"Dafür gibt es kein Verständnis"

Foto: Land OÖ/Dedl

BEZIRK. Eine Lehrstelle ist ein großer Schritt in die Integration. Oberösterreich hat hier enorme Fortschritte gemacht, bereits 276 junge Asylwerber sind in einer Lehrstelle aktiv. Nun nehmen aber jene Fälle zu, bei denen junge Asylwerbende, die Dank Lehre in Mangelberufen, Spracherwerb und Austausch mitten in unserer Gesellschaft angekommen sind, einen negativen Asylbescheid bekommen und bei Bestätigung in zweiter Instanz außer Landes gebracht werden sollen. Zuletzt hat das Schicksal eines Koch-Lehrlings aus Dietach für Unverständnis gesorgt. „Generell bin ich dafr, dass die geleistete Integration im Asylbescheid viel stärker beachtet wird. In einem ersten Schritt fordere ich aber von der Bundesregierung, dass Abschiebungen für Menschen in Ausbildung ausgesetzt werden, zumindest bis Abschluss der Lehre oder Ausbildung", so Integrationslandesrat Rudi Anschober.

Erfolgsprojekt: Lehre für Asylwerbende in Mangelberufen

Mit 276 Lehrplätzen für Asylwerbende in Mangelberufen (Stand 31. Oktober 2017) besetzt Oberösterreich knapp die Hälfte aller Plätze Österreichs. Die meisten Stellen finden sich dabei in der Gastronomie und Hotellerie, aber auch Tischler/innen, Friseur/innen, Elektriker/innen oder Installateur/innen sind unter den Lehrlingen mit Asylstatus. Der überwiegende Teil der Betroffenen (189) stammt aus Afghanistan, auch 12 Mädchen sind unter den Lehrlingen. Hinsichtlich der Verteilung in Oberösterreich ist eine große Breite gegeben: Linz, Gmunden, Rohrbach und Perg sind aktuell die Top 4-Bezirke mit Lehrstellen. Zwischen 10 und 20 Lehrlinge haben derzeit einen in erster Instanz negativen Asylbescheid.
Die Wahrscheinlichkeit für einen negativen Bescheid sei bei Afghanen höher als beispielsweise bei Syrern, weil sich die Fluchtgründe unterscheiden. Zurzeit werden viele afghanische Fälle aufgearbeitet, deshalb gibt es jetzt viele negative Bescheide, erklärt Anschober. „Der Wert der Integrationsleistung im Asylverfahren sollte klarer definiert werden“, sagt Anschober.

Größte Verunsicherung: Negativbescheide während Lehre und Ausbildung

Aktuell nehmen die negativen Asylentscheidungen auch für Menschen in Lehre bzw. anderer Ausbildung zu, die für Unverständnis und Verunsicherung bei betroffenen Lehrlingen und Betrieben sorgen. Auf Antrag von LR Rudi Anschober haben zuletzt die Flüchtlings-Landesrät/innen aller Bundesländer bei ihrer Konferenz am 20. Oktober einstimmig einen Beschluss an den Innenminister gefasst zur „Berücksichtigung der Integrationsleistung bei Asylwerbenden“.

Theresia Erbler, Bäckerei Zöhrmühle:
„Es fehlen tausende Köche und Asylwerbende werden direkt aus der Küche abgeholt und abgeschoben. Wir sind eine traditionelle Handwerksbäckerei – viel Handarbeit trotz guter Ausstattung. In den letzten Jahren ist es sehr schwierig, passende Lehrlinge zu bekommen. Die Gründe: Arbeitszeit, Arbeiten am Samstag, sinkende Lehrlingszahlen. Umso positivere Erfahrungen haben wir dann mit Mehdi gemacht, er ist verlässlich, fleißig, pünktlich, passt gut ins Team, ist wissbegierig und handwerklich geschickt.
Es ist schade um diese Fähigkeiten – Mehdi hat einen Negativbescheid bekommen. Dafür gibt es kein Verständnis, auch nicht im Bekanntenkreis. Ehrenamtliche und hauptamtliche Betreuer klappern alle Betriebe ab, um Lehrstellen zu finden, und schlussendlich sind doch alle Bemühungen umsonst. Schwierig war schon zu Beginn die Erstellung des Lehrvertrages, niemand hat sich wirklich ausgekannt, aber Mehdi konnte es kaum erwarten, mit der Lehre anzufangen. Am Anfang gab es sprachliche Schwierigkeiten, mit viel Kreativität war dies aber gut lösbar, so wurde etwa auch die Berufsschule verschoben, um sie mit besseren Noten zu absolvieren. Die sprachliche Hürde wird mit jedem Tag kleiner. Und jetzt der Negativbescheid. Die Bevölkerung versteht die Vorgangsweise nicht. In der Gastronomie fehlen tausende Köche und es werden Asylwerbende direkt aus der Küche abgeholt, um sie abzuschieben.
Die Beendigung der Lehre sollte ohne drohende Abschiebung möglich sein, das ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten: wir Unternehmer können Lehrstellen endlich besetzen, Asylwerbende nutzen ihre Zeit sinnvoll und Talente werden gefördert. Klar ist: Ausbildung nützt auch im späterem Leben, auch in ihrem Heimatland.
Die Wirtschaft sucht händeringend Lehrlinge – man schöpft dieses Potenzial aber nicht aus, das ist kontraproduktiv. Für diese gut integrierten und fleißigen Asylwerbenden gibt es zudem hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Und schließlich die Konsequenz des Lehrlingsmangels? Ein Facharbeitermangel, durch den früher oder später traditionelle Produkte verloren gehen, stattdessen industrielle Fertigprodukte eingesetzt werden, die regionale Vielfalt verschwindet, das Sortiment wird verkleinert – das kann auch nicht im Sinne der Konsumenten sein!“

Hermine Hanke von der Hofstubn in Stadlkirchen wurde der Kochlehrling direkt aus der Küche abgeführt. Hier gehts zum Bericht
„Als Gastwirtin mit Leib und Seele in einem traditionellen Restaurant mit 120 Sitzplätzen finde ich mich vielen Herausforderungen gegenüber: Wechselnde Gesetze und zunehmende Auflagen, Kostendruck, und dazu die äußerst prekäre Personalsituation in der Gastronomie. Neben erfahrenen Kräften, die schwer zu finden sind, bilde ich seit langem auch Lehrlinge aus und versuche dabei, ihnen die Freude an der Gastronomie und die Liebe zum Beruf weiterzugeben. 2015 habe ich auch Shamid R., einen asylsuchenden jungen Mann aus Pakistan, als Koch-Lehrling aufgenommen, was ich als meinen Beitrag zur Integration gesehen habe und als Zeichen einer menschlichen Unternehmensführung. Im Vertrauen auf die Beschäftigungsbewilligung des AMS waren wir beide im Glauben, dass bis zum Ende der Lehrzeit eine Abschiebung nicht möglich ist und bis dahin seine Integration weit fortgeschritten sein wird.
Es lag auch außerhalb meiner Vorstellungskraft, dass ein engagierter junger Mann aus Krisenländern, der gut Deutsch kann, einen Lehrvertrag und einen Platz in einem Wohnheim aufweisen kann, abgeschoben wird. Für die Auseinandersetzung mit allen gesetzlichen Hintergründen fehlten mir, aufgrund meines intensiven Einsatzes für den Betrieb, die Zeit und die Kraft.
Am Sonntag, 5. November  wurde Shamid R. nun zur Mittagszeit bei vollem Haus von zwei Polizisten in der Küche festgenommen, abgeführt und bereits 58 Stunden später von Wien Schwechat außer Landes gebracht!
Die abrupte Verhaftung war schockierend für Shamid R. und mit ihm war das ganze Team fassungslos und erschüttert. Die Küchenmannschaft musste mit Tränen in den Augen für ein volles Haus weiter kochen und das verstörte Servicepersonal musste bei den Gästen Freundlichkeit beweisen. Mich trifft die überraschende Festnahme und Abschiebung sowohl persönlich als auch geschäftlich sehr hart, als Shamid R. bis dahin ein wissbegieriger und tüchtiger Lehrling war, der in seinen Fähigkeiten seinem Lehrjahr voraus war und bereits eine wesentliche Stütze für unser Team darstellte.

Ich hoffe sehr darauf, dass die noch ausständigen Entscheidungen über ein humanitäres Asyl für Shamid R. in seinem und meinem Sinne positiv verlaufen und führe ihn deshalb in meinem Personalstamm ohne Abmeldung weiter. Gastronomiekollegen, die sich aber allen diesen Widrigkeiten nicht mehr aussetzen wollen und ihren Betrieb schließen, kann ich nun gut verstehen.“

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