Nikolaustradition und rußschwarze Tuifl in Rietz - mit Video

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RIETZ. Von weit hört man schon das lauthalse Brüllen, das tiefe "aaaaaaarrr!!!" - und jeder weiß: Die Rietzer "Tuifl" sind auf dem Weg, verbreiten Schrecken und bereiten manchen eine richtige "Ganslhaut". Es ist eine Tradition, die alle Jahre am 5. Dezember die Gemeinde Rietz in seinen Bann zieht – seit 1948!

Nikolaus, Fuhrmann-Mandln, Bären und Tuifl

Heuer sind neben dem Nikolaus mit zwei Fuhrmann-Mandln und zwei Bären mit Bärentreiber insgesamt sechs halbnackte, schwarz-glänzende Tuifl ab der Mittagszeit im Ort unterwegs, mit Hörnern und roten Hosen sind die Rietzer Tuifl unverwechselbar.

"Tollinger-Tuifl" seit 1948

Viele ehemalige Tuifl bleiben dem Verein eng verbunden. Etwa über 130 Mitglieder sind es derzeit, darunter auch der Erfinder Hans Tollinger, "unser Obertuifl", wie ihn Michael Zauner (28), Obmann des Nikolaus-Vereins, nennt. Der Nikolaus besucht auch den fast 90-jährigen Tuifl-Gründer in seinem Haus.
"Die Rietzer Tuifl sind einzigartig, das gibt's sonst nirgends", ist der Obmann überzeugt. Mindestens 16 Jahre, unverheiratet und kinderlos müssen sie sein.

Ruß-Spende für die Tuifl von Kaminkehrern

Am 5. Dezember versammeln sich die jungen Männer zu Mittag bei der Tuiflhütte. Hier schmieren sie sich mit dem Ruß-Speiseöl-Gemisch ein. "Die Kaminkehrer sammeln fleißig und freuen sich schon, wenn wir kommen und es holen", erzählt Zauner: "Am besten ist der feinkörnige Ruß von Ölheizungen." Zuerst muss Vaseline auf die Haut, so geht der Ruß danach besser ab: "Fanatische reiben sich schon Tage vorher mit Vaseline ein!"
Trotz nacktem Oberkörper: Bis –5°C ist es kein Problem, wissen die Tuifl. "Man muss immer in Bewegung bleiben, und ja nicht zu lange an einem Feuer aufwärmen, denn danach wirds dann erst recht kalt. Aber krank ist bisher noch nie jemand geworden", erzählt Michael Trixl (20), ein leidenschaftlicher Tuifl, beim BEZIRKSBLÄTTER-Gespräch eine Woche vor dem großen Tag in der Rietzer Tuiflhütte (siehe dazu das Video unten).
Draußen schneit es leicht. Obmann Zauner und Tuifl Trixl freuen sich schon: "Schon mein Vater war Tuifl, das hat mich schon seit der Kindheit fasziniert. Bei diesem Verein kann nicht jeder dabei sein, es ist schon etwas Besonderes."

Rietzer Nikolaus-Chronik und strenge Regeln

Auf dem Tisch liegt die "Bibel" des Rietzer Nikolausvereins. Fotos und viele Geschichten vergangener Tuifl-Zeiten sind in dieser roten Nikolaus-Chronik verewigt, ebenso die Mitglieder von Damals bis heute und die Regeln sowie Sprüche, die der Nikolaus und die Fuhrmann-Mandln bei ihren Hausbesuchen aufsagen.
Trixl und Zauner blättern in der Chronik: "Da sind viele Geschichten und Fotos, einiges hat sich lustig zugetragen und gibt bis heute Gesprächsstoff. Manches da drin ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt", lacht der Obmann: "Ein strenges Gebot steht hier drin, das gilt auch für die Zukunft: Ihr solltet nie das ursprüngliche traditionelle Aussehen eines echten Rietzer Teufels verändern: rote Hose, Ruß-Öl-Gemisch und schwarze Fellkappe bzw. Helm mit nur 2 Hörnern!"

Nikolaus die Hauptfigur

Der Nikolaus spielt im Rietzer Brauch die Hauptrolle, ist Zauner froh: "Der Nikolaus hat im Verein das Sagen. Es geht um die Kinder. Den Nikolaus fasziniert es immer noch, wenn die Kinder mit leuchtenden Augen da sitzen und an den Mann glauben. Der Nikolaus kommt in Rietz in den Kindergarten und nach Hause." Früher war es immer ein Familienfest, meist saß da nur ein Kind, sagt Zauner: "Heute sind es oft viele Kinder und weniger Häuser, etwa 60 Hausbesuche werden es heuer wieder sein."
Der Zauber des Nikolaus soll für die 2- bis 8-Jährigen erhalten bleiben. Nur bei der Hälfte der Hausbesuche sind auch Tuifl dabei, noch seltener der Bär. "Früher war alles noch wilder, heute nicht mehr so. Es dürfen nur Tuifl dabei sein, die wissen, wie sie sich aufzuführen haben", erzählt Zauner: "Früher war alles weniger dramatisch, wenn einmal eine Wand eines alten Bauernhauses mit der rußverschmierten Hand angepatzt wurde. Heute geht das nicht mehr." Und sollte etwas passieren, Kleidung oder ein Auto angruaßlt oder beschädigt werden, ist derjenige Tuifl auch so ehrlich und kommt zum Obmann und sagt: "Das war ich", wie Zauner erklärt, der Verein kommt für den Schaden auf: "Wir sind ein kleiner Verein, und wenn etwas passiert, geht das auf den Verein zurück. Das wollen wir nicht", macht Zauner klar und lehnt Gewalt, so wie es in einigen anderen Orten und Vereinen der Brauch ist, ab.

Ruten holen, binden und bieten gehen

Am Allerheiligentag treffen sich die Mitglieder des Nikolausvereins noch privat. Auch das Totengedenken, die Erinnerung an die verstorbenen Mitlieder, gehört jedes Jahr dazu. Das erste offizielle Treffen ist immer am 1. Samstag im November, da darf jeder seinen Wunsch äußern, als was er gehen will. Organisatorisches wird besprochen. Danach folgen das "Rutenholen" (Äste von Birken, die im Wald gefällt werden) und das "Rutenbinden". Zwei Wochen vor dem 5. Dezember beginnt das "Bieten", dabei werden Familien, in denen sich Kinder befinden, gefragt, ob der Nikolaus heuer kommen soll.
Und dann kommt der Tuifl-Tag. Nur an diesem 5. Dezember treten die Rietzer Tuifl auf und ziehen mittlerweile auch viele Auswärtige an, die sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollen und hoffen - oder "fürchten" - dass sie unterwegs auf die wilde Gruppe treffen ...

Anruaßeln - das gehört dazu

Aber das "Anruaßeln" der Leute gehört einfach dazu, damit muss jeder rechnen. Im Gesicht angeschmiert werden fast alle, die mit den Tuifln in Kontakt kommen, verschont werden nur alt-gediente Tuifl. Die Rute bekommen meist nur junge Burschen zu spüren, die "nachschleichen" gehen. Die müssen möglichst schnell sein, um nicht erwischt zu werden. Die Ruten werden übrigens für freiwillige Spenden verkauft, erzählt Zauner: "Es ist die einzige Einnahmequelle." Dafür wurden bereits hunderte Ruten gebunden, aus den Birkenzweigen, die auch jedes Jahr nach einem traditionellen Ritual aus dem Wald geholt werden.
Zauner ist schon seit 12 Jahren dabei, wie lange er das noch machen will, ist offen. Zwei der Tuifl sind heuer nicht mehr dabei, sie haben selber Kinder und bleiben deshalb daheim bei ihren Familien, wenn der Nikolaus - und vielleicht auch die Tuifl - kommen. Aber dem Verein bleiben auch nicht aktive Tuifl treu. Denn die Rietzer hängen mit viel Herzblut an ihrem Brauch - und das sicher noch viele Generationen.

Kurzes Video dazu (© Georg Larcher)


FOTOSERIE unten:

Fotos von heurigen Ruten holen (11.11.2017) und Ruten binden (18.11.2017) von © Martin Dollnig.
FOTOS UMZUG AM 5.12. IN RIETZ: © Georg Larcher (weitere Fotos ab morgen)
Weiteres dazu hier:
http://www.meinbezirk.at/telfs/lokales/pechschwarze-tuifl-tradition-in-rietz-d1950577.html

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