Landesverbandes Hospiz Niederösterreich
18. Hospizenquete des Landesverbandes Hospiz Niederösterreich
Vom Leben und Leiden am Lebensende: „Nicht alles kann nur mit Mitteln der Medizin behandelt werden.“
ST. PÖLTEN. Was macht eine qualitätsvolle und patientenorientierte Begleitung schwer kranker, sterbender Menschen und ihrer Angehörigen aus – und wie kann sie im jeweiligen Umfeld bestmöglich umgesetzt werden? Das waren zwei zentrale Fragen bei der 18. Hospizenquete des Landesverbandes Hospiz mit zahlreichen Vorträgen von Experten.
„Dazu brauche ich Menschen“
Der Tiroler Palliativmediziner Christoph Gabl erläutert anhand seiner Studie, dass es umfassend geschulte Teams braucht, um mit der Belastung durch existentielle Verzweiflung von Betroffenen zurecht zu kommen. Existentielles Leid habe „nichts mit Depression zu tun, das kann ich nicht mit Antidepressiva behandeln. Da brauche ich Menschen dazu“. Die Salzburger Psychotherapeutin Patricia Gruber wiederum nannte im Zusammenhang mit der „Kunst des Sterbens“ vier wichtige Rahmenbedingungen für Betroffene, nämlich Zeit zu nehmen, loszulassen, sich selbst als Patient wie auch die Angehörigen freizugeben und schließlich auch mit sich selbst Alleinsein zu können. Die Gesellschaft sollte lernen, den Tod als „letzten schöpferischen Akt“ zu sehen und das „Sterben als Reise“ zu begreifen.
Das versucht auch die Musiktherapie, die Bernard Piller unter anderem am LK Wiener Neustadt einsetzt. Sie könne „Ängste reduzieren und innere Ruhe fördern, belastenden Gefühlen der Patienten Ausdruck verleihen“, aber auch letzte Begegnungsmöglichkeiten schaffen.
Da-Bleiben und authentisch sein
Für ein verstärktes Mitgehen im Leid von Pflegenden und Ärzten plädierte Krankenhaus-Seelsorgerin Andrea Reithofer aus Leoben in der Steiermark und zwar im Sinn von „Da-Bleiben, wenn es unerträglich wird – und kein Mitleid, das von oben herab kommt“. Dabei dürften – so der Linzer Notfallpsychologe Martin Prein - auch Menschen, die beruflich oft mit Sterben und Tod konfrontiert sind, durchaus „genauso hilf- und sprachlos sein wie die unmittelbar Betroffenen“. Seiner Meinung nach geht es ausschließlich darum, „ehrlich und authentisch zu sein, wenn ich Menschen in einer Leid-Situation begegne.“
Und noch einmal Andrea Reithofer: „Der wichtigste Teil in diesem allerletzten Lebensabschnitt ist die Liebe; Beziehung ist alles“. Notwendig sei „die Sorge für die Seele in einem weiteren Sinn – denn nicht alles kann mit Mitteln der Medizin behandelt werden“.
In einem weiteren Referat stellte der Palliativmediziner Harald Retschitzegger aus Wien Beispiele aus der Literatur vor, in denen Ängste und Hoffnungen rund um Sterben und Tod eine wichtige Rolle spielen – „Literatur als erzählende Medizin“, von Christoph Schlingensief bis zu Walter Jens. Irmgard Hajszan-Libiseller und Antonia Mittelbach-Kovac vom Wiener mobilen Kinderhospiz- und Kinderpalliativteam MOMO präsentierten ihre Begleitungsangebote rund um den Tod von Kindern.
„Wertvolle Arbeit“ und große Aufgaben
320 ehrenamtliche Mitarbeiter, Sozialarbeiter, Pflegende und Ärzte hatten am zweiten Oktober an der bereits 18. Hospizenquete des Landesverbandes Niederösterreich im Landtagssitzungssaal in St. Pölten teilgenommen. Sie wurden von der Geschäftsführerin des NÖGUS Elfriede Riesinger sowie den beiden für Hospiz und Palliative Care zuständigen Landesrätinnen ausdrücklich für ihr Engagement bedankt: „Wir wissen um ihre wertvolle und verantwortungsvolle Arbeit“, sagten sowohl Ulrike Königsberger-Ludwig als auch Christiane Teschl-Hofmeister; die Tätigkeit des Landesverbandes werde auch in Zukunft unterstützt.
Zuvor hatte Landesverbands-Vorsitzende Brigitte Riss in ihrer Begrüßung angesichts geplanter Neustrukturierungen im Gesundheitswesen gefordert, der Landesverband „muss als unabhängiger, beständiger Partner für die Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativstrukturen bestehen bleiben“.
Begleitung
Als aktuelle Aufgaben nannte sie unter anderem die Begleitung der spezialisierten Hospiz- und Palliativstrukturen für Kinder und Erwachsene sowie eine strukturübergreifende Ethik-Beratung. Wichtig seien auch neu zu entwickelnde Angebote für Menschen mit intellektueller Behinderung sowie die Stärkung Grundversorgung und Projekte wie „Hospiz macht Schule“. Brigitte Riss: „Wir fühlen uns den schwerstkranken, sterbenden Menschen und ihren Angehörigen verpflichtet. Verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie, wenn sie es brauchen, das vielfältige Angebot von Hospiz und Palliative Care nützen können“.
Zur Sache
Einen Überblick über die bestehenden Angebote und Kontaktadressen gibt die Homepage des Landesverbandes Hospiz Niederösterreich www.hospiz-noe.at
„My Care, My Right“ ist das Motto des Internationalen Hospiz- und Palliativtages 2019 am 12. Oktober 2019. „Meine Hospiz- und Palliativbetreuung ist mein Recht“ stärkt die langjährige Forderung des Dachverbandes Hospiz Österreich, eine Regelfinanzierung für eine flächen- und bedarfsdeckende Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich zu erreichen. Eine qualitätsvolle Hospiz- und Palliativversorgung, wie sie im offiziellen österreichweiten Versorgungskonzept verankert ist, muss für alle Menschen, die es brauchen, erreichbar, leistbar und verfügbar sein.
Ein wichtiger Teil dieser Betreuung sind die ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und Hospizbegleiter. Ihr unbezahlbares Geschenk ist das DA-Sein, das Aushalten, das Mitgehen und Unterstützen, ein Stück Alltag und Normalität, das sie zu den Schwerkranken, Sterbenden sowie deren Familien und Nahestehenden bringen. Die Österreichischen Sparkassen, Erste Bank und ERSTE Stiftung unterstützen die ehrenamtliche Hospizarbeit in Österreich auf vielen Ebenen ebenso wie internationale Symposien zum Ehrenamt.
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