Lebensmittelverschwendung
„Auch nach Ablauf noch genießbar“
Rund 40 Kilogramm Lebensmittel im Wert von 300 Euro landen pro oö. Haushalt jährlich im Müll.
STEYR-LAND. „Oft sogar originalverpackt, wie unsere Restmüllanalysen zeigen“, sagt Tobias Nagler, Abfallberater des Bezirksabfallverbandes Steyr-Land. Die Hauptgründe für diese Verschwendung liegen laut einer Studie des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung klar auf der Hand: 41 Prozent der Haushalte in Österreich entsorgen Lebensmittel, weil viel mehr gekauft wird als benötigt. Für 38 Prozent genügt bereits ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum, um sich der Nahrungsmittel zu entledigen. „Nur weil ein Produkt die offizielle Haltbarkeit überschreitet, bedeutet es nicht gleich, dass es ungenießbar ist“, so Nagler.
Das hat bereits die Umweltorganisation Greenpeace im Jahr 2017 mit einem Langzeittest im Labor bewiesen: Käse war sechs Wochen nach Ablaufdatum noch genießbar, Joghurt hielt sogar sechs Monate durch. Um Lebensmittelabfälle deutlich zu reduzieren, rät Nagler, sich wieder mehr auf die eigenen Sinne zu verlassen: „Frische und Genießbarkeit eines Produktes werden am besten durch sehen, riechen und schmecken bestimmt.“ Das ist auch die Devise von Phillip (Name geändert) aus Dietach, wenn er in Wien Lebensmittel aus Mülltonnen holt, auch „Dumpstern“ genannt.
Kein schlechtes Gewissen
Mit Rucksack und Einkaufstaschen bewaffnet durchsucht der Student seit sechs Jahren regelmäßig den Müll von Supermärkten. „Anfangs habe ich das aus ethischen Gründen gemacht und war regelrecht schockiert, wie viel verschwendet wird. Im Laufe der Zeit ist das aber in den Hintergrund gerückt und jetzt mache ich es, weil ich mir sehr viel Geld spare.“ Vor allem, wenn der 29-Jährige Waren findet, die sehr teuer sind. „Ich habe mal sechs Flaschen einwandfreies Arganöl gefunden, die sicher einen Wert von 100 Euro hatten. Oft finde ich verpacktes Bio-Fleisch oder Lachs und fast immer viel Obst, Gemüse, Käse sowie Brot – alles genießbar. Wenn ich Glück habe, sind auch Wein- oder Bierflaschen dabei“, erzählt Phillip. Dass er den Abfall von Geschäften durchsucht, bereitet ihm kein schlechtes Gewissen. „Man sollte hinterfragen, warum es überhaupt so weit kommt, dass Lebensmittel im Müll landen, die völlig in Ordnung sind.“
Einer, der gegen Lebensmittelverschwendung kämpft, ist Karl Roman Mayr aus Schiedlberg. Seit Anfang letzten Jahres rettet er Obst und Gemüse von Bauern aus der Region, die für den Handel produzieren. „Alles was zu klein, zu groß oder zu krumm ist, landet normalerweise auf dem Kompost. Wir retten diese Ausschussware und geben den Lebensmitteln eine zweite Chance.“ Im Durchschnitt kommen da zwei bis drei Tonnen Lebensmittel pro Woche zusammen – oft sogar in Bio-Qualität.
„Diese liefern wir kistenweise alle 14 Tage an Kunden in neun verschiedenen Bezirken aus, ein Teil wird in unserem eigenen Hofladen in Schiedlberg verkauft, ein anderer Teil kostenlos an Sozialmärkte verteilt“, erzählt Mayr. Schnell verderbliche Ware verarbeitet er zu Marmeladen, Säften, Sirupen, Gelees und Chutneys, die er ebenfalls im Hofladen anbietet. Mehr Infos auf 2techance.at
Tipps & Tricks
Mit folgenden Tipps lassen sich Lebensmittelabfälle deutlich reduzieren:
•Vorräte vor Einkauf überprüfen & Einkaufszettel schreiben
•Nicht hungrig einkaufen
•Vermeintliche Supermarkt-Schnäppchen hinterfragen
•Lebensmittel richtig lagern
•Nicht vom Ablaufdatum verwirren lassen, Sinne einsetzen
•Reste vom Restaurant einpacken lassen und mitnehmen
•Regional & saisonal einkaufen – Waren halten sich länger
Mehr auf isnuguat.at – eine Kampagne der OÖ Umweltprofis gegen Lebensmittelverschwendung
Essen retten mit App
„Too good to go“ ist eine App, mit der man überproduzierte Speisen von Restaurants, Bäckereien und Supermärkten zu einem reduzierten Preis kaufen kann. Es gibt auch tolle Tipps zum Verwerten von Lebensmittelresten. Infos: toogoodtogo.at
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