Ethik, Tierschutz, Impfung
Drei Themen, die das Volk bewegen
Ethik, Tierschutz und Impfen, das sind die Themen der Volksbegehren für die seit heute, 18. Jänner, bis 25. Jänner unterschrieben werden kann. Und zwar online oder persönlich im Gemeindeamt. Denn rechtlich ist das Verlassen des Wohnbereichs zum Zweck des Gebrauchs der direkten Demokratie auch im Corona-Lockdown möglich. "Grundsätzlich ist unser Gemeindeamt zu, nach telefonischer Voranmeldung wird jedoch geöffnet und beim Eintragen der Volksbegehren geholfen", sagt Franz Klamler von der Gemeinde Gutenberg, der aus Erfahrung weiß, wie groß die persönliche Anteilnahme an Volksbegehren vor Ort ist. Notwendig ist dazu nur ein Ausweis.
Die drei Volksbegehren
Eine der Initiativen dreht sich um die Impf-Freiheit und darüber, dass Personen, die sich nicht impfen lassen, in keiner Weise gegenüber anderen Personen benachteiligt werden dürfen. Das Volksbegehren für den Tierschutz setzt sich unter anderem für eine tiergerechte Landwirtschaft und einen besseren Schutz von Hunden und Katzen ein. Beim Volksbegehren "Ethik für Alle", geht es darum, dass dieses neue Fach nicht nur als Alternative zum konfessionellen Unterricht angeboten wird.
Die WOCHE hat bei Anton Polzhofer, Englisch und Psychologie/Philosophielehrer und ausgebildeter Ethiklehrer im BG/BRG Weiz, nachgefragt, wie er zu diesem Thema steht.
Die WOCHE hat bei Anton Polzhofer, Englisch und Psychologie/Philosophielehrer und ausgebildeter Ethiklehrer im BG/BRG Weiz, nachgefragt, wie er zu diesem Thema steht.
Ethiklehrer im Interview
WOCHE: Ab 18. Jänner kann für das Volksbegehren "Ethik für Alle" unterschrieben werden. Wie stehen Sie zu diesem Ansuchen?
ANTON POLZHOFER: "Ich stehe dem Ansuchen sehr positiv gegenüber, da nicht nur die Ereignisse der letzten Jahre zeigen, dass ein stärkeres moralisches Bewusstsein in der Bevölkerung dringend nötig wäre. Schule soll ja eine Vorbereitung auf das Leben sein und junge Menschen werden in Zukunft verstärkt mit Problemen konfrontiert sein, die sich nicht nur auf inhaltlicher Ebene lösen lassen, sondern in denen man moralisch Position beziehen muss, etwa beim Klimawandel oder in Bezug auf technische Fortschritte im Bereich der Medizin oder der künstlichen Intelligenz. Ethikunterricht soll zeigen, dass es auch in einer pluralistischen Gesellschaft gemeinsame und verbindende Werte gibt, über die die Menschheit als Ganzes nachdenken muss. Je früher junge Menschen lernen, die Welt auch aus moralischen Gesichtspunkten heraus zu beurteilen, desto besser. "
Wie wird Ethik bisher unterrichtet?
POLZHOFER: "Am BG/BRG Weiz wird der Ethikunterricht erst ab dem nächsten Jahr stattfinden, in Österreich gibt es den Ethikunterricht seit 1997 nur als Schulversuch. In Weiz hatten wir bis jetzt relativ wenige Abmeldungen vom Religionsunterricht, weswegen auch kein Ethikunterricht angeboten wurde.
Das Volksbegehren weist auch auf einen problematischen Punkt beim momentanen Ethikunterricht hin: Ethikunterricht findet an den Schulen nur als Ersatz zum Religionsunterricht statt, also nur für jene, die sich von Religion abmelden. Das suggeriert fälschlicherweise, dass man sich entweder mit Religion, oder mit Ethik auseinandersetzen soll. Natürlich beschäftigt sich der Religionsunterricht auch mit Moral, aber Ethik sollte unabhängig von der jeweiligen religiösen Gemeinschaft für alle im Unterricht vermittelt werden."
Sie sind ausgebildeter Ethiklehrer. Was wird in so einem Unterrichtsfach gelehrt?
POLZHOFER: "Im Ethikunterricht setzt man sich mit einer Vielzahl von Themen auseinander. Es werden etwa theoretische Moralsysteme aus der Philosophiegeschichte besprochen, aber auch die Ethiken der Weltreligionen. Es geht um die Vermittlung von Werten: Wie sollte sich der Mensch moralisch verhalten? Konkrete Fragen sind etwa: Was ist der Wert des menschlichen Lebens und wie steht es in diesem Zusammenhang um Themen wie Abtreibung, Sterbehilfe oder Forschung an Embryonen? Was bedeutet die verstärkte Digitalisierung und Nutzung des Smart Phones für die menschliche Kommunikation? Wie verändert sich durch die künstliche Intelligenz das Selbstverständnis des Menschen? Wie kann man sich trotz wirtschaftlicher Zwänge und der Lust am Konsum um den Klimawandel kümmern? Was bedeutet der derzeitige Trend zum Populismus und der Glaubwürdigkeitsverlust von Medien und Wissenschaft für unsere Demokratie? Darf der Mensch für einen höheren Zweck lügen, töten oder foltern? Das ist natürlich nur ein kleiner Auszug, Ethik beschäftigt sich ganz grundsätzlich mit dem „guten“ Handeln des Menschen. SchülerInnen sollen lernen, sich diesen Problemen zu stellen, selbst Stellung zu beziehen und verschiedene Blickwinkel zu vergleichen und zu beurteilen."
Und welche Ausbildung benötigt man dafür?
POLZHOFER: "Momentan gibt es in Österreich noch kein Lehramtsstudium für Ethik, dieses soll erst eingerichtet werden. Seit 2010 gibt es an der Universität Graz das Masterstudium „Angewandte Ethik“ mit einem Bildungszweig, der für den Ethikunterricht an Schulen befähigt. Dieses Studium habe ich damals aufbauend auf mein Philosophiestudium absolviert. Mittlerweile gibt es aber auch einen zweijährigen Lehrgang für Ethik, den alle Lehrerinnen und Lehrer absolvieren können."
Was denken Sie, könnte sich durch die Einführung eines verpflichtenden Ethikunterrichtes ändern?
POLZHOFER: "Manche Schulen wehrten sich deshalb gegen den Ethikunterricht, weil sie dadurch eine verstärkte Abmeldung vom Religionsunterricht befürchteten. In einer Studie wurde allerdings gezeigt, dass sich die Abmeldungen von Religion durch Einführung des Faches Ethik um 20% verringern. Das lässt sich relativ leicht erklären: Die sonst sehr attraktiven Freistunden fallen weg. Deshalb glaube ich auch nicht, dass sich Schülerinnen und Schüler verstärkt von Religion abmelden werden.
Das Ziel des Ethikunterrichts ist natürlich, dass sich Schülerinnen und Schüler verstärkt mit moralischen Fragen auseinandersetzen und diese auch in ihre eigene Lebensweise miteinbeziehen. Man muss natürlich vorsichtig bei der naiven Annahme sein, dass die Welt durch Ethikunterricht automatisch besser wird. Aber in einer immer komplexeren und pluralistischeren Welt ist es wichtig, dass junge Menschen Orientierung und Problemlösungsstrategien bekommen, um sich selbst und ihr Handeln besser reflektieren und beurteilen zu können. Anders ausgedrückt: Es wäre sowohl für die Menschheit als auch die Welt gut, wenn sich zukünftige Erwachsene so früh wie möglich darüber Gedanken machen, wie die Welt eigentlich sein sollte und in welcher Welt wir einmal leben wollen."
Welche Einflüsse kann ein Ethikunterricht auf Schüler haben?
POLZHOFER: "Schülerinnen und Schüler lieben es, zu diskutieren und ihre eigene Position überzeugend darzustellen und zu verteidigen. Der Ethikunterricht bietet die Möglichkeit, seine eigenen Überzeugungen zu vertreten, aber auch kritisch zu hinterfragen. Ethik und Philosophie bieten somit einen Kontrast zum herkömmlichen Unterricht, in welchem üblicherweise die Lehrperson im Besitz des Wissens ist und die Antworten an die SchülerInnen weitergibt.
Es könnte also positive Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl der SchülerInnen haben, wenn sie sehen, dass ihre eigene Meinung etwas zählt und auch Teil des Unterrichts ist. Zusätzlich soll der Unterricht einen Einfluss auf die Meinungen der SchülerInnen haben, indem vorgefertigte Einstellungen kritisch hinterfragt und eventuell auch verändert oder angepasst werden. Die Erziehung zur Toleranz und Akzeptanz von anderen Meinungen ist sicherlich eine der Hauptaufgaben des Ethikunterrichts. Der Ethikunterricht bietet die Möglichkeit, dass Personen, die verschiedene Meinungen vertreten, über kontroverse Themen diskutieren und sich gemeinsam darüber Gedanken machen, wie man die Welt verbessern könnte."
Hier geht's zum Ethik-Volksbegehren.
Alle Infos zu den Volksbegehren auf oesterreich.gv.at
Hier geht's zur Online-Eintragung.
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