Alltag für Unerschrockene: Deppen gesucht, Wunder erwünscht!
Gelegentlich bekomme ich Post, die mich eher nachdenklich stimmt oder sehr amüsiert. Manchmal möchte man fragen: Bin ich hier der Dorfdepp?
Viele Menschen haben beim Geschäftemachen keine Scheu, auch großen Mumpitz zu verzapfen, Hauptsache es schwemmt etwas Geld in die Kassen.
Aber vielleicht bin ja ich ein Dummerchen und fürs Glück zu blöd, weshalb mir folgende grandiose Chance zur famosen Verbesserung meiner materiellen Verhältnisse wohl entgehen wird.
Da heißt es: *Herr Ing., Ing. Hubert Renner kommt wieder extra aus Oberösterreich noch einmal zu uns nach Graz (Anreise 300 km!!). Er hat neben einigen anderen hochinteressanten Patentlösungen einen kleinen Stift entwickelt, mit dem man sich 6% bis 20% Benzin oder Diesel-Kosten sparen kann...*
Na supa! Dann machen ihm die 300 Kilometer nicht gar so hohe Kosten. Weiter:
*… Heizkosten ersparen kann und dabei noch Motoren und Tanks sauber bzw. wie man sich auch entsprechend erhebliche macht. Zudem werden die Abgase um mehr als 90% reduziert, CO sogar um 100%!!!).*
Ich kenne ungefähr eine Legion Ingenieure, die sich einen Fimnger abhacken würden, um zu erfahren, wie man den bewährten Verbrennungsmotoren ratzfatz bis zu 20 Prozent mehr Leistung rausreißen könnte, ohne vorher ein paar Millionen Euro investiert zu haben.
20 Prozent! Ein Fünftel! Derlei Leistungssprünge, ohne die Maschinchen und ihre Peripherie völlig zu verändern, spottet allem, was wir bisher über Verbrennungsmotoren wissen. Das sollte genau so nachdenklich stimmen, wie eine Investitionsmöglichkeit, die pro Jahr 15 bis 20 Prozent Rendite verspricht. (Solche Zahlen sind für Gangster und Gierige zurechtgestellt.)
Aber nun kurz und frech gefragt: Ist Motorenentwickler Helmut List ein Dussel? Ist Hubert Renner ein Genie, ein Schwindler, ein „Wunderdoktor“? Haben Ufonauten uns mit einer Technologie aus einer anderen Galaxie beglückt und werden die Erdölkonzerne demnächst Killerkommandos losschicken?
Menschen lieben Verschwörungstheorien. Menschen lieben das Geld anderer Menschen.
Weiter im Text:
*Das Ding funktioniert schon seit Jahren perfekt!! Es können sich bestimmt schon einige denken, warum man es nicht einfach so kaufen kann…! Aber davon wird Herr Ing. Renner bestimmt wieder viel zu erzählen haben.*
Ach, dieses Raunen, diese Heilsversprechen. Erinnert Sie das nicht an etwas? Ich sage nur: Übergewicht! (Ich weiß, wovon ich rede.) Und daher: Abnehmen ohne Hungern und ohne Anstrengung. Ab-soooo-lut supa! Doch leider gibt’s sowas nicht, außer man läßt sich erschießen.
Es kommt noch besser:
*Die Anwendung ist denkbar einfach: Man steckt das „Staberl“ einfach in den Tank und fährt ganz normal weiter. Für Skeptiker, die wir natürlich auch waren: Es ist TÜV geprüft und hat eine sehr lange Referenzliste und jahrzehntelange Garantie.*
Wo kann ich das „TÜV-Zertifikat“ nachlesen? Warum ist die „sehr lange Referenzliste“ nicht beigelegt?
Also, das ist jetzt sooo sensationell, das müßte allein schon deshalb verboten sein, weil ich es niemandem gönne, etwas derart Tolles, Effizientes, Supernes, Weltbewegendes erfunden zu haben und es dann auch noch für fast nichts zu verkaufen. Ein Heiliger!
Wir erfahren:
*Unsere Empfehlung: Am besten gleich € 79.- (für Autos 90 PS) mitbringen!*
Und auch noch billig! Also, sowas von billig!
Danach heißt es beglückend:
*Herr Renner bringt seine kleinen „Wunderstifte“ mit und jede und jeder hat die Möglichkeit sie dann gleich in seinem Fahrzeug zu installieren und künftig Treibstoff sparend und beinahe abgasfrei weiter zu fahren.*
Wo, bitte, kann ich den Herrn Renner treffen, um ihn zu küssen, weil er so ein Wohltäter der Menschheit ist?
Nun lese ich:
*Obwohl es kein großes Problem bedeutet, die Stifte im Tank zu installieren, möchten viele damit ihre Mechaniker beauftragen, was natürlich OK, aber nicht so billig ist. Insofern hat sich mein Vater/Schwiegervater bereit erklärt, für einen kleinen Unkostenbeitrag, die Montage zu übernehmen.*
Das ist jetzt zwar ein kleiner Widerspruch zu „Man steckt das ‚Staberl’ einfach in den Tank und fährt ganz normal weiter“, doch wer wollte einem Schwiegervater so ein bescheidenes Nebeneinkommen nicht gönnen? Ein Schuft, wer ihm das neidet.
Gezeichnet ist all das von einem Pärchen namens Sabine und Reinhard S., die im Zeichen einer Möwe die Welt zu einem besseren Ort machen wollen.
Ich erinnere mich nur sehr ungenau, aber ich denke, mein Sohn war noch keine 14 Jahre alt, als ich ihm folgende Maxime eingetrichtert hatte: „Wunder sind selten und fremde Leute schenken dir nichst. Falls doch, laß dir keine Bearbeitunsgebühr für das Wunder oder das Geschenk abschwatzen.“
Wir werden vermutlich beide auf die wohltuenden Staberln des Herrn Ing.-Ing. verzichten.
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