Sonnengereift am Südhang - Unterländer Wein

Die alte Weinpresse am Dochboden des Tenn vom "Hofergut" in Bruck am Ziller
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Wetterkapriolen wie zuletzt bedeuten für Obstbauern enorme Ernteausfälle. Idealismus und Kreativität sind ihre Triebfedern. Das gilt auch für die zwei Unterländer Winzer Dieter und Georg.

„Schnee und Frost hätten wir zu Weihnachten gebraucht, aber nicht jetzt“, tönt es landauf landab von Touristikern wie von anderen. Dieter Kurz baut auf 1.100 m am Pillberg Wein an. „Das ist kein Fake, aber man kann es sich schwer vorstellen“, meint der Tontechniker. „Man arbeitet zusammen und bekommt jede erdenkliche Hilfe“ ist der Mann hinter der ‚Fruchtkelterei’ von seinen Winzerkollegen in Südtirol, der Steiermark oder in Niederösterreich angetan.

Weinbau in Nordtirol

„Begünstigte Lagen und geschützte Hänge wurden in Nordtirol schon vor über 1000 Jahren für den Weinbau genützt“, ist unter www.tirolwein.at zu lesen. „Die erste urkundliche Erwähnung über den Tiroler Weinbau findet sich um das Jahr 965, wo Sautens genannt wird“. Weingärten gab es auch im Umkreis von Innsbruck, in Telfs, Ötz, dem mittleren und oberen Inntal „bis Prutz auf Höhen von 900 m“. Dieser Blick zurück in die Tiroler Vergangenheit dürfte Dieter (und weitere) in ihrem Vorhaben bestärkt haben, die Hänge in Nordtirol mit Weinreben zu bepflanzen.

Holunder war der Anfang

„Aus Holunder haben mein Winzerkollege Ronni und ich vor einigen Jahren verschiedene Sirupe, weinähnliche Getränke und Hollerschampus nach Schaumweinmethode gemacht". Das ganze habe auch funktioniert (und tut es nach wie vor, Anm.). Das monatelange Zusehen am Reifeprozess sei ihnen dann aber zu langweilig geworden. Der Obstgarten hoch über dem Inntal brachte Dieter Kurz deshalb auf eine Idee: „Wir machen Fruchtwein".

Weine und Edelbrände

Ob Kirschwein oder Heidelbeerwein. die Kelterei ist kreativ und produziert nur kleine Chargen. „G'sundheit", sagt Dieter und gibt mir ein Glas Heidelbeerwein. Was vom Keltern der Beeren übrig bleibt, wird zu Edelbrand verarbeitet. Für Aufsehen in den Medien sorgten Dieter und Ronni, als sie erstmals Wein aus rotem Paprika hergestellt hatten. „Den produzieren wir auch heute noch. In kleinen Mengen, was unser kleines Paprikabeet eben hergibt, für Gourmetrestaurants zum Beispiel".

Gespannt auf die erste Lese

80 Rebstöcke hat der 50jährige vor drei Jahren gepflanzt. Mit viel Hingabe pflegt er seine Sprösslinge und die Obstbäume auf den sonnigen Hängen. Die Rückkehr des Winters Ende April war für ihn ein Nervenspiel. Seine Weinstöcke hätten „Temperaturen um -12°C“ aber gut überstanden. Im kommenden Herbst dürfte er die ersten Trauben ernten. Dann wird sich rausstellen, „was der Wein vom Pillberg kann“.

Erst einmal probieren

Schauplatzwechsel. Sommelier Georg Heinrich wohnt mit seiner Freundin in Schlitters, arbeitet für ein Tiroler Handelshaus und hat am so genannten „Bockwiesel“ in Bruck am Ziller 200 Weinstöcke gepflanzt. „Das ist unser Probeweingarten“, erklärt sein begeisterter Mistreiter Walter Koidl. „Pinot Noir, Grüner Veltliner und Riesling sollen nur wenige Meter oberhalb des alten Bauernhofs Hofer (erstmals 1385 in einer Urkunde erwähnt, Anm.) gedeihen“.

An früher anknüpfen

Vor dem Bauernhaus wächst ein Weinstock, der schon einige Jahre hinter sich hat. „Am Dachboden im alten Tenn schlummert eine alte Weinpresse vor sich hin. Die sonnige Lage von Bruck, dem ‚Meran des Zillertals’, und die Steinterrassen oberhalb der Zillertaler Gemeinde wurden für den Weinbau genützt. Ein Teil davon wurde als „Zehent“ an die regierenden Herrschaften abgeliefert“, erzählt Koidl.

Natürliche Mineralität

Derzeit arbeiten sie daran, ihren Probeweingarten zu optimieren. Da wird Holz ausgeschlagen, Humus aufgebracht und der Boden von den größten Gesteinsbrocken (Schiefer mit Quarzeinschlüssen) befreit. Apropos: Unter einer 30 bis 40 cm dicken Humusschicht ist der Boden am Bockwiesel von Schwazer Dolomit und Wildschönauer Schiefer durchzogen. „Von dieser Mineralität wird unser Wein profitieren“, sind sich Georg und Walter einig.

Weniger ist mehr

Die beiden wollen mit Qualität punkten, und die gehobene Gastronomie in Tirol mit ihrem Produkt überzeugen. „Das finanzielle Risiko für unser Vorhaben ist gleich Null. Wir nützen Bestehendes und wollen darauf aufbauen. Wir müssen keine riesigen Mengen herstellen, sondern probieren jetzt mal. Was am Ende herauskommt, ist eine Überraschung. So wie das Leben“.

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