LERCHENSPORN. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kindgebliebe - Teil 105

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Die Pflanze über die ich heute schreibe, nennt sich "Hohler Lerchensporn" und gehört eigentlich zu den ersten Frühlingsboten. Zusammen mit dem Bärlauch findet man ihn gern in feuchten Auwäldern - im Gegensatz zu diesem, zählt er jedoch zu den Giftpflanzen. Seit ich bei Kräuterexpertin Heidi Brunner dieses Frühjahr zum ersten Mal vom Lerchensporn hörte und ihn bewusst wahrnahm, ging  er mir nicht mehr aus dem Kopf. Obwohl in den namhaften Kräuterbüchern kaum etwas über ihn zu finden ist, beschreibt ihn Storl als mächtiges Walpurgiskraut. Sein Duft, so sagt man, öffnet die Tore zur Anderswelt, führt zur Seelenaufgabe zurück und hilft, Kontakt zu den Ahnen und damit zu den eigenen Wurzeln zu finden.  Heute ist mir endlich eine  Geschichte dazu eingefallen... Viel Spaß beim Lesen!

Die kleine Jana saß gelangweilt in ihrer Schulbank und starrte beim Fenster hinaus. Aber da draußen wars heute genau so trostlos wie drinnen in ihrem Herzen.  Mama war im Krankenhaus. Sie hatte ein Burnout! Und Jana? Die wohnte ab jetzt bei Papa. Zugegeben, das hatte sie sich immer dann gewünscht, wenn Mama mit ihr gestritten oder die Nerven geschmissen hatte. Was sie dort erlebte, war noch schlimmer als die schmutzige Scheidung. 

Papas neue Freundin war samt ihrer Tochter Jaqueline bei ihm eingezogen. Jana fühlte sich in der Wohnung ihres Vaters wie ein Eindringling. "So ähnlich muss es dem Aschenbrödel gegangen sein", mutmaßte sie. Die Stiefmutter ließ sie spüren, dass sie sie nicht mochte, und Jaqueline, die 4 Jahre älter war, quälte sie, zwickte und schubste sie. . Einmal hatte sie ihr Bett sogar mit Schnee angefüllt.

"Jana! Träumst du schon wieder!" Mit einem Knall landete das Lineal der Lehrerin  auf ihrer Tischkante. "Du bist zu langsam! Wenn deine Eltern nicht bald etwas unternehmen mit dir, wirst auch du die Klasse wiederholen müssen!"

Das war die nächste Baustelle. Jana war jetzt in der 2. Klasse. Von den 21 Schülern, die Anfangs mit ihr in die Klasse gingen, waren nur mehr 13 über - und das in der Volksschule...

Ohne es zu merken, floh Jana schon wieder aus der bitteren Realität. Schon war sie mitten in ihren Träumen. Eigentlich war es immer der gleiche Traum. Jana war eine Meerjungfrau. Am liebsten spielte sie mit den Delfinen und schwamm mit ihnen um die Wette. Bei Vollmond saß sie auf einem Felsen mitten im Meer, der im Mondlicht rosa schimmerte. Dort spielte sie mit den Perlen, die sie so gerne vom Meeresgrund herauftauchte. Es war immer der gleiche Traum, das gleiche Meer, von dem sie träumte. Manchmal traf sie sich mit einem anderen Meerjungfrau-Mädchen. Sie sah genauso aus wie Jana selbst, nur ihre Haare schimmerten in den schillerndsten Rottönen. Jana würde gerne mit ihr reden, aber immer wenn sie den Mund aufmachen wollte, zerplatzte der schöne Traum wie eine Seifenblase.

Endlich! Sommerferien! Jana hatte tatsächlich das Schuljahr geschafft, ohne die Klasse wiederholen zu müssen. Gleich nach der Zeugnisverteilung packte Papa die ganze Familie ins Auto und fuhr mit ihnen an die Nordsee. "Zum ersten Mal ans Meer!" Aufgeregt wetzte sie auf ihrem Sitz hin und her, bis ihr Jaquline kräftig den Ellbogen in die Rippen stieß. "Halt die Luft an, Nervensäge!" Endlich war die lange Autofahrt vorbei. Voller Freude lief Jana gleich zum Wasser. Sie stand zum ersten Mal am Meer. Gerade war Ebbe. "Das ist gemein!" rief sie. "Jetzt fahre ich so weit, und dann läuft das Meer vor mir davon!" Da sah sie eine Muschel im Wasser aufblitzen. Sie läuft hin, rutscht aus und steigt versehentlich darauf. Jana fällt, aber nicht ins Wasser, sondern tiefer und tiefer, wie in einem Sog. Als sie die Augen aufschlug, lag sie tief am Meeresgrund. Vor ihr stand ein Schloss aus leuchtenden Edelsteinen, davor spielte die Freundin aus ihren Träumen. Sie winkt Jana zu sich - das ging ganz leicht, denn sie hatte nun auch gold geschuppte Schwanzflossen, war selber eine kleine Meerjungfrau. Als die beiden eine Zeit lang mitsammen gespielt hatten, nahm das Mädchen allen Mut zusammen und versuchte abermals die Frage zu stellen, die so sehr auf ihren Lippen brannte: "Wer bist du? Ich kenne dich aus meinen Träumen!"

Das fremde Mädchen lächelte. "Ja, das stimmt!" ich bin schon dein ganzes Leben lang bei dir! Weißt du, deine Großmutter war meine Zwillingsschwester. Sie verliebte sich in einen Fischer und ging mit ihm - obwohl das für sie bedeutete sterblich und ein Mensch zu werden. Ich vermisste sie schrecklich, hab sie aber nie aus den Augen verloren. Durch die Glaskugel mit dem eingegossenen Lerchensporn konnte ich immer mit ihr in Verbindung treten. Als sie starb, bekamst du die Kugel, weil du ihr so ähnlich bist. Du siehst sogar so aus wie sie. Daher kannst du auch immer, wenn du es willst, bei uns sein!" Mit Tränen in den Augen fielen sich die beiden Mädchen in die Arme.

"Nun ist es aber an der Zeit, zu gehen, kleine Schwester!" Zum Abschied drückte sie Jana einen geschliffenen Glasstein in die Hand. Auch in ihm befand sich eine Lerchensporn-Blüte. "Gib den deiner Mutter. Sie hat im Wirbel des Lebens ihren Halt verloren. Lerchensporn kann sie wieder mit ihren Wurzeln verbinden. Es wird alles gut, du wirst sehen!"

Da zwickte sie jemand unsanft in die Wange. He, schaut her! Unser Träumerlein ist einfach am Strand eingeschlafen! Warum stecken wir sie nicht einfach in ein Postpaket und schicken sie gleich wieder Heim! Und überhaupt... die Post verliert doch eh immer so viele Pakete! Das wär doch ganz praktisch!"

An Jana prallte das alles ab - zum ersten Mal - denn sie wusste jetzt, wohin sie gehörte und dass es immer jemanden geben würde, dem sie wirklich etwas bedeutete. 

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