Der Bürgermeister als Fußabstreifer?
Ab und zu möchte der Ortschef von Annaberg-Lungötz dem ein oder anderen die Ohrwaschel lang ziehen.
Interview von Theresa Kaserer
Bezirksblatt: Es ist uns zu Ohren gekommen, dass Sie bei der nächsten Bürgermeisterwahl nicht mehr kandidieren wollen.
SEPP SCHWARZENBACHER: "Ich bin auf der Suche nach einem Nachfolger. Oder einer Nachfolgerin. Ich habe auch nichts gegen ein Mädel. Ich bin zwar gern Bürgermeister, aber bei der nächsten Wahl bin ich 63 Jahre und da ist es nicht abwegig, dass ich mir Gedanken mache, aufzuhören. Ich bin 35 Jahre in der Kommunalpolitik. Irgendwann müssen die Jungen ran! Sollte sich aber kein Nachfolger finden, mache ich weiter."
Ist es schwer, Bürgermeisterkandidaten zu finden?
SEPP SCHWARZENBACHER: "Ja. Wir haben viele fähige junge Leute in der Gemeinde, aber es ist schwer, sie zu überzeugen, dass sie sich das antun. Du bist ja heutzutage als Bürgermeister wirklich der Fußabstreifer der Gemeindebürger. Du bist für vieles schuld, das z. B. die Bundespolitik verbockt, obwohl du gar nichts dafür kannst. Und die Leute gehen immer mehr unter die Gürtellinie."
Inwiefern?
SEPP SCHWARZENBACHER: "Ich bin kein Wunderwuzzi und mache auch Fehler. Dann entschuldige ich mich. Aber die Leute haben keine Geduld mehr. Wenn ihnen etwas einfällt, greifen sie zum Handy und dann soll schon alles geregelt sein, bevor du überhaupt davon erfährst. Unsere Gesellschaft wird leider egoistischer. Der gegenseitige Respekt fehlt, auch gegenüber den Alten, und es gibt mehr Ellenbogentechnik."
Haben Sie viel mit Nachbarschaftsstreitigkeiten zu tun?
SEPP SCHWARZENBACHER: "Ja. Und teilweise haben die Menschen Probleme, da denkst du dir, das gibt's ja nicht, dass das ein Problem ist. Da wird gesudert und alles ist schlecht. Ich sage ihnen dann, sie sollen nachdenken, was positiv ist. Darüber wird ja fast nie geredet. Wir leben in Frieden, wir haben eine gute Luft und gesunde Lebensmittel. In manchen Ländern trinken die Menschen Wasser, das ist eine Suppe, die würde bei uns nicht einmal jemand zum Klospülen hernehmen."
Was ist Ihnen als Bürgermeister speziell wichtig?
SEPP SCHWARZENBACHER: "Dass unsere Jugend hier bleibt. Was nützt der schönste Kindergarten, die beste Schule, wenn sie nur zur Hälfte voll ist? Da baue ich lieber aus, weil zu viele Kinder da sind. Ich möchte, dass die jungen Annaberger und Lungötzer die Chance haben, hier zu bleiben. Darum müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht verkaufen und der Baulandpreis weiter steigt. Wir sind zwar eine ländliche Gemeinde, aber wir haben eine gute Infrastruktur. Und unsere Schulen sind sehr engagiert, auch damit, den jungen Menschen Bitte, Danke, Grüß Gott und Auf Wiedersehen beizubringen. Jeder hat seine Flegeljahre. Aber letztens kam ich dazu, wo Burschen mit ihren Bikes durch unsere Blumen gefahren sind. "Wenn ich euch nochmal erwische, zieh ich euch die Ohrwaschel lang", hab ich denen gesagt. Ich habe versprochen, es nicht ihren Eltern zu erzählen, dafür sie mir, dass sie das nicht noch einmal tun."
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