SOS Kinderdorf Krisenpflegemutter
"Natürlich fließen Tränen, das tut es fast immer"
Gundula Schnell hat ihr Leben den Kindern verschrieben. Gemeinsam mit ihrem Mann pflegte sie mehr als 100 Kinder. Die Villacherin ist Krisenpflegemutter von SOS Kinderdorf. Zum Muttertag, ein Porträt.
VILLACH. Der kleine Leon (Name geändert) ist jetzt 14 Monate alt, er trägt Größe 68. Das wäre wohl etwas klein, sagt Gundula Schnell.
Im Februar nahm die 55-jährige den Bub mit den blitzblauen Augen zu sich, er hat Trisomie 21. "Und ist unser Sonnenschein", sagt sie und gibt ihm einen Kuss auf sein Köpfchen.
Gundula Schnell ist Krisenpflegemutter, der so fidel wirkende kleine Bub, ihr mittlerweile 118. Krisenpflegekind.
Jedes hätte sie geliebt, an jedem wäre ihr beider Herz gehangen, erzählt sie gemeinsam mit ihrem Mann Gerald. "Wenn man so etwas macht, dann geht das nur gemeinsam", sagt sie.
Angestellt
Seit 24 Jahren ist die Villacherin Gundula Schnell Krisenpfelgemutter bei SOS Kinderdorf. Seit zehn Jahren in etwa ist sie fix angestellt, die Entlohnung liegt etwas über der Geringfügigkeitsgrenze, dazu bekommt die Taggeld für die Verpflegung ihrer Schützlinge.
Tränen fließen immer
Leon ist der jüngste Zuwachs, er is nun einige Wochen bei den Schnells, gedeiht "gut", "er hat brav zugenommen", freut sich Schnell.
Erst kürzlich hatten sie ein Neugeborenes im Haus, es kam im Alter von drei Tagen, verließ die Schnells mit sieben Monaten. "Natürlich fließen da Tränen. Das tut es fast immer. Aber es gehört dazu", erzählt sie.
Unsere Aufgabe
Viele ihrer Kinder würden ihr sehr an Herz wachsen, Kontakt hätte sie später nur mit wenigen. "Sobald wir das Kind abgeben, erlischt unsere Verantwortung." Und damit auch jeder Anspruch, merkt sie an. Aber das wäre in Ordnung, "das ist unsere Aufgabe", sagt sie.
Für jedes Kind gibt es beim Abschied einen Brief und ein Fotoalbum. "Auch das ist ein Baustein ihres Lebens."
Kinder mit Rucksäcken
Alle ihre Pflegekinder hätten einen "Rucksack" an Problemen zu tragen, "man will jedem das bestmögliche mitgeben", sagt sie.
Regelmäßgie Ausbildungen gehören zum Krisenpflegeeltern ebenso dazu, wie Supervisionen und Treffen. Der Bedarf ist groß, "im letzten Jahr verbrachten wir keinen Tag ohne Pflegekinder zuhause", sagt ihr Mann.
Eine Collage aus 25 Jahren
An der Wand hängen unzählige Bilderrahmen, eine Collage der letzten 24 Jahre, mittendrin gibt es auch Fotos der leiblichen zwei Kinder. Eines ist inzwischen selbst Mutter.
Normal
Begonnen als Krisenpfelgemutter hätte Schnell als ihre Kinder noch klein waren, "für sie war das normal", erzählt sie. Ihre Kinder nahmen die "Besucher" stets offen an, "heute sind beide sehr soziale Menschen", sagt Schnell.
Aus Wochen werden Jahre
In der Regel ist die Krisenpfege für eine Zeitrahmen von bis zu 12 Wochen vorgesehen, nicht selten blieben die Kinder länger, in Ausnahmefällen auch Jahre. Je nach Situation.
Oft kämen die Kinder danach zu einer Pflegefamilie, zu 50 Prozent gelingt eine Rückführung in die leibliche Familie. Manchmal sieht Schnell sie aber auch wieder.
Man habe schon Kinder in fast jedem Alter hier gehabt, ihr Mann ist im Elternverein engagiert, beide sind gut vernetzt.
Platz im Herzen
Heute ist Gundula Schnell 55 Jahre alt. Gerne möchte sie bis zur Pension – und vielleicht auch darüber hinaus – Krisenpflegekinder zu sich nehmen.
Platz hätten die beiden genug, in ihrem Haus, und "mehr als genug" in ihrem Herzen, sagen beide, sehen sich an, und lächeln.
Der kleine Leon kullert derweil in der Spielecke des Wohnzimmers von einer Seite auf die andere. Er lacht, zieht sich am Bein seines "Krisenpflegepapas" hoch. "Es ist einfach schön", sagt Gundula Schnell.
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Zur Sache (SOS Kinderdorf Kärnten)
- Krisenpflegeeltern bei SOS Kinderdorf Kärnten gibt es derzeit acht. Alle sind angestellt.
- Für die Pflege der Kinder gibt es eine zusätzliche Aufwandsentschädigung vom Land Kärnten ("Taggeld").
- Langzeitpflege: 120 Pflegeeltern sind angestellt, 240 gibt es in Summe. Der Bedarf ist groß, aktuell werden wieder Pflegeeltern gesucht.
- Rund 50 Prozent der Krisenpflegekinder kehren zu ihren/m leiblichen Erziehungsberechtigten/m zurück. 50 Prozent werden bei dauerhaften Pflegeeltern untergebracht.
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