ALLERHEILIGENBLUME/CHRYSANTHEME. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 86

Heute ist Allerheiligen. Die Gräber sind geschmückt und wer noch keine Kerze am Grab eines Lieben Verstorbenen entzündet hat, hat das zumindest heute Abend oder morgen noch vor... Ganz unverhofft fiel mir dazu soeben die folgende Geschichte ein. Diesmal über eine Blume, die ich selber eigentlich bisher nicht so wirklich mochte, die es sich aber offensichtlich verdient hat, ihr künftig genauer auf den Grund zu gehen...

Allerheiligenblume Chrysantheme

Gedankenverloren drückte Valerie ihr eiskaltes Näschen an der Fensterscheibe platt und starrte auf die Landschaft da draußen, die ins warme Licht der bald untergehenden Sonne getaucht, eben von Gold nach Schwefelgelb wechselte.

Morgen war Allerheiligen - das erste Allerheiligen ohne ihre geliebte Omi. Der leere Fleck in ihrem jungen Herzen fühlte sich heute besonders leer an, tat weh und schmerzte das kleine Mädchen. Omi war doch immer so fröhlich gewesen. Bei ihr war es nie fad, weil sie immer so lustige Ideen hatte. Und außerdem hatte sie als einzige immer Zeit für Valerie gehabt. Warum sie einfach so - von einem Tag auf den nächsten nicht mehr da war, konnte und wollte das Mädchen bis heute nicht verstehen.

"Omi, ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, aber ich werde dir zumindest die schönsten Blumen bringen, die du dir vorstellen kannst!" Ja, das wars. Endlich etwas Sinnvolles zu tun, um die doofe Trauer zu vergessen. "Mami, ich geh nur noch schnell mal runter in den Park!" rief sie. Und schon rannte sie die Stiegen hinunter.

Neben dem Park mit den vielen uralten Baumriesen, dem Solehäuschen, das Menschen mit Atemwegsbeschwerden gerne aufsuchten, und den Metallskulpturen, die zu irgendeiner Ausstellung gehörten, befand sich der Friedhof, vor dem jetzt - kurz vor Allerheiligen - zahlreiche Gärtner und Floristen ihre Marktbuden errichtet hatten. Hier würde sie sicher die perfekten Blumen für Omi finden. Ihr prallvolles Sparschwein trug sie in einem Stoffsackerl mit sich.

Neugierig schritt Valerie die Reihen von Blumen, Gestecken und Marktbuden ab, von denen sich eine bunter als die andere gestaltete. "Puh! So viel Auswahl..." Wenn sie sich nur erinnern könnte, welche Omis Lieblingsblumen waren! Und überhaupt - hatten Tote noch dieselben Lieblingsblumen wie im Leben oder änderte sich das auch...? Valerie war ratlos, denn im Prinzip sahen alle Blumen nach Friedhof aus - stimmten sie traurig und rochen auch so.

"Kann ich dir helfen?" fragte sie ein Verkäufer mit chinesischem Akzent und Aussehen. "Ich weiß nicht?!" stotterte Valerie verlegen. Ich suche die richtigen Blumen für meine Oma. Aber irgendwie sehen hier alle gleich und nach Friedhof aus!" Da musste der Verkäufer schmunzeln. "Nun ja, da hast du vielleicht Recht, mein Kind. Aber manchmal lohnt es sich, einen Blick hinter das Offensichtliche zu wagen. Viele der Blumen hierzulande sind zum Beispiel nicht winterhart. Sie würden die ersten Fröste dieser Tage nicht überdauern. Darum sind viele der Blumen, die zu Allerheiligen angeboten werden Chrysanthemen. Sie halten tiefe Temperaturen aus und haben noch dazu eine tolle Symbolik!

Valerie runzelte die Stirn. "Symbolik? Was meinen sie denn damit?"

"Na, ja. Bei uns in Japan, zum Beispiel, ist die gelbe Blüte der Chrysantheme ein wichtiges Symbol für die Sonne und das Licht - wenn man so will auch für die Unsterblichkeit der Seele. Ihr chinesischer Name bedeutet sogar "das Wesen der Sonne". Außerdem ist sie ein Symbol für Glück und Gesundheit."

"Toll!" rief Valerie strahlend aus. "Das würde meiner Omi sicher gefallen. Sie hatte auch immer so tolle Geschichten auf Lager! Wissen sie, meine Omi hatte total viel Fantasie!" Als sich das Mädchen jedoch umsah, gefror das Lächeln auf ihren Lippen.

"Darf man fragen, warum sie mir solche schönen Geschichten erzählen, dann aber lauter weiße und bunte Chrysanthemen hier am Stand haben. Es ist keine einzige gelbe mehr da!"

"Da hast du recht..." zuckte der Mann bedauernd die Schultern. "Hier in Deutschland bevorzugen viele weiße Chrysanthemen als Symbol der Wahrhaftigkeit. Junge moderne Leute, haben's natürlich auch gerne bunt!"

Traurig drehte sich Valerie um und machte einige schritte in Richtung Park, als sie ein Sonnenstrahl blendete und ihr frech ins Auge stach. "Autsch! Was war denn das?" Das Mädchen machte einen Satz und blinzelte. Fast wäre sie auf eine wild wachsende gelbe Blume getreten, die am Rand eines Blumenbeets der Parkanlage wuchs. Der freche kleine Sonnenstrahl ließ sie gerade wie eine schimmernde Goldmünze im Abendlicht glänzen. Da wurde es Valerie unsagbar warm ums Herz. "Meine Omi!" flüsterte sie völlig verzückt. "Du hast noch immer die besten Ideen von uns allen, Omi!" Damit pflückte das Mädchen ungeniert die kleine Allerheiligenblume ab, marschierte damit in den Friedhof und steckte sie in die noch leere Vase. "Schöner hätte ich sie dir auch nicht anbieten können", schmunzelte der Verkäufer von vorhin, der einige Reihen weiter eine Kerze entzündete.

Doch das hörte Valerie gar nicht mehr. Denn sie erinnerte sich an eine Geschichte, die ihr ihre Omi letztes Allerheiligen erzählt hatte. Sie handelte von den Kelten und ihrem Glauben daran, dass die Schleier der Welten, zwischen unserer Welt und der "Anderswelt" der Toten, zu Allerheiligen so dünn waren, dass die Seelen der Verstorbenen an diesen Tagen in die alte Welt zurück kehren konnten. Voriges Jahr hatte sie sich beim bloßen Gedanken daran megamäßig gefürchtet. Jetzt aber, wusste sie, was Omi damit gemeint hatte: all die Liebe, Blumen, guten Gedanken, Kerzen, Friedhofs- und Messbesuche konnten unsere Verstorbenen noch immer spüren und manchmal, ja, manchmal da gaben sie sogar Antworten... gerade so wie Omi eben...

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