Politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Im Familienverbund fällt der Wahlgang schwerer

Präsentierten der WOCHE ihre Studienergebnisse: Die jungen Mitarbeiter des Forschungsbüros Menschenrechte der Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH | Foto: Foto Jörgler
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Pünktlich mit den Hochrechnungen nach jeder Wahl wird auch die Wahlbeteiligung beleuchtet. Ein Aspekt, der dabei bisher unberücksichtigt blieb, ist die Anzahl der Menschen mit Behinderung, die an einer Wahl teilgenommen haben. "Diese Lücke wollten wir schließen und haben uns ausgehend vom Ergebnis der Bundespräsidentenwahl 2016 das Wahlverhalten von Menschen mit Behinderung angeschaut", schildert Kurt Feldhofer vom Forschungsbüro Menschenrechte. Er hat dies mit einer Gruppe von neun Forschern – sechs davon mit einer Behinderung – untersucht. Insgesamt wurden über 270 Steirer zwischen 16 und 81 Jahren und mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen befragt.

Die Hauptergebnisse

"Am überraschendsten für mich war, dass Menschen, die im Familienverbund leben, seltener wählen als jene, die in einer Einrichtung untergebracht sind", berichtet David Formayer, einer der beteiligten Forscher. In Einrichtungen funktioniert es mit einem barrierefreien Zugang einfacher, als wenn man mit Angehörigen ein herkömmliches Wahllokal aufsuchen muss. Für zehn Prozent ist dies der Grund, nicht zur Wahl zu gehen. Knapp 20 Prozent verzichten auf den Wahlgang, weil sie keine Begleitung haben. Diese Problematik kann auch Isabella Neumeister bestätigen: "Ich brauche Hilfe, den Stift zu halten, und der Wahlzettel muss befestigt werden." Sie "meistert" trotz Handicap jede Wahl.
Ebenso interessant ist die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung mit zunehmendem Alter steigt. "Das überrascht insofern, als mit den Lebensjahren ja eventuell mehr Beeinträchtigungen dazukommen", findet Projektleiter Kurt Feldhofer. Besonders auffallend ist die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung von Menschen mit Behinderung niedriger ist als in der Gesamtbevölkerung. Rund ein Viertel der befragten Personen wählt überhaupt nie. Bei der Bundespräsidentenwahl 2016 nahmen 60 Prozent ihr Stimmrecht wahr, im Vergleich dazu lag die Wahlbeteiligung aller Österreicher bei 74 Prozent.

"Politiker-Sprech als Hürde

Barrieren begegnen Menschen mit Behinderung nicht nur auf dem Weg in die Wahlkabine, sondern auch in der Beschaffung von Informationen. Welche Partei wofür steht und welcher Kandidat wo antritt, wird immer häufiger digital verbreitet – "ein Kanal, der für Menschen mit Behinderungen, vor allem mit Lernschwächen, nur sehr schwer zugänglich ist", weiß Susanne Maurer-Aldrian, die Geschäftsführerin der Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH, die den Rahmen für die Forschungstätigkeit bietet. Mit 161 Nennungen rangiert das Fernsehen als klare Nummer eins, wenn es darum geht, wie sich Menschen mit Behinderung informieren.
Die Wahlwerbung der einzelnen Parteien wurde rund hundert Mal genannt, allerdings haben hier viele mit einer weiteren Hürde zu kämpfen: die Sprache, in der politische Inhalte verpackt sind. Der berühmte "Politiker-Sprech" ist für Menschen mit Lernbehinderung nur schwer greifbar. "Die Politik zumindest mittels einer einfachen Sprache barrierefrei zu machen, sehen wir als klaren Auftrag für kommende Wahlen", erklärt Maurer-Aldrian. Und Feldhofer ergänzt: "Einfach muss nicht wertlos sein."

Anleihen und Ideen auf dem Weg zur barrierefreien Politik finden sich in diesem Video

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