25 Jahre Tagesmutter: "Kindern darf langweilig sein"
Christine Enne aus Hofstetten-Grünau könnte anlässlich ihres Dienstjubiläums Bücher füllen, steht uns aber im Interview Rede und Antwort.
HOFSTETTEN-GRÜNAU / ST. PÖLTEN. Sie sind nun seit 25 Jahren Tagesmutter. Was hat Sie seinerzeit zum Beruf bewogen?
CHRISTINE ENNE: Bewogen hat mich dazu unsre jüngste Tochter, ihre drei Geschwister waren schon relativ groß und ich wollte, dass sie nicht als Einzelkind aufwächst. Sie war damals ein Jahr alt und ich bekam mein erstes Tageskind mit neun Monaten dazu. Sie sind heute noch Freundinnen. So habe ich mittlerweile cirka 60 bis 70 Kinder bei ihrer Entwicklung beobachten können und Teil ihres Lebens sein dürfen.
War Ihre Familie von Anfang an damit einverstanden?
Der Partner und die Kinder müssen da ja mit an einem Strang ziehen. Meine Familie war schon recht bald einverstanden, da meinem Mann das „Zu Hause bleiben“ bei den Kindern sehr wichtig war, natürlich auch mir. So konnte ich den Haushalt finanziell doch etwas aufbessern und ich konnte meine Familie selbst versorgen. Garten, kochen, backen und alles, was so dazu gehört.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf so sehr, dass Sie ihn schon so lange ausüben?
Ich freue mich wenn die Kinder heimkommen, viele Fragen haben. Die großen Vorteile dieses Berufes sind, dass man die eigenen und fremde Kinder Zuhause versorgen kann und Geld dabei verdient. Die Zeit kann man selbst einteilen, man kann oftmals an Schulveranstaltungen teilnehmen, bei Schulausflügen dabei sein.
Auch ein Teil der Hausarbeit lässt sich mit Kindern bewerkstelligen, gekocht wird ohnehin und auch bei Gartenarbeiten haben Kinder großen Spaß. Beim Blumenpflanzen sind alle dabei und freuen sich, wenn etwas wächst .
Ich darf auch mit meinen Erfahrungswerten und Ratschlägen den Eltern zur Seite stehen.
Wie sehr hat sich der Beruf Tagesmutter – es gibt jetzt ja auch schon einige Tagesväter - seit damals verändert?
Die Ausbildung ist um viele Stunden erweitert worden. Auch die Kinder sind anders geworden. Das mag wohl daran liegen, dass die Kinder sehr viel Freizeit vor dem Fernseher, der Konsole oder am Tablet verbringen. Auch daran, dass beide Eltern berufstätig sind und Zuhause alles tun, damit bei den Kindern auf keinen Fall Langeweile aufkommt. So werden sie ständig bespaßt und können sich nicht mehr selbst beschäftigen.
Kindern darf langweilig sein. Man weiß, dass aus Langeweile Kreativität entsteht, diese trägt sehr zur Weiterentwicklung bei. Bei meinen Tageskindern sehe ich, wie sie mit ganz einfachen Dingen wie Steinen oder Ästen tolle Spiele erfinden.
Warum glauben Sie, gibt es nahezu keinen Nachwuchs bei den Tagesmüttern? Sie sind ja die Einzige in Hofstetten-Grünau?
Ich denke, dass viele nicht sehen, dass Tagesmutter ein Beruf ist, der eine solide Ausbildung braucht um ihn gut zu machen. Man trägt Verantwortung - nicht nur für die eigenen, sondern auch für fremde Kinder. Man ist den Eltern gegenüber zur Sorgfalt verpflichtet. Und selbstverständlich möchten Eltern ihre Kinder zu ausgebildeten Tagesmüttern geben.
Viele Kinder werden schon mit 2 ½ Jahren in Kinderbetreuungseinrichtungen gegeben. Das ist in meinen Augen zu früh. Nachweislich zeigen viele Studien, dass so kleine Kinder – wenn schon die Mutter nicht die Möglichkeit hat, das Kind selbst zu betreuen – besser in Kleingruppen aufgehoben wären. Da ist die Tagesmutter natürlich ideal.
Schade ist nur, dass die Kinder überhaupt aus dem Haus müssen, daher wäre dieser Beruf für viele Mütter oder auch Väter perfekt. Viele Tagesväter gibt es ja noch nicht.
Meine inzwischen erwachsenen Kinder sind mir sehr dankbar, dass sie immer nach Hause kommen konnten und nicht nach der Schule jemand anderen zum Reden gebraucht haben.
Zur Sache:
Die Ausbildung zur Tagesmutter oder zum Tagesvater umfasst 300 Unterrichtseinheiten, davon 80 praktische. Nächster Ausbildungsstart ist am 29. August beim Hilfswerk St. Pölten. Information und Anmeldung unter 02742/249 1502 oder zentrum.support@noe.hilfswerk.at;
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