Machtlos gegenüber dem Essen
Selbsthilfegruppe hilft Menschen, sich selbst zu helfen, wenn das Essen zur gefährlichen Sucht geworden ist.
ST. PÖLTEN (bt). "Ich bin in der Nacht aufgestanden und habe den Kühlschrank leergegessen", gesteht eine Lilienfelderin. "Unter Gutgehen habe ich verstanden, eine ganze Tafel Schokolade zu essen, nicht das Spazierengehen oder eine Massage", schließt sich ihre Freundin aus St. Pölten an. Während andere zur Flasche greifen, legen die beiden Frauen ein zwanghaftes Essverhalten an den Tag. Mittlerweile sieht man ihnen das nicht mehr an, sie sind schlank. Ein Alkoholiker lässt den Alkohol stehen. Aber was tut ein Esssüchtiger? Er kann ja nicht aufhören zu essen, so oft das Dilemma. Hilfe bieten die "Overeaters Anonymous", eine internationale Selbsthilfegruppe, die sich in St. Pölten bereits seit 10 Jahren trifft, jedoch eher unbekannt ist. Seit Anbeginn dabei sind auch unsere Damen, die nun die Öffentlichkeitsarbeit vorantreiben, aber lieber anonym bleiben wollen. Zum eigenen Schutz und zum Schutz der Gruppe.
"Trockene Überesser"
Die Overeaters Anonymous sind eine Anlaufstelle für alle Menschen, die mit Über- oder Untergewicht kämpfen, exzessive Diäten betreiben oder unter Ess- oder Brechsucht leiden. Eine Namensänderung ist daher angedacht, etwa in Selbsthilfegruppen für Menschen mit Essstörungen.
Ihr Prinzip leitet sich von jenem der Anonymen Alkoholiker ab. Es gibt keine Chefs, keine Therapeuten, die Betroffenen helfen sich gegenseitig. "Wenn man bedenkt, wie viele Alkoholiker trocken werden durch die Anonymen, dann ist das schade, dass bei den Overeaters Anonymous so wenige sind. Wir sind auch abstinent geworden dadurch." Tatsächlich bezeichnen sich die beiden Frauen selbst als trocken.
Machtlos gegenüber Essen
"Ich bin gegenüber dem Essen machtlos." Mit diesem Zugeständnis fängt alles an, denn erst dann macht die Teilnahme an einem Selbsthilfetreffen auch Sinn. "Wir sagen, die Esssucht ist eine körperliche, geistige und spirituelle Krankheit. Es ist ganz wichtig, diese drei Seiten anzusehen." Andernfalls wird das Problem nicht an der Wurzel gepackt, denn ein krankhaftes Essverhalten ist meist die Folge psychischer Probleme oder belastender Situationen, etwa in der Kindheit. "Wir können die Krankheit nicht heilen, aber stoppen." Die Torten aus der Vitrine des Cafés landen beim Bezirksblätter-Gespräch jedenfalls nicht am Tisch: "Ich denke mir, okay, da greife ich jetzt lieber nicht hin, sonst muss ich es beim nächsten Treffen erzählen."
Zur Sache: Anzeichen und Treffen
Anzeichen für zwanghaftes Essen: Essen ohne Hunger, Essanfälle, Scham, Reue, ständige Gedanken rund ums Essen, heimliches Essen, Gelüste außerhalb regulärer Zeiten; Die Overeaters Anonymous treffen sich jeden Freitag von 18:30 bis 19:30 Uhr im Raum vom Verein Wohnen in der Daniel-Gran-Straße 41 in St. Pölten. Keine Anmeldung erforderlich. Keine Mitgliedsbeiträge. Kontakttelefon: 0660/5569773;
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