Die Nacht zum Tag machen
Konrad Lassnig trägt seit 33 Jahren in der Dunkelheit Zeitungen aus
OBERMILLSTATT. Immer dann, wenn andere Leute schlafen, ist Konrad Lassnig auf den Beinen, macht sozusagen die Nacht zum Tag. Der 55-Jährige ist nämlich Zeitungszusteller. Seit 33 Jahren übt der gelernte Zimmermann diesen Job aus, seit zwei Jahrzehnten hauptberuflich. Zu dem bedruckten Papier gehört auch die gerade 20 Jahre alt gewordene WOCHE.
Sechs mal von 24 bis 7 Uhr
Sechs Mal in der Woche versieht Lassnig seinen Dienst von 24 bis 7 Uhr. Das heißt: Zum Frühstück ist die Familie wieder vereint. "Die Kinder, jetzt 28 und 30 Jahre alt, haben mich nie missen müssen." Vormittags, wenn die Nachbarn ihrer Arbeit nachgehen, legt sich Lassnig ins Bett. "Dann werden im ganzen Haus die Jalousien runtergelassen und ich kann von einer auf die andere Minute schlafen." Nichts kann ihn wecken, auch nicht Rasenmähen. Wenn er am Nachmittag für die Kinder da war oder im 1.000 Quadratmeter großen Garten aktiv ist und Außenstehende meinen, er liege auf der faulen Haut oder sei arbeitslos, kommt von ihm: "Aber Hallo, ich habe schon gearbeitet!"
Arbeitsplatz in der "Heimat"
Zwischen 22 und 24 Uhr folgt ein zweistündiger Tiefschlaf und nach einem Schluck Kaffee geht's wieder los. Das zuständige Revier des Obermillstätters ist Spittal-Stadtmitte - eigentlich ein "Heimspiel", denn der gebürtige Mölltaler wuchs just dort auf, wo er jetzt 1.000 Haushalte beliefert einschließlich der Schulen, die er und seine Kinder besucht hatten. Viele seiner "Kunden" kennt er von Kindesbeinen an, auch wenn er sie naturgemäß kaum zu Gesicht bekommt. Dafür wurden neue Freundschaften geschlossen mit jenen, die das gleiche "Schicksal" der Nachtarbeit getroffenen hat: Bäcker, Polizisten, Nachtwächter, andere Zusteller. Lassnig: "Das verbindet. Von Einsamkeit in der Nacht kann keine Rede sein."
Schwierigkeiten bei Schnee
Sie haben beispielsweise alle gleichermaßen mit Neuschnee zu kämpfen, der ja nicht sofort beseitigt werden kann. Früher zum Dienst erscheinen bringt überhaupt nichts, im Gegenteil: Meist werden die Zeitungen bei Unwetter auch eine Stunde später angeliefert. Wenn dann der Schnee 15 Zentimeter hoch liegt, wird die meist zu Fuß zu erledigende Arbeit - im Zentrum dient das Auto nur zum Transport der gebündelten Zeitungen - doppelt schwer. Ähnlich anstrengend wird es, wenn viele Werbebroschüren beiliegen. In beiden Fällen kann der Dienst schon mal ein bis zwei Stunden länger dauern, "steigt das Schlafbedürfnis rapide an", weiß Lassnig, zumal wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt hätten, dass sechs Stunden Nachtarbeit neun am Tag entsprechen.
Haus selbst gebaut
Bevor Lassnig den Zustelldienst zu seinem Hauptberuf gemacht hatte, nutzte der Spittaler seine Freizeit tagsüber, in Obermillstatt, dem Heimatdorf seiner Frau Theresia, sein Haus zu bauen - schön Schall isoliert, versteht sich. In seiner neuen Heimat trug er von 1986 bis 1991 zusätzlich zu seinem Spittaler Distrikt Zeitungen aus. "Ich brauchte keine Dorffeste, um schnell heimisch zu werden und jeden kennen zu lernen", meint er schmunzelnd.
Große Leidenschaft Boxen
Jetzt verbringt der 55-Jährige seine freien Stunden vor allem dem Hobby Boxen. Selbst aktiv zwischen dem 13. und 23. Lebensjahr gewesen, kümmert sich der Obmann des ASVÖ Boxzentrums Millstättersee in Seeboden und Präsident des Kärntner Boxverbandes seit 13 Jahren als Trainer um den Nachwuchs. Abgesehen davon, dass er kaum Zeit zum fernsehen hat, hält er Fußballspielübertragungen und erst recht Autorennen für "sterbenslangweilig". Nur für die Nachrichten und manchmal für einen guten Film setzt er sich vor den Bildschirm.
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