Personalvertreter Lukas Zagler
"Das Schulsystem funktioniert nicht mehr"

Lukas Zagler, Personalvertreter der Lehrer:innen im Bezirk, hört sich die Sorgen und Nöte seiner Kolleg:innen an. | Foto: Almer
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  • Lukas Zagler, Personalvertreter der Lehrer:innen im Bezirk, hört sich die Sorgen und Nöte seiner Kolleg:innen an.
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Lukas Zagler ist im Bezirk Voitsberg der Vorsitzende des Dienststellenausschusses im Pflichtschulbereich und Personalvertreter der FSG. Und übt massive Kritik am Schulsystem.

Zwei Jahre Corona, jetzt die Flüchtlingskrise aus der Ukraine und viele Lehrer:innen, die am Limit sind. Was ist in unseren Schulen los?
LUKAS ZAGLER: Unser Schulsystem, so wie es sich derzeit präsentiert, funktioniert nicht mehr. Die Vielfalt an Aufgaben für Schulleiter:innen und Lehrpersonen sprengen die Grenzen des Machbaren.

Das klingt dramatisch. Kannst du diese Überforderung genauer erklären?
Zagler: Beginnen wir beim QMS, dem Qualitätsmanagement für Schulen. Diese Aufgabe, die entweder die Schulleitung oder eine beauftragte Lehrsperson übernimmt ist wegen der Flut an Protokollen, Fragebögen und Auswertungen umfangreich und zeitintensiv. Das wäre eine Aufgabe für externe Personen. Außerdem fehlen nach wie vor die Handbücher für das QMS. Der Lehrkörper muss hier neben den Lehrtätigkeiten noch wissenschaftliche Aufgaben übernehmen und das Ergebnis ist die totale Überwachung, es bleibt kein Handlungsspielraum mehr.

Nicht die einzige Überforderung, oder?
Zagler: Schon jetzt gibt es kaum eine Lehrperson, die ihre normale Unterrichtsverpflichtung nicht überschritten hat. Dazu kommt der Personalmangel wegen Corona und der Pensionierungswelle. Dazu kommt noch die Problematik, dass das Lehramtsstudium in ein Bachelor- und ein Masterstudium gegliedert ist. Das Lehrer:innen-Dienstrecht sieht vor, dass Junglehrer:innen innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Bachelor ein Masterstudium abschließen müssen, um in ein unbefristetes Dienstverhältnis eintreten zu können. Das erzeugt. Druck und benötigt zusätzliche Zeitressourcen. Und unsere Personalreserve besteht aus einer einzigen Person für den gesamten Bezirk. Schon jetzt arbeiten Studierende in den Schulen, die mit ihrer Ausbildung noch gar nicht fertig sind.

Und die Pandemie?
Zagler: Unsere Pandemiebekämpfung als Systemerhalter geschieht ohne Unterstützung der Lehrkräfte. Wir mussten ohne Ausbildung Aufgaben wie das Testen übernehmen. Beim Testen geht sehr viel Zeit verloren und derzeit haben wir sowieso eine äußerst kuriose Situation. Denn die Schulen können keine Tests mehr im Onlineshop bestellen, weil dieser seit April eingestellt ist. Die Schulleiter:innen müssen die Tests selbst organisieren und das treibt seltsame Blüten. So hängen bereits mehrere Schulleiter:innen am Telefon, um bei ihren Kolleg:innen Tests aufzutreiben, sofern diese noch welche haben. Wie das nach Ostern weitergeht, weiß kein Mensch.

Betrifft das Volks- und Mittelschulen gleichermaßen?
Zagler: Ja. Außerdem gab es für uns Lehrer keine Schutzmaßnahmen, man nahm die Durchseuchung des Lehrpersonals einfach in Kauf. Wir mussten Masken und Handschuhe selbst besorgen, die Fahrten gehen natürlich auf eigene Kosten.

Und jetzt kommt die Flüchtlingskrise auch noch dazu.
Zagler: Das Schlimmste ist, dass im Ministerium seit der Ukraine-Krise Corona nicht mehr präsent ist. Und für die Flüchtlingskinder würde jede Schule einen Dolmetscher und einen Psychologen brauchen. Es gibt zwar in der Steiermark Stundenkontingente dafür, aber keine geeigneten Leute. Wir müssen rechnen, dass diese Kinder länger als ein Jahr da bleiben.

Was ziehst du für Schlüsse aus dieser Situation?
Zagler: Das vielgepriesene Schulautonomiepaket gibt es nicht mehr. Wir Schulen sind längst über dem Limit, wir haben keinen Spielraum mehr. Wir haben nur noch überforderte Lehrkräfte und Schulleiter:innen und jede Menge Langzeitkrankenstände. Am meisten würde ich mir eine Kommunikation auf Augenhöhe mit der Bildungsdirektion wünschen, denn wir Schulleiter:innen werden längst nicht mehr ernst genommen. Und das ist nicht nur meine Wahrnehmung, sondern ich führe sehr viele Telefonate mit Lehrpersonen von Hirschegg bis nach Mooskirchen. Der einzige Trost, der keiner ist: Diese Zustände herrschen nicht nur im Bezirk Voitsberg, sondern österreichweit.

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