Lore Hayek im Gespräch zur Wahl
"Die Stimmung in der Politik ist aufgeheizt"

Politikwissenschaftlerin Lore Hayek von der Uni Innsbruck

Den Wahlkampf und die Parteioptionen nach der Wahl besprachen wir mit Politikwissenschaftlerin Lore Hayek.

Der Wahlkampf war – anders als 2018 – zum Teil sehr angriffig. Ein Zeitenphänomen? Wie beurteilen Sie die Wahlauseinandersetzung generell?
Lore Hayek:
"Die erhöhte Angriffigkeit im Wahlkampf resultiert sicher auch aus einem erhöhten Koalitionsangebot nach der Wahl. Und insgesamt herrscht durch die andauernde geopolitische Lage eine aufgeheizte Stimmung in der Politik."

VP-Spitzenkandidat Anton Mattle kandidiert mit seinem Namen, ohne ÖVP. Ein Vorteil?
"Schwer zu sagen, was für die ÖVP in Tirol überhaupt noch von Vorteil ist. Ich kann diese Entscheidung nicht ganz nachvollziehen, denn es gibt einen nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung, der den Wahlkampf nicht verfolgt. Und der findet dann in der Wahlzelle auf dem Stimmzettel keine ÖVP mehr."

Die FPÖ mit Markus Abwerzger hat das "Duell um Tirol" ausgerufen. Sehen Sie auch ein solches am kommenden Sonntag?
"Diese Strategie hat die FPÖ schon bei einigen Wahlgängen verwendet. Dass Abwerzger Landeshauptmann wird, ist ausgeschlossen, da die anderen Parteien mit der FPÖ nicht zusammenarbeiten wollen. In erster Linie ist es eine Mobilisierungsstrategie für die FPÖ, aber auch ÖVP-Wähler könnten dadurch mobilisiert werden, um sicher einen Landeshauptmann Abwerzger zu verhindern."

Zurückhaltend mit persönlichen Attacken war SPÖ-Chef Georg Dornauer. Weil er eben in die Regierung will. Und seine Chancen?
"Georg Dornauer hat von Anfang an die klarsten Koalitionsansagen getätigt. Er will in eine Zweierkoalition mit der ÖVP und dass aus seiner Sicht die ÖVP als stimmenstärkste Partei den Landeshauptmann stellen soll. Nur, ob sich eine Zweierkoalition ausgeht, ist fraglich. Möglich, dass daher die Strategie von Dornauer eine zu zurückhaltende ist."

Gebi Mair als Spitzenkandidat der Grünen wird wohl nach der Wahl auf der Oppositionsbank Platz nehmen. Oder täuscht diese Meinung?
"Die Grünen sind in einer besonders schwierigen Situation, weil sich der kleine Koalitionspartner im Wahlkampf von der ÖVP abgrenzen muss und dadurch in eine Verteidigungshaltung gerät. Wenn es zu einer Dreierkoalition kommt, könnten die Grünen dabei sein, allerdings in einer sehr geschwächten Position."

Wenn es denn notwendig sein wird, welche Dreierkoalition hätte die größten Chancen?
"Wenn man die Ansagen ernst nimmt, die die Parteien bisher tätigten, so wird die FPÖ nicht Teil einer Koalition sein. Daher wird es wahrscheinlich Schwarz-Rot mit den NEOS, den Grünen oder der Liste Fritz werden. Aber es wird sicher eine ganz andere Koalitionsbildung, als wir es bisher erlebten, geben. Ausschlaggebend werden auch die Höhe der Verluste der ÖVP sein und die dadurch in Gang kommende innerparteiliche Dynamik, die nicht zu unterschätzen ist."

3.653 Junge wählen zum ersten Mal. Interessiert Politik einen 16-Jährigen überhaupt?
"Studien zeigen, dass sich ein politisches Interesse von jungen Menschen grundsätzlich nicht wesentlich von anderen Altersgruppen unterscheidet. Und wenn es den eigenen Lebensbereich betrifft – ich denke hier an die ‚Fridays for Future'-Bewegung –, ist die Jugend durchaus bereit, auch zur Landtagswahl zu gehen."

Welcher Partei würde eine hohe und welcher eine geringere Wahlbeteiligung nützen?
"Generell profitieren kleinere Parteien von einer geringeren Wahlbeteiligung. Aber die ÖVP muss ihre Sympathisanten mobilisieren. Da hat die ÖVP – auch durch das hohe Wahlkampfbudget – gute Chancen. Eine hohe Wahlbeteiligung, speziell in den ländlichen Regionen, wäre daher ein Vorteil für die ÖVP. Insgesamt kann von einer Wahlbeteiligung unter 60 Prozent ausgegangen werden, somit haben alle Parteien ein Mobilisierungsproblem. Aber für die ÖVP ist es wirklich eine ‚Hop oder Drop‘-Geschichte."
Alle Infos zur Landtagswahl findet ihr hier:

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