"Kärnten ist ein Sorgenkind": Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im WOCHE-Interview
Mehr Investition in Ausbildung, harte Arbeit und Sparsamkeit: Ewald Nowotny über den Weg aus der Krise.
VILLACH (kofi). Das Land Kärnten wird, wie nun bekannt wurde, Haftungsgläubigern der ehemaligen Hypo-Landesbank 1,2 Mrd. Euro Abschlagszahlung anbieten – einen Bruchteil der wahren Forderungen. Dass die Gläubiger annehmen werden, darf bezweifelt werden. Bis Mai 2016 muss Klarheit herrschen, schlimmstenfalls könnte Kärnten pleite gehen. Die WOCHE sprach mit Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny am Rande einer Enquete in der Infineon über Kärntens Zukunft.
WOCHE: Wir sprechen hier in der Infineon, einem wirtschaftlichen Leuchtturm, der aber auch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Region elf Prozent Arbeitslose hat. Welche Perspektiven sehen Sie für Kärnten?
NOWOTNY: Leider ist Kärnten sowohl vom Wirtschaftswachstum also auch von den Beschäftigungszahlen in den untersten Rängen in Österreich zu finden. Die beste Perspektive wären viele Infineons. Denn dieser Betrieb zeigt ja, dass Hochtechnologie auch in ökonomisch schwierigen Regionen möglich ist.
Aber schon jetzt kann die Infineon etliche Jobs nicht besetzen, weil es keine freien Techniker am Arbeitsmarkt gibt. Was bringen weitere Hightech-Betriebe, wenn beim AMS unzählige Menschen mit schlechteren Qualifikationen auf Arbeit warten?
Man darf die Menschen nicht unterschätzen. Viele sind für Zusatzqualifikationen bereit. Man muss also entsprechende Möglichkeiten schaffen, den Leuten mehr zutrauen und sie Richtung Bedarf lenken. Aber für alle wird es sich nicht ausgehen, das stimmt.
Sie sagen, Richtung Bedarf lenken. Heißt das: Weg von traditionellen Stärken wie Fremdenverkehr, hin zu Industrie?
Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Löhne in der Industrie höher sind als im Fremdenverkehr. Man darf den Tourismus nicht vernachlässigen, aber ich sehe mehr Potenzial in der Industrie. Und wenn schon Tourismus, dann nur noch Zwei-Saisonen-Betriebe.
Das Land Kärnten fällt derzeit als Konjunkturmotor weg. Man kämpft mit den Milliardenhaftungen aus der ehemaligen Hypo. Wie ernst ist die Lage?
Man muss es ehrlich sagen: Die Lage ist sehr ernst. Die vererbte Last der Haftungen, bis zu 20 Milliarden, ist gewaltig. Hier gab es zu lange eine gewisse Untätigkeit, nun wird doch deutlicher gehandelt. Aber es hängt nicht nur vom Land ab. Auch die Gläubiger müssen das Angebot annehmen.
Falls das geschieht: Wie lange wird Kärnten unter den Folgen leiden?
Wohl lange. Das ist das traurige Erbe von Zeiten, wo man geglaubt hat, Kärnten wird reich. Man muss das ganz nüchtern sehen: Es gibt keinen Weg, diese unverantwortliche Politik ungeschehen zu machen. Je ehrlicher man das kommuniziert, desto besser ist es für das Vertrauen in die Politik in Kärnten. Nicht zuletzt auch von ausländischen Investoren.
Was ist also zu tun?
Mit harter Arbeit und Sparsamkeit aus Kärnten wieder ein produktives Land machen. Wichtigster Schritt dafür: erstklassige Ausbildung, vom Kindergarten bis zur Fachhochschule.
Würden Sie Kärnten als Sorgenkind bezeichnen?
Derzeit, ja. Natürlich.
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