Tullner stürmen Ambulanzen

Karin Judt und Erika Allma leiten die Ordination bei Dr. Walter Judt: Die immer stärkere Abwanderung ins Spital ist spürbar. | Foto: Talkner
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TULLN (bt). Die Grippe wütet seit Wochen im Bezirk, die Arztpraxen sind voll. Immer mehr kranke Tullner sparen sich aber immer Öfter den Weg zum Doktor. Sie stürmen die Spitalsambulanzen. Die Patientenzahlen im Tullner Spital sind seit 2006 um 108 Prozent explodiert (siehe zur Sache). Als Gründe geben die Kranken oft die raren Öffnungszeiten der Allgemeinmediziner an. Wir haben Spitäler und Praxen im Bezirk besucht und sind den Ursachen genau auf den Grund gegangen.

"Wochenenddienst dreht Daumen"

Weg vom Hausarzt, hin zum Spital - diesen Trend beobachtet der Tullner Allgemeinmediziner Walter Judt schon lange, besonders an Wochenenden. Ärgerlich, denn "am Wochenende sitzt in jedem Sprengel ein däumchendrehender Kollege und im Spital hätten sie etwas anderes zu tun als banale Angelegenheiten zu versorgen." Am Montag müsse dann sowieso ein Praktiker aufgesucht werden, für die Krankschreibung. "Banale Geschichten könnte der diensthabende Kollege in fünf Minuten behandeln, im Krankenhaus warten Patienten drei Stunden", findet Judt keine Erklärung, auch an Wochenden und Feiertagen sei immer ein Kollege im Dienst. "Unser Sprengel reicht von Tulln bis Greifenstein und Tulbingerkogel - da sind wir 11." Begüßen würde Judt eine Art "Filter": "Die Krankenhausannahme sollte in Mehrheit mit Einweisung erfolgen."

Hausärzte wünschen sich mehr Vertrauen

In den letzten 10 bis 15 Jahren habe es zugenommen, das Vorziehen der Spitalsambulanzen, berichtet Birgit Titscher-Haring, ebenfalls mit Praxis in Tulln. Auch sie würde es befürworten, für das Spital die Überweisung eines niedergelassenen Arztes zu benötigen. Dieser könne abschätzen, wann dies notwendig wäre und wann nicht. "Mehr Vertrauen gegenüber Hausärzten", lautet ihr Appell.

Symbolischer Selbstbehalt

Reinhard Wutzl, pensionierter Arzt aus Großweikersdorf, will überfüllten Spitälern, anders entgegenwirken: "Man bräuchte im Krankenhaus nur einen symbolischen Selbstbehalt von fünf Euro machen." Das könnte "umleiten" und wäre keine Abzocke.

Patienten "dramatisieren" Erkrankung

"Viele Patienten geben an, dass es im Krankenhaus schneller, einfacher und organisatorisch besser funktioniere", erklärt Reinhard Koller, Sprecher des Universitätsklinikums Tulln. "Dort ist alles was man braucht auf einem Fleck", auch dieses Denken spiele eine Rolle. Dafür nehmen viele Patienten auch längere Wartezeiten in den Ambulanzen in Kauf.
"Einige Patienten schätzen ihre Erkrankung oder Verletzung so schwerwiegend ein, dass diese gar nicht daran denken, eine Ordination aufzusuchen", begründet Koller weiter. Ein großer Teil scheint dann jedoch viel weniger schwer erkrankt zu sein, als zu erwarten wäre. Nach spitalsärztlicher Einschätzung könnten rund 60 Prozent der Selbstzuweiser adäquat von niedergelassenen Ärzten behandelt werden.

Bei Grippeverdacht zum Hausarzt

Im Falle einer echten Grippe ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle für Betroffene, um den Krankheitsverlauf zu überwachen und erforderliche Medikamente zu verschreiben. Bestehen zusätzlich Grundkrankheiten wie Lungen- oder Herz-Kreislauferkrankungen oder eine Immunschwäche, kann im Einzelfall die Einweisung ins Klinikum notwendig sein.

Zur Sache:

59.945 Patienten wurden im Jahr 2015 ambulant im Universitäsklinikum Tulln versorgt. 2006 waren es gerade einmal 28.797. Das entspricht einem Anstieg um 108,2 Prozent.
Im 1. Halbjahr 2016 wurden in allen NÖ Kliniken rund 35 Prozent aller ambulanten Besuche als Selbstzuweiser identifiziert. 80 Prozent davon an Wochentagen von 7 bis 19 Uhr, also zu Zeiten an denen Ordinationen praktischer Ärzte prinzipiell geöffnet sind. Auch an Wochenenden und Feiertagen hat stets ein Arzt in Ihrem Sprengel Dienst.

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Karin Judt und Erika Allma leiten die Ordination bei Dr. Walter Judt: Die immer stärkere Abwanderung ins Spital ist spürbar. | Foto: Talkner
Sprecher Reinhard Koller: "Großer Teil der Patienten, die Spitalsambulanz aufsuchen, viel weniger erkrankt, als erwartet." | Foto: Universitätsklinikum Tulln

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