Wach I
Wach zu liegen. Einfach wach zu liegen und das Gefühl haben, nie mehr ruhig schlafen zu können. Weil man sich betrogen fühlt. Vom Leben und von sich selbst. Weil man sich betrogen fühlt um die Worte, nach denen man seit Jahren ringt, die versiegt zu sein scheinen. Weil man die Hoffnung gesucht hat, immer und immer wieder, kurz zu fassen bekam und sie einem dann doch wieder entwischt war. Weil das Leben ein Fluss ist, man selbst jedoch nicht in Fluss kommt. Ganz im Gegenteil. Man stockt und stottert. Geht drei Schritte in diese, vier Schritte in jene Richtung, sucht nach Zeichen oder Wegweisern. Man kauft Bücher, liest manche sogar, guter Rat ist eben teuer, doch der Nebel klart nicht auf.
Man versucht, in sich hineinzuhorchen, macht Yoga, geht laufen, gräbt ein wenig im Garten, riecht die feuchte, von der Sommersonne noch warme Erde und sucht nach einer Verbindung mit dem großen Ganzen, versucht sich zu erden, eins zu werden mit dem Universum. Stellt ein, zwei Fotos auf Facebook, schreibt ein paar positive Worte dazu und denkt, so schlecht ist es ja gar nicht, dieses Leben.
Wach zu liegen. Einfach wach zu liegen und das Gefühl haben, nie mehr ruhig schlafen zu können. Die nächtlichen Stunden sind wie im Flug vergangen, was bleibt, ist ein schaler Nachgeschmack. Ein bitterer Belag auf der Zunge, ein dumpfer Schmerz auf der Brust, der dein Herz zusammenkrampfen lässt. Es wird hell über der Stadt, du ziehst die Vorhänge zurück und lässt Licht ins Dunkel. Doch der Schatten bleibt. Und mit ihm die Gewissheit, dass die nächste Nacht bevorsteht. Schon bald.
Bildquelle: Lisa Spreckelmeyer / pixelio.de
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