Natura 2000: Die Nachnominierung verschoben

Der Protest war erfolgreich: IG-Sprecher Bernhard Nikodem (li.) aus Reichraming und Franz Zweckmayr aus Trattenbach, zwei betroffene Landwirte, bei der Versammlung am 10. September in Reichraming. | Foto: Thöne
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  • Der Protest war erfolgreich: IG-Sprecher Bernhard Nikodem (li.) aus Reichraming und Franz Zweckmayr aus Trattenbach, zwei betroffene Landwirte, bei der Versammlung am 10. September in Reichraming.
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STEYR-LAND. Der Stein war schwer, der den Bauern in Steyr-Land am 15. September vom Herzen fiel: Die Landesregierung hat die an diesem Tag geplante Entscheidung über die Nachnominierung von Natura 2000-Schutzgebieten verschoben.

Damit ist sichergestellt, dass offene Fragen mit den Grundbesitzern auf Augenhöhe vor der Nominierung diskutiert werden. Viele sahen sich zu spät, zu wenig oder gar nicht informiert. 16 Gebiete in Oberösterreich mit einer Gesamtfläche von 6715 Hektar sollen – zusätzlich zu den bestehenden 73.000 Hektar – mit neuen naturschutzrechtlichen Auflagen als Natura 2000-Flächen ausgewiesen werden.

Protest beim Landeshauptmann
Kurzfristig haben Abordnungen der betroffenen Ennstaler Landwirte am 11. und 12. September in Linz bei mehreren Landesräten sowie Landeshauptmann Josef Pühringer vorgesprochen. „Wir haben alle unsere sachlichen und rechtlichen Bedenken vorgebracht“, sagt der Sprecher der Interessengemeinschaft, Bernhard Nikodem aus Reichraming. „Auch sie scheinen über die Vorgangsweise bei der Flächennominierung betroffen gewesen zu sein.“ An Pühringer wurde eine Liste mit 400 Protest-Unterschriften überreicht.

„Auch unsere Interessen berücksichtigen!“
Wie berichtet, haben die Landwirte erst zwei Wochen vor der Nachnominierungsfrist vom Vorhaben der oö. Naturschutzabteilung erfahren und sofort mobil gemacht. Um ein Haar wäre es „zu spät“ gewesen. „Wenn wir betroffen sind, dann sollten unsere Interessen auch berücksichtigt werden, nicht nur jene des Naturschutzes“, betont Nikodem. „Wir wollen wissen, was auf unserem Eigentum geplant ist.“ Auch über angemessene, faire Entschädigungszahlungen müsse im Fall des Falles geredet werden. Alles andere käme einer Enteignung gleich.

Das ursprüngliche Ziel der Interessengemeinschaft: Keine Privatflächen für die Natura 2000-Nachnominierungen! „Sollten Nachnominierungen private Flächen betreffen, dann auf Basis des freiwilligen Vertragsnaturschutzes. Diese Details müssen wir aber vorher kennen“, erklärt Landesrat Max Hiegelsberger. „Die Bauern stehen zum Naturschutz, aber es geht auch um wirtschaftliche Existenzen“, betont Hiegelsberger. Es gebe noch viele offene Fragen, wie etwa die Auswirkung der EU-Grundrechts-Charta auf die Weiterentwicklung von Natura 2000.

Versammlung in Reichraming

Erst Anfang September hatten viele betroffene Landwirte von den Nachnominierungen erfahren. In mehreren Gemeinden fanden Protestversammlungen statt, darunter am 10. September im Gasthof Aglas in Reichraming. Fünfzig Landwirte diskutierten drei Stunden lang über die möglichen Auswirkungen der Natura 2000-Nachnominierungen. Heftig war der Protest über die Vorgangsweise der oö. Naturschutzabteilung. Die Information an die Betroffenen erfolgte zu spärlich und zu spät. Viele sind extrem verunsichert.
Hier einige Statements, die am 10. September gefallen sind:

Bert Prenn, Reichraming: „Steinkrebse? Mein Bach ist über den Sommer ausgetrocknet, da gibt es nichts zu schützen.“
„Wir können uns auf die Politik nicht verlassen, wir müssen selbst die Initiative ergreifen.“
„Einen derart massiven Eingriff in unser Eigentumsrecht haben wir bisher noch nicht erlebt.“
„Bei jedem Hausbesitzer klopft man normalerweise an, wenn man etwas will. Das ist Anstand.“

Franz Zweckmayr, Trattenbach: „Wir fühlen uns von der Bauernkammer nicht vertreten. Wir müssen uns selber wehren!“

IG-Sprecher Bernhard Nikodem, Reichraming: „Die Vorgangsweise des Landes ist unter jeder Kritik. Wir sind in keinster Weise eingebunden.“
„Durch eine Natura 2000-Belastung ist eine Verkehrswert-Minderung unserer Grundflächen gegeben.“
„Welche Kosten die neuen Auflagen für die Naturschutzabteilung verursachen – das weiß niemand.“
„Die Flächen sind nicht richtig besichtigt worden. Viele Angaben sind fachlich falsch. Auf meinem Grund wurde eine Wiese als Schluchtwald ausgewiesen.“
„Es sind viele Berufungen absehbar.“
„Alle diese schützenswerten Pflanzen und Tiere gibt es, obwohl – oder weil – wir dort wirtschaften!“
„Die Qualität einer Demokratie zeigt sich auch daran, wie mit einer Minderheit umgegangen wird. Über uns wird drübergefahren.“
„In Deutschland sind Natura 2000-Flächen nur auf staatliche Flächen begrenzt.“

Bürgermeister Reinhold Haslinger, Reichraming, zur Vorgangsweise betreff Natura 2000-Nachnominierungen: „Das ist modernes Raubrittertum.“

Josef Ziebermayr („Hintsteiner“), Losenstein: „Mich schockiert die Gleichgültigkeit und Ratlosigkeit der Politik. Das kann man nicht dulden!“

Edgar Blasl, Trattenbach: „Das ist Enteignung, was hier passiert. Wir sollten eine Sammelklage einreichen und die Bauernkammer sollte einen Anwalt zur Verfügung stellen.“

Viel Kritik einstecken musste Franz Schillhuber jr., Leiter der Bezirksbauernkammer Steyr. „Warum hat uns die Bauernkammer nicht informiert?“, fragten viele Teilnehmer. Schillhuber: „Wir haben uns seit Monaten bemüht und einiges erreicht. Sonst wären viel mehr als 6700 Hektar nominiert worden ... Wir wissen auch nicht, welche Landwirte betroffen sind.“

Michael Schwarzlmüller, Bauernkammerrat, Reichraming: „Der Hut brennt. Ich werde am 12. September mit den Landesräten Entholzer und Jahn reden.“

Werner Ratzberger, Gemeinderat und Unternehmer, Reichraming: „Gut, dass es diese Bewegung, die Interessengemeinschaft, gibt.“
„Auf die Gemeinden kommt eine Verwaltungsflut zu.“

Lesen Sie dazu auch diesen Bericht:
http://www.meinbezirk.at/steyr/chronik/wir-haben-angst-um-unsere-existenz-d1073116.html

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