"Grapsch-Opfer" wegen Verleumdung angeklagt

Richter Slawomir Wiaderek | Foto: Probst
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BEZIRK TULLN (ip). „Ich habe nichts gemacht“, behauptete ein ehemaliger Mitarbeiter eines Betriebes im Bezirk Tulln als Zeuge am Landesgericht St. Pölten. Er sei 2015 gekündigt worden, wisse nicht warum und habe dagegen vorgehen wollen. Da sei die Anzeige gekommen, wonach drei Arbeitskolleginnen ihn der sexuellen Belästigung bezichtigten – zu Unrecht, seiner Meinung nach.

Sexuelle Übergriffe an der Tagesordnung

Die drei Frauen, im Alter von 31, 32 und 45 Jahren landeten so wegen falscher Beweisaussage und Verleumdung auf der Anklagebank. Die Frauen, so Staatsanwalt Leopold Bien, hätten vor der Polizei nicht wirklich falsch ausgesagt, aber auch nicht erwähnt, dass sexuelle Übergriffe im Betrieb an der Tagesordnung seien.
„Ganz üblich ist das nicht“, meinte eine Zeugin, allerdings habe sich eine der Beschuldigten bei ihr beschwert, dass der 38-Jährige Kollege sie nicht in Ruhe lasse. „Der is hingangen und hat ihr ane am Arsch g´haut“, bestätigte eine weitere Zeugin einen Vorfall, den sie beobachtet habe. „Es gibt ein paar Personen, …“, setzte sie an, hüllte sich dann jedoch in Schweigen.

Körperkontakt im Vorbeigehen

Klapse auf das Hinterteil, so die 31-Jährige, seien früher eher spaßhalber vorgekommen. Der Kollege habe dann aber Grenzen überschritten, obwohl sie ihm gesagt habe, dass sie das nicht wolle. Ja, ihre Kollegin und sie hätten ihn auch kräftig in die Hoden gezwickt, das sei aber nur eine Abwehrhandlung gewesen, da er die Frauen des Öfteren im Genitalbereich begrapscht habe. Anzeigen wollte man den 38-Jährigen nicht. Sie habe sich geschämt, meinte eine der Beschuldigten, aber als er ihr mit einem Handzeichen gedroht habe, sei sie zu ihrem Vorgesetzten gegangen.
Sie habe nie behauptet, dass er sie belästigt habe, erklärte die 45-Jährige. Allerdings sei es schon unangenehm gewesen, wenn er beim Vorbeigehen Körperkontakt suchte. Auch mit erigiertem Penis, wie ihm vorgeworfen wurde.

Beweisverfahren dauerte lang

Laut Bien habe sich bereits 2012 eine Frau beschwert und in einem Gespräch mit dem Abteilungsleiter habe dieser zu dem Kollegen gesagt, er solle sich ordentlich benehmen, sonst müsse er das der Geschäftsleitung melden.
Das Beweisverfahren war äußerst umfangreich und dauerte wesentlich länger, als geplant. Dabei ergab sich für die Staatsanwaltschaft ein anderes Bild. „Aus meiner Sicht ist ein Tatvorwurf gegen die Frauen nicht gegeben“, meinte Bien, „daher tritt die Staatsanwaltschaft von der weiteren Verfolgung der drei Angeklagten zurück!“ Für Richter Slawomir Wiaderek bedurfte es damit keiner Erklärung für den rechtskräftigen Freispruch der Beschuldigten.

Richter Slawomir Wiaderek | Foto: Probst
Staatsanwalt Leopold Bien | Foto: Probst

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