auch der bereits erwähnte Vermieter hatte Bereitschaft gezeigt. „Allerdings hätte ich das Haus für drei Jahre vermieten müssen, erklärt er, „weil eine Vermietung unter drei Jahren laut Mietrechtsgesetz gegen die guten Sitten verstößt“ und untersagt sei.

Die im Zillertal lebenden Menschen mit Fluchtgeschichte sind „angekommen“. Sie können in Österreich ein „normales Leben“ führen und sind nicht ständig der Angst vor Terror und Krieg im Heimatland ausgesetzt. Trotz des bevorstehenden Umzugs nach Jenbach ist vor allem eine afghanische Familie (die in Tux und Mayrhofen gelebt hat) optimistisch. Denn eine in Kaltenbach lebende Familie hat vor kurzem einen positiven Asylbescheid erhalten.

Zusatzinfo Mietrecht

Für Mietverhältnisse, die dem Mietrechtsgesetz (MRG) zur Gänze oder zum Teil unterlägen, gebe es Voll- und Teilanwendungsbereich, weiß Markus Gredler. Während im Vollanwendungsbereich alle Bestimmungen des MRG gelten, kämen im Teilanwendungsbereich im wesentlichen nur die „Kündigungsschutzbestimmungen zum Tragen. Im MRG sind für Wohnungsmieten Mindestfristen von drei Jahren vorgesehen“, so der Rechtsanwalt und Mietrechtsexperte. Kürzere Fristen hätten für den Vermieter weitreichende Konsequenzen, da „Mieter nur aufgrund eines Kündigungsgrundes laut MRG gekündigt werden könnten“. Im MRG seien einige Ausnahmetatbestände angeführt. Beispielsweise „Wohnungen oder Wohnräume, die von einer karitativen oder humanitären Organisation im Rahmen sozialpädagogisch betreuten Wohnens vermietet werden“ (MRG §1, Abs. 2, Zif. 1a, MRG). Für die Vermietung an Flüchtlinge (oder eine betreuende Gesellschaft wie die TSD GmbH) müsste der Gesetzgeber einen neuen Ausnahmetatbestand definieren.

Die TSD im politischen Fokus

Die Oppositionsparteien im Landtag sind auf die verantwortliche Gesellschaft in Sachen Flüchtlingsbetreuung nicht besonders gut zu sprechen. Die Anschaffung von fünf Traglufthallen um mehrere Millionen Euro unter Fischers Vorgängerin im Sozialressort, LR Christine Baur, war nur ein negativer Höhepunkt von vielen. FPÖ, SPÖ und NEOS brachten daher einen gemeinsamen Antrag für einen Untersuchungsausschuss im Landtag ein. Dieser wird nach langem Hin und Her (besonders wegen dessen Vorsitzleitung; diese soll nun Richter Günther Böhler wahrnehmen) im August seine Arbeit aufnehmen.

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