Expertendiskussion auf Initiative des Bildungsnetzwerks Steiermark:
Die Welt im Wandel – ein Aufruf zum Mitgestalten
"So kann es nicht bleiben – aber wir dürfen auch nicht wieder in die so genannte Normalität vor Corona zurückkehren!" Mahnende Worte fanden jene Expertinnen, die kürzlich in einem Austausch im Grazer Veranstaltungszentrum Steiermarkhof einschneidende gesellschaftliche Veränderungen, bedingt etwa durch Klimakrise, prekäre Arbeitsverhältnisse und nicht zuletzt durch Corona, unter die Lupe nahmen und zum aktiven Mitgestalten unserer Zukunft ermutigten.
Corona ist kein Einzelfall
Das Bildungsnetzwerk Steiermark hat den diesjährigen Tag der Weiterbildung unter das Motto Demokratie – Umwelt – Bildung gestellt. Ein Mix aus Themen, die laut der beiden Vortragenden, der renommierten Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb sowie Veronika Bohrn Mena, Expertin für prekäre Arbeitsverhältnisse einander bedingen: „Diese Bereiche gehören untrennbar zusammen! Bildung ist der Schlüssel für eine aktive Mitgestaltung von Demokratie.“
Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb nennt einige der drastischen Folgen, die die voranschreitende Klimaerwärmung für Umwelt, Menschen und Wirtschaft mit sich bringt: „Extremereignisse wie Dürreperioden oder Unwetter werden sich häufen, das Artensterben wird rasant voranschreiten. Durch den Anstieg des Meeresspiegels geht Lebensraum verloren und Mensch und Tier müssen immer enger zusammenrücken. Experten gehen davon aus, dass noch an die 6.000 Viren darauf warten, auf den Menschen überzuspringen.“ Das heißt, so die Expertin, dass auch Corona kein Einzelfall bleiben wird: „Wir haben unseren Planeten unter Druck gesetzt – er ist krank. Und auf einem kranken Planeten werden auch Menschen und Gesellschaften krank. Die Entscheidung über das langfristige Klima fällt also jetzt! Es muss in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren etwas geschehen.“ Allem voran stünden dabei Nachhaltigkeit und langfristiges Denken.
Glück statt großes Auto
Dass jeder Einzelne etwas tun kann und muss, liegt für die Klimaforscherin klar auf der Hand: „Lebensstil ändern! Öfter Öffis nutzen, hochwertige, regionale Produkte einkaufen, grundsätzlich weniger konsumieren. Auf Lebensstandard, also großes Auto, Fernreisen usw. verzichten und stattdessen auf Lebensqualität, sprich Zufriedenheit, Freude, Glück setzen. Und auch entsprechende Rahmenbedingungen von der Politik einfordern.“ Diese, so Kromp-Kolb, sei jetzt nämlich am Zug: „Corona hat gezeigt, dass die Politik kann, wenn sie will und dass die Bevölkerung mitgeht, wenn die Maßnahmen plausibel erklärt werden.“ Konkret gelte es klimafreundliches und nachhaltiges Handeln einfacher und kostengünstiger zu machen, Klimaschädigendes müsse im Gegensatz unattraktiv und teuer werden. Erneuerbare Energie, solidarische Landwirtschaft, öffentlicher Verkehr seien hier einige der ganz wichtigen Themen.
Arbeit gerechter verteilen
Ins selbe Horn stößt Veronika Bohrn Mena in Bezug auf die aktuelle und sich abzeichnende Situation am Arbeitsmarkt: „Wir verzeichnen einen massiven Anstieg von atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten hat keine unbefristete Vollzeitanstellung. Corona hat die Pensionsschere zwischen Männern und Frauen auf 61 Prozent anwachsen lassen. Vor allem in systemrelevanten Branchen wie in der Pflege sind Arbeitsplätze so gestaltet, dass man sie nur schwer über längere Zeit durchhalten kann.“ Bohrn Mena plädiert dafür, Arbeit und Arbeitszeit gerechter zu verteilen, Arbeitszeiten zu verkürzen, Ungleichheiten in der Entlohnung aufzuheben, den Trend zu Teilzeitjobs zu stoppen usw. Eine Rückkehr zur Normalität, wie er oft eingefordert werde, sei allerdings nicht erstrebenswert: „Die Entwicklung ging schon vor Corona in die falsche Richtung.“
Erwachsenenbildung ist gefragt und gefordert
Für die Erwachsenenbildung sehen die beiden Expertinnen in der jetzigen Situation große Aufgaben und Chancen. Kromp-Kolb: „Alle diese Veränderungen können nicht ohne das Gespräch mit der Bevölkerung stattfinden. Dafür braucht es jedoch kritisch denkende Menschen. Nachdem aber unsere Schulen und Universitäten nicht darauf ausgerichtet sind, kommt der Erwachsenenbildung eine enorm wichtige Rolle zu. Menschen müssen lernen, sich richtig zu informieren, Informationen zu hinterfragen und analysieren sowie kritisch zu denken. Bildung ist das Werkzeug, das es braucht, um den gesellschaftlichen Wandel aktiv mitgestalten und in eine positive Richtung lenken zu können.“
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