Kommentar
Weil‘s dr guat got

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Wer kennt diesen Songtitel nicht? George Nussbaumers Lied beim 41. Eurovision Song Contest im Jahr 1996 erreichte Platz 10 von insgesamt 23 Teilnehmern.

Eine Zeile, die derzeit gerade in der Arbeitswelt sehr gut zutrifft. Warum? Viele Branchen können sich vor Aufträgen kaum retten. So werden Anfragen selektiert und nach Kosten/Nutzen-Einschätzung angenommen beziehungsweise auch mal gerne abgelehnt. Man kann es sich derzeit einfach leisten. Vieles hat während der Pandemie einen regelrechten Boom erlebt. Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg ist also der Leuchtturm, den viele erhofft haben. Es gibt selbst nach knapp 2 ½ Jahren mit Einschränkungen und Verordnungen kaum negative Folgen. Von überall kommen täglich Bilanzberichte großer Vorarlberger Unternehmen mit außergewöhnlichen oder sogar den besten Umsatzzahlen der jeweiligen Firmengeschichten. Das ist schon sehr beachtlich. Selbst jetzt mit den steigenden Rohstoffpreisen und der Inflation scheint der Aufwärtstrend manches Unternehmens unaufhaltsam zu sein. Gibt es demnach etwas, das in dieser wunderbaren Vorarlberger Wirtschaftswelt zu bemängeln gäbe?

Es ist schleichend und wurde mitunter viel zu spät entdeckt. Aktuelle Aussagen mancher Politiker dazu verursachen nur Kopfschütteln. Vorarlberg als Wirtschaftsstandort gerät ins Schwanken, wenn gewisse Stellschrauben nicht schnellstens korrigiert werden. Was ist damit gemeint? Trotz voller Auftragsbücher und guter Geschäfte haben viele Firmenverantwortliche immer mehr schlaflose Nächte. Nicht, weil sie nicht wissen wohin mit den Gewinnen oder doch? Bei all der Digitalisierung und Automatisierung mancher Betriebe bleibt ein Faktor seit Jahren eine Variable der Ungewissheit: gute Mitarbeiter. Viele Mitarbeiter haben die Pandemiezeit für eine persönliche Umorientierung in der Arbeitswelt genutzt. Gerade unter dieser Prämisse überlegen manche Betriebe jetzt genau, ob sie erweitern oder nicht, denn es fehlt an potenziellen Mitarbeitern. Manch ein Betrieb muss Produktionszeiten oder Öffnungszeiten reduzieren möglicherweise gar schließen. Der Markt an kompetenten Facharbeitern scheint leergefegt zu sein. Hinzu kommen Vorstellungen junger zukünftiger Mitarbeiter, die sich nicht alle Betriebe leisten können. Von Sabbatical-Monaten bis hin zu einem Jahr oder Remote-Arbeitsplätzen aus tollen Urlaubsdestinationen. Alles voll ernstgemeinte Vorstellungen mancher arbeitssuchenden Menschen. Dreist? Nun, nicht wirklich, denn wer händeringend Mitarbeiter sucht, der muss sich auf manche Sonderkonditionen einlassen. Geht ein Firmenchef nicht darauf ein, muss er als Konsequenz seinen Laden vielleicht schließen. Das bedeutet, auch ein Arbeitsuchender hat mittlerweile seine eigene Kosten/Nutzen-Rechnung mit im Bewerbungsportfolio.

Dann legt man eben den Fokus auf Lehrlinge. Das hat in Vorarlberg doch schon immer gut funktioniert. Stimmt, aber auch da wird das dicke Ausbildungseis immer dünner. Immer mehr Ausbildungsbetriebe klagen über zu wenige oder zu schwache Bewerbungen.

Woran liegt das? Weil’s allna zguat got? Weil wir in Österreich eine verfehlte Arbeitsmarktpolitik haben, was Zuwanderung, Integration und Anerkennung anbelangt? Wenn wir Vorarlberger keine Lust mehr haben in der Gastronomie, im Handel, in der Landwirtschaft oder in der Industrie die sogenannten „niedrigen“ Jobs zu machen, dann muss sie jemand machen, der von außen kommt. Dafür müssen aber gewisse Parameter und Voraussetzungen geschaffen werden. Nicht alles lässt sich maschinell automatisieren. Vieles hängt vom Faktor Mensch ab. Fehlt dieser, kann es dazu führen, dass es uns allen in naher Zukunft nicht mehr so guat got.

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