INTERVIEW: "Und dann kam er in mein Zimmer" Ein Gewaltopfer bricht sein Schweigen

Liebe Leserinnen und Leser, heute möchte ich Ihnen eine Frau vorstellen, die Demütigungen und Furchtbares über sich erleiden lassen musste, damit ihr Dinge erlaubt wurden, die für uns eine absolute Normalität ist, doch lesen sie selbst. (Name von der Redaktion geändert)

Sandra, Du bist eine selbstbewusste und vor Allem selbständige Frau, doch das war nicht immer so!
Richtig, von Kindesalter an waren meine Handlungen eingeschränkt, da es einen Menschen in meiner Familie gab, für den ich was machen musste, um, zum Beispiel, zu meinem Freund fahren zu dürfen.

Blicken wir gemeinsam in deine Kindheit zurück, wie hast du sie erlebt?
Als eingeschüchtertes Wesen, zumindest alles, was mit Daheim zu tun hatte, beide Eltern alkoholsüchtig, mein Vater ein Tyrann, dem ich meine “Dienste“ anbieten musste.

Von welchen Diensten sprichst du?
Ganz einfach, immer wenn ich zum Beispiel zu meinen Freunden zum Spielen gehen wollte, kam mein Vater zu mir ins Zimmer und ich musste ihm ``dienen```. Das ging über Jahre so. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wann das angefangen hat, aber ich weiß noch genau, wann das endete.

Und wann endete es?
Zu meinem 17.Lebensjahr, denn da bin ich ausgezogen.

Bis zu deinem 17. Lebensjahr?
Richtig, ich war damals noch so dumm, weil ich Angst hatte, meinen Freund nicht sehen zu dürfen, wenn ich`s nicht machte!

Konntest Du dich Deiner Mutter anvertrauen?
Nein, die war doch selbst dauernd im ``Suff`` und wenn ich mal etwas sagen wollte, oder, wenn ich davon zu sprechen begann, schrie sie mit mir, dass ich meinen Vater eh nur hasse und deshalb so was sage.

Und Hilfe von außen?
Es gab keine Hilfe von ``außen``, weil ich mich niemanden anvertraute. Nicht mal mein damaliger Freund wusste etwas. Aber mir hat auch meine Mutter leidgetan. Ich war leider so naiv zu glauben, dass ich meiner Mutter Schaden zufüge, wenn ich ihn irgendwo ``verrate``.

Wie hättest du deiner Mutter schaden sollen?
Sie sagte immer, wenn ich so was Schlimmes sage, wird der Papa eingesperrt und wir müssen dann alle aus dem Haus ausziehen. Weil ja nur der Papa eine Pension bekommt und Mama dann mit uns auf der Straße sitzt. Sie hat mich da voll eingeschüchtert.

Wie bist du selbst damit umgegangen?
Indem ich still war und es über mich ergehen ließ. Es war zum Aushalten, weil er ja nie mit mir geschlafen hat. Jedenfalls kann ich mich daran erinnern. Ich ``diente`` ihm mit der Hand. Und das war zum Aushalten. Außerdem hab ich es ja getan, damit ich raus oder mal in die Disco durfte. Ich wusste immer, wenn ich was wollte, dann muss ich ``ran``!

Du sprichst vom ``Dienen``?
Für mich war es ein dienen, fast wie eine Dienstleistung, ich erbrachte einen Dienst, dafür bekam ich was.

Hat denn von deiner Familie nie wer was mitbekommen?
Meistens, wenn Mama einkaufen war kam er daher. Und immer wieder kam er in mein Zimmer und verlangte von mir, diese Sachen zu machen. Es kann schon sein, dass es meine Geschwister wussten, vielleicht machte er es ja auch mit ihnen, keine Ahnung. Wir haben nie darüber gesprochen.

Wie fühlst du dich dabei, wenn du über dieses Thema sprichst?
Du, ich hab`s verdrängt, vergessen, ich weiß auch nicht. Mein Vater und der Täter, waren zwei Personen in einem Körper, die ich aus meiner Erinnerung gestrichen habe. Nach meinem Auszug war der Kontakt nur noch wenig, bis ich mich dann gar nicht mehr gemeldet habe.

Kann man so was einfach vergessen?
Für mich war es die beste Entscheidung, es aus meiner Erinnerung zu löschen, ich konnte sowieso nichts gegen ihn machen, damals.

Hast du es denn einmal versucht, etwas gegen ihn zu unternehmen?
Ja, als ich mich Jahre danach meinem neuen Freund anvertraut habe, der sofort meinte, ich soll meinen Vater anzeigen und ohne mich um meine Mutter zu sorgen, die sowieso gegen mich ist. Und im Endeffekt wollte mein damaliger Freund nur Geld herausschlagen. Der redete von Schmerzensgeld und so Sachen! Dieses Geld hätte ich nie wollen, ich wollte nur, dass er bestraft wird, damit er checkt, was er mir über Jahre angetan hat.

Also hast du ihn angezeigt?
Ja habe ich, nur, der gute Mann war haftunfähig, also geschah nichts! Erinnerungen umsonst, Leid und Tränen, die ich sonst nie zugelassen habe. Damals dachte ich, dass jeder seine gerechte Strafe bekommt und die hat er bekommen, er wurde schwer krank und ist an seiner Krankheit auch gestorben.

Siehst du dies als Fügung des Schicksals und, dass dein Vater das verdient hat?
Keine Ahnung, für mich war beim Auszug klar, dass ich mit diesem Mann kein einziges Wort mehr wechseln möchte und werde. Als ich von seiner Krankheit erfuhr, dachte ich nur, dass er nun eine gerechte Strafe bekommen hat. Als er dann gestorben ist, was ich auch nur aus der Zeitung erfahren habe, habe ich eine Kerze angezündet. Zum Gedenken, aber als ich dann nachdachte, hab ich sie wieder ausgelöscht und habe mein Leben wieder aufgenommen und nach vorne geblickt.

Wie bist du mit deinem Leben danach umgegangen?
Mein Leben danach war auch geprägt von Partnerschaften, Trennungen, Kinder. Jetzt lebe ich allein mit 3 Kindern. Ich habe eine Arbeit, eine Wohnung, einen gefüllten Kühlschrank, unendliche Liebe, die ich meinen Kindern schenke und die ich täglich zurückbekomme.

Hat dir denn jemand dabei geholfen, nach dieser Vergangenheit, im Leben Fuß zu fassen?
Immer wenn ich dachte, JETZT ist der Richtige gekommen, war es der Falsche! Dann hatte ich die Schnauze voll, mich auf Andere verlassen zu müssen und ich kämpfte und siegte. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, jetzt, denn erst jetzt kann ich zufrieden sein, weil ich weiß, wie ich was zu tun habe, dass es klappt. Ich möchte nie wieder von Jemandem abhängig sein.

Gibt es etwas, was du im Leben vermisst?
Ja, die Freude, ich schaffe es nicht Freude zu zeigen oder wirklich zu fühlen. Ich freue mich für meine Kinder, wenn sie in der Schule brav sind, leicht lernen, wenn sie sich über Geschenke freuen, aber eigene Freude kenne ich nicht. Ich habe seit meiner Kindheit mitbekommen müssen, dass ich, sobald ich mich über was freuen konnte, enttäuscht werde und meine ``Dienste`` anbieten musste, um etwas machen zu dürfen. Und Liebe von Eltern, die hatte ich nie. Jetzt, weil ich selbst Mutter bin, weiß ich, wie schön es ist, seine Kinder zu lieben. Dass ich das damals nicht bekommen habe, macht mich schon traurig!
Doch, wenn ich morgens aufstehen ``darf`` und ich den Sonnenaufgang erlebe. Auch das ist nicht selbstverständlich im Leben. Um da zu sein für jene, die mich brauchen, das sind meine Kinder. Und genau meine Kinder waren es, die mich aus den vielen Löchern und Gruben meiner Vergangenheit geholt haben. Ich habe gar keine Zeit, lange zu überlegen, was in meiner Vergangenheit war, mir ist die Zukunft und vor Allem die Zukunft meiner Kinder wichtiger!

Vermisst du deine Mutter?
Ich weiß nicht mal, wo die ist und das ist gut so, ich möchte mit keinem Menschen von denen mehr etwas zu tun haben. Ich wohne weit genug weg, die wissen auch nicht, wie ich heiße jetzt. Das soll auch so bleiben! Um deine Frage zu beantworten: NEIN, ich vermisse sie nicht!

Und wo siehst du dich in der Zukunft?
An der Seite meiner neuen Familie, an der Seite meiner Kinder, für die ich bis zu meinem Lebensende beistehen werden, wenn sie es wünschen. Die Liebe zu meinen Kindern und die Liebe, die ich zurückbekomme, machen mich stolz auf meine kleine Familie.

Also doch ein kleiner Funken Freude in deinem Leben?
Stimmt, doch ein kleiner Funken, den ich wohl nie hätte erfahren, wären meine Kinder nicht gewesen.
So gesehen muss ich eh dankbar sein, dass es so ist, wie es ist. Wäre ich komplett alleine gewesen, würde ich vielleicht nicht bei dir sitzen, um mit dir über meine Vergangenheit zu reden.

Hast du eine Nachricht an unsere Leser?
Sicher: Wenn ihr hinfällt, aufstehen und weitergehen.

Ich bedanke mich bei Sandra für das offene Gespräch!

Horst Michael Petschar

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