Vogelmiere. Märchen und Geschichten für Kinder Kindsköpfe und Kindgebliebene - Teil 41

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Bei meinen Kräuterwanderungen und Singing Farm Aktivitäten auf unserem Bauernhof, hab ich besonders ein Kräutlein zu schätzen gelernt: die Vogelmiere. Ihre zierlichen Pflanzenteile färben Brötchen und Smoothies grasgrün, auch ihr Geschmack - nach Zuckermais - ist recht angenehm. Kinder lieben es, den gummiartig-elastischen Strang im Inneren des Stängels freizulegen, der wie ein Darm wirkt. Daher dürfte auch der volkstümliche Name "Headarm"(Hühnerdarm) entstanden sein. Ihre eleganten weißen Blütchen wirken wie Silbersterne.

Durch ihren hohen Vitamin C gehalt (angeblich 10 Mal mehr als bei Kopfsalat) und ihre zahlreichen MIneralstoffe soll Vogelmiere bei Hühnern zähe Knochen und starke Eier bewirken und auch beim Menschen soll das Kraut für neue Lebenskraft sorgen und den Stoffwechsel ankurbeln. Wie es um die Magie der Sternenpflanze bestellt ist, hab ich mir im folgenden Märchen einfallen lassen, das übrigens mein aller erstes selbst verasstes Kräutermärchen war.


Silbersterne

Spielmann Justus war verzweifelt. Sein Kopf sank immer tiefer, als er die staubige Landstraße entlang wanderte. Und genau so erging es auch dem Mut in seinem Herzen. Warum war er bloß ein armer Spielmann, der von einem Tanz zum nächsten zog, um sich sein Geld zu verdienen? Seine Jugendfreunde hatten Haus und Hof geerbt, oder wenigstens einen guten Beruf gelernt und hatten ein geregeltes Einkommen. Er aber lebte sozusagen von der Hand im Mund. Solch bittere Gedanken nagten an seinem Herzen und wollten ihn scheinbar gar nicht mehr loslassen. Nicht einmal die frechen Sonnenstrahlen, die seine Augen zum blinzeln brachten, konnten ihn an diesem herrlich frischen Julimorgen aufmuntern.

Gestern hatte ihn das Glück verlassen. Der Grund dafür war nur sie – na ja, eigentlich ihr Vater. Er hatte Lilli zum ersten Mal beim Tanz im Natternberger Stadel entdeckt. Kornblumenblaue Augen die wie zwei Himmelssterne strahlen konnten und ein Lächeln, das ihn alles andere vergessen ließ, und dazu noch ihre wunderschönen Haare in der Farbe von reifem Korn, die nekcisch im Sommerwind wehten. Wie sollte er sie je vergessen. Er hatte dort aufgespielt mit seiner Klarinette und die Mädchen, wie so oft, durch sein Spiel bezaubert.

Diesmal spielte er nur für sie. Lilli schien seine Gefühle vom ersten Augenblick an zu erwidern. Sie kam von nun an zu jedem Tanz auf dem er spielte. Gestern hatte er dann zum ersten Mal selbst mit ihr getanzt. Ihm war klar, dass er sie zu seiner Frau machen wollte. Hand in Hand gingen sie zu Lillis Vater, dem reichen Minnerl Wirt z‘ Zell um die Einwilligung für die Hochzeit zu erbitten.

„Was willst du?“, fuhr ihn der Wirt an. „Ein dahergelaufener Hallodri wie du, der von der Hand im Mund lebt und bei jedem Tanz einem anderen Mädel den Kopf verdreht, will meine Tochter heiraten. Was willst du ihr schon bieten – du bist nichts weiter als ein Landstreicher - ein Bettler ohne Geld und ohne Zukunft!“ Seine harten Worte fuhren dem jungen Justus wie ein Dolch ins Herz. So hatte er sich noch nie gesehen. Bisher hatte ihm seine Musik große Freude bereitet. Die Leute liebten sein Spiel mit dem er, wie kein anderer, auf die Stimmungen der Menschen eingehen konnte und ihnen Freude schenkte. Er hatte sein Leben der Kunst verschrieben und war immer stolz auf seine Gottesgabe gewesen. Justus und die Klarinette – sie waren eins – hatten zusammengehört wie Pech und Schwefel. Nun wollten ihn die Zweifel nicht mehr loslassen.

Auch Lilli ging es nicht besser. Justus war die Liebe ihres Lebens. So feinfühlend und lieb. Er war kein so grober Lackel wie die anderen Dorfburschen. Mit ihm wollte sie alt werden. Alles Geld, aller Schmuck und alle schönen Kleider nützten ihr nichts, wenn sie ihr Leben ohne den Justus verbringen sollte. „Was hatte sich der Vater nur dabei gedacht? Er hatte ihn hinausgejagt, ihm Haus und Hof verboten“, sinnierte die schöne Wirtstochter. „Du kannst ihr ja nicht einmal ein Brautkleid kaufen!“, hatte er den Musikanten verhöhnt. „Bring ihr ein Brautkleid das funkelt wie aus tausend Silbersternen gewebt, und du sollst meine Tochter zur Frau haben!“ das war die Bedingung an die ihr Vater das Lebensglücks seines einzigen Kinds geknüpft hatte. Aber wie sollte sich das der Justus jemals leisten können. So ein Kleid hatte ja maximal eine Königin.

Mit zermarterten Kopf, hungrig, durstig und undendlich Müde erreichte der Justus endlich das alte Kloster der Franziskanerinnen. Die würden ihm sicher einen Schlafplatz für die Nacht gewähren. Er schleppte sich zur Pforte und klopfte.

Im Klostergarten saß Gartenschwester Innozenz auf der Hausbank. Ihre Stirn lag tief in Falten. Auch sie war schwer am Grübeln. Ihre Hennen hatten in letzter Zeit ganz fahle Kämme bekommen und fast gänzlich aufgehört zu Legen . Sie hatte schon einiges ausprobiert, aber bisher wollte nichts so recht wirken. Die Glocke riss sie unsanft aus ihren Gedanken. „Ich bitte um ein günstiges Quartier für die Nacht, ehrwürdige Mutter“, bat Justus. „Der Weg war lang und ich bin unendlich müde“. „Ja, ja, du kannst dich hier ausruhen. Ein Quartier für die Nacht sollst du bei uns bekommen. Komm nur herein.“ Die gute Innozenz brachte dem müden Wanderer auch noch eine kleine Jause. Beim Essen klagte sie ihm ihr Kreuz mit den Hennen. „Du kommst viel herum, Spielmann. Vielleicht weißt du einen Rat?“ fragte sie ihn als sie mit ihrer Erzählung fertig war.

„Auf der Wanderschaft hat mir ein altes Kräuterweiblein einmal erzählt, dass Vogelmiere ein wahres Zaubermittel für die Probleme sei, die du mir da beschreibst“, riet ihr der Musikant. „Komm mit in den Garten, dann kann ich dir das Pflänzchen am besten gleich selber zeigen! Vielleicht hilft‘s ja?“ „In Gottes Namen“, antwortete die Nonne und folgte ihm hoffnungsvoll.

Zum Abschied gab ihm die fromme Innozenz eine wunderschönes Vogelmiere-Zweiglein als kleines Dankeschön mit. Die unzähligen kleinen Blüten, die das Kraut zierten, leuchteten wie tausend Sterne. Als er sich kurze Zeit später unter einem Baum breit machte, weil die Sonne gar so heiß auf ihn niederbrannte, fiel er in einen tiefen Schlaf. Plötzlich strich ihm eine zarte Hand sanft über die Stirn. Über ihn gebeugt war ein wunderschönes Mädchen, elfenzart mit silberweißem Haar.

„Ich will dir helfen, in deiner Not!“ sagte das Geschöpf. „Ich bin eine Sternenelfe und dem Kräutlein Vogelmiere geweiht. Weil du der frommen Mutter Innozenz, die immer so gut zu uns Elfen ist, geholfen hast, will ich es dir jetzt vergelten. Nimm deine Klarinette und spiel mir was vor!“ Verwundert begann der Junge Spielmann eine wunderschöne Melodie anzustimmen. Als die Sternenelfe mit heller Stimme einfiel, kamen viele andere Elfen herbeigeeilt. Mit vereinten Kräften wurden tausend feine Sternenblüten gesammelt, die sie bis zum Abend zu einem wunderschönen, überirdisch funkelnden, weißen Sternenkleid webten. „Das ist ja ein Brautkleid!“, strahlte der Justus. Die Elfe lächelte zufrieden, winkte ihm anmutig zu und verschwand.

Flugs eilte er mit dem Brautkleid zum Minnerl Wirt. Dem fielen beinahe die Augen aus dem Kopf vor Staunen. Jetzt sah er wirklich dumm drein. Aber ein Wort ist ein Wort. Das wusste sogar der gierige Minnerl. Justus und Lilli fielen sich in die Arme, denn nun wurde Hochzeit gefeiert. Das Brautkleid aber, soll noch heute im Besitz der Wirtsfamilie sein.

...und das bin ich beim Kräutermärchen-Erzählen. Leider versteckt sich die Vogelmiere am Boden. Das im Vordergrund ist eine Mauretanische Malve - ideal zum Färben von Saft und gut gegen Husten.
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Foto: Cityfoto
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