Veganismus
Von „Helden“ und Mängeln
Reicht ein Häupel Salat zum Glück? „Global denken und regional handeln“, sagt die Ernährungsexpertin.
STEYR & STEYR-LAND. Veganer verzichten nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf sämtliche tierische Produkte. Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung in Österreich leben vegan. „Die Tendenz steigt“, weiß Ernährungsberaterin Birgit Nell. Häufig sind die genannten Motive für die Ernährungsumstellung ethischer Natur. Massentierhaltung und Klimawandel zählen zu den Schlagwörtern. „Veganer vergleiche ich gerne mit Revolutionären aus früheren Zeiten. Sie sind Helden für mich, sie trauen sich was, sie zeigen Probleme auf.“ Um aber auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt Nell sich ernährungswissenschaftlich beraten zu lassen.
„Problemkind“ Vitamin B12
Denn auf Dauer kann eine vegane Ernährung Mangelerscheinungen herbeiführen: „Problemvitamine sind Vitamin D und besonders das Vitamin B12. Letzteres ist ausschließlich in tierischen Lebensmitteln enthalten.“ Unser Körper habe gelernt, riesige Speichermöglichkeiten für dieses Vitamin zu entwickeln. „Bei einer durchschnittlichen österreichischen Kost sind diese Speicher randvoll. Wie lange es dauert, bis ein Mangel bemerkt wird, hängt davon ab, wie voll die Speicher zu Beginn einer Umstellung sind.“ Kalziummängel seien ohne Laborbefund lange nicht zu entdecken. Hier ist der Speicher die Knochendichte: „Meine Ernährung in der Kindheit und Jugend entscheidet also, ob ich Osteoporose erst mit 90 oder vielleicht schon mit 50 Jahren bekomme“, so die Garstnerin.
Nahrungsergänzungen
Nell warnt vor allem Schwangere und stillende Mütter, auf ihre Ernährung zu achten: „Ich hatte selbst Fälle schwerer Vitamin-B12-Mängel bei etwa zehn Monate alten, gestillten Säuglingen erlebt, deren Mütter sich nicht einmal vegan, sondern ungünstig vegetarisch ernährten.“ Kurz: Ohne tierische Lebensmittel ist eine langfristige Gesundheit ohne Nahrungsergänzung nicht möglich. „Diese Vitamin-B12-Supplementierung gibt es auf veganer Basis in allen Varianten. Wichtig ist hier, sich von jemand Geschultem beraten zu lassen“, so Nell.
„Großteils pflanzlich“
„Auf Fleisch verzichte ich bereits seit acht Jahren. Ab und zu habe ich auch mal Käse gegessen und generell auf Milchprodukte verzichtet. Seit einem Jahr jedoch versuche ich intensiver, mich großteils pflanzlich zu ernähren“, beschreibt Lisa Vorderderfler ihre derzeitige Situation. Denkt die 28-jährige Ternbergerin über den Klimawandel nach, erscheint es ihr noch unmöglicher, Fleisch zu konsumieren: „Viele wissen nicht, was ihr Fischkonsum für unseren Planeten zu bedeuten hat“, findet Vorderderfler. Wie viel Fleisch ist jetzt also noch gesund? „Wir predigen schon lange maximal dreimal pro Woche und da ist das Wurstsemmerl schon mitgerechnet. Es tut aber sowohl der Umwelt als auch mir selbst gut, wenn ich mich regional und saisonal ernähre. Die Qualität, die unsere Landwirte hier produzieren, ist einzigartig. Das sollte nicht vergessen werden“, betont Nell.
„Bilderbuchbauernhöfe gibt es noch immer!“
Einen Stellenwert in Sachen Klimawandel haben auch Rinder: Sie produzieren bei der Verdauung große Mengen an Methan, einem Treib-
hausgas, das am Klimawandel nicht unbeteiligt ist. Ernährungswissenschafterin Birgit Nell ist der Meinung, dass man ökologisch handeln kann, ohne gleich einen Komplettverzicht machen zu müssen. Und, dass Landwirtschaft nicht gleich Massentierhaltung ist: „Die Bilderbuchbauernhöfe, die gibt es noch! Wenn wir unsere Landwirte nicht schätzen, brauchen wir mehr Exporte, und werden mehr Regenwälder abgeholzt. Soja- und Getreideanbau sind aufgrund der steilen Hänge im Ennstal eingeschränkt möglich.“
Bezirksbauernkammer-Obfrau Edeltraud Huemer dazu: „Methangas entsteht trotzdem, auch dann, wenn das Gras wächst und unverarbeitet liegen bleibt. Die Kühe sind Zwischenwirte und keine Klimakiller. Ohne sie wäre unsere Landschaft nicht das, was sie ist.“ Nell empfiehlt, immer wieder an eine „Restlverwertung“ zu denken, um nichts wegwerfen zu müssen.
„Mein Vorschlag: Tierische Lebensmittel auf ein Minimum reduzieren, gleichzeitig Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide forcieren,“ so Nell.
Vegan zu leben bedeutet den Verzicht auf jedes vom Tier herrührende Nahrungsmittel. Also: Kein Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier und Honig.
„Planetary Health Diet“:
Wissenschaftler der EAT-Lancet-Kommission haben einen Speiseplan erstellt, der die Gesundheit des Menschen sowie die des Planeten schützen soll: Für den Menschen würde das bedeuten, den Fleischverbrauch auf ein Zehntel des jetzigen Konsums zu reduzieren. 1/4 l Milch pro Tag, maximal ein Ei, einmal Fisch pro Woche, dafür täglich 75 g Hülsenfrüchte, 1/4 kg Getreide, 1/2 kg Obst und Gemüse und etwas Nüsse. Alle Infos dazu finden Sie auf eatforum.org
Die „Vegane Gesellschaft Österreich“ stellt auf ihrer Seite vegan.at Informationsmaterial zur Verfügung, aber auch praxisbezogene Alltags-Tipps und Rezeptideen.
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