Mein Abendland

Ich bin froh, in einer Stadt zu leben, wo Gleichgültigkeit und Menschenverachtung keine Chance bekommen.
  • Ich bin froh, in einer Stadt zu leben, wo Gleichgültigkeit und Menschenverachtung keine Chance bekommen.
  • hochgeladen von martin krusche

Mein Abendland muß nicht gerettet werden. Es wandelt sich bloß stets. Einst hatte es sich zur Königin der Welt aufgeschwungen und war auch schon die größte Räuberin der Erde.


Über tausend Jahre hinaus ist es in Wissenschaft und Medizin, in Technik, Handel und in der Kunst dem Morgenland stets stark verbunden gewesen, auf den Austausch gebaut. Innerhalb dessen, was wir heute als Europa verstehen, ist die Vielfalt das Grundlegende.

Mein Abendland ist ein Reich der kontrastreichen Klänge. Es ist eine grenzenlose geistige Welt. Dieses Abendland muß ein Territorium harter Gegensätze sein, sonst wäre es bloß Wüste. Als kleiner Garten auf dem riesigen eurasischen Kontinent haben wir über Hunderte Generationen erfahren: Unser Blühen verdankt sich diesen unerschöpflichen Einflüssen und Wechselspielen.

Kennen Sie den Klang der Sprachen? Es fällt mir leicht, Portugiesisch von Spanisch zu unterscheiden. Ich würde wohl Serbisch nicht mit Slowenisch verwechseln. Romanes scheint mir aus vielen Liedern vertraut. Albanisch würde den meisten Leuten wohl entgehen, obwohl das Kosovo ja nicht am anderen Ende der Welt liegt.

Wo wir noch nicht Menschen all das sprechen gehört haben, könnten wir ihre Musiken kennen. Vom Kolo und Cocek des Südostens bis zu den Sauf- und Liebeslieder der Iren und Schotten, Bretonen oder Basken, Roma oder Rumänen.

Kennen Sie bulgarische Musik? In diesem Land liegt übrigens Rustschuk. Dort wurde der Schriftsteller Elias Canetti geboren. Aus Leoncin in Polen stammt Isaac Bashevis Singer. Aus Travnik in Bosnien-Herzegowina stammt Ivo Andrić. So könnte ich lange weitermachen, um jene Autoren aufzuzählen und geographisch zuzuordnen, von denen mein Denken geschult wurde.

Da ich mich gerade wieder stärker mit unserer Mobilitätsgeschichte befasse, derzeit besonders mit Johann Puch: Der Mann ist vor hundert Jahren gestorben. Sein Name ziert aber heute noch Tausende Fahrräder und Mopeds, die sie jederzeit in ihrem Alltag auf den Straßen entdecken könnten. Er war zu seiner Zeit einer der bedeutendsten Fahrzeugproduzenten Europas. Puch ist eigentlich Janez Puh gewesen, ein slowenischer Keuschlerbub.

Wissen Sie zufällig, wem wir die Grundlagen der Elektrifizierung der Welt verdanken? Der Mann hat in Graz an der Technischen Universität studiert, ging später nach Amerika. Nikola Tesla war ethnischer Serbe, Sohn eines Popen, aufgewachsen im kroatischen Smiljan.

Mein Abendland verdankt sich den Umständen, daß all die Talente, welche an so verschiedenen Orten geboren werden, in diesen oder jenen kulturellen wie religiösen Verhältnissen aufwachsen, daß diese Talente möglichst gute Chancen finden, sich zu entfalten und zu bewähren.

Es sind die Kontraste und die Gegensätze, unter denen solche Talente entstehen. Es sind die Auseinandersetzungen, die Kontroversen, unter denen solche Potentiale wachsen. Dieser Reichtum, der in uns Menschen liegt, hat zwei große Feindinnen: Die Gleichgültigkeit und die Menschenverachtung.

Diese Feindinnen haben einander gerade wieder die Hände gereicht und ihre Fahnen beschriftet: „Islamisierung des Abendlandes“. Was für ein Mumpitz! Heute, wo die islamischen Kulturen einen absoluten Tiefpunkt erreicht haben, könnte ihnen am wenigsten gelingen, was sich schon in ihren Glanzzeiten nicht ereignet hat.

Bleiben noch die Dschihadis. Überhebliche Männer, gewalttätige Repräsentanten einer völlig durchgeknallten, patriarchalen Weltuntergangs-Sekte. Das Abendland hat gegen diese Verbrecher Legionen von Verbündeten: Muslime.

Kennen Sie dieses Bonmot aus dem 20. Jahrhundert? Stalin hat weit mehr tote Kommunisten zu verantworten als Hitler. Ähnlich ist es mit den Dschihadis. Die haben so exorbitant viel mehr Muslime als Christen und Heiden umgebracht, daß niemand die „Islamisierung“ der Welt mehr fürchten kann, als ein Gros der Muslime.

Wenn das also ignoriert wird und sich jemand zum „Retter des Abendlandes“ aufschwingt, weiß ich, worüber ich mir Sorgen machen sollte. Wir brauchen in der Sache niemand zu bekämpfen; außer eine Minorität von verbrecherischen Gewalttätern, die sich manchmal zu einer Soldateska versammeln. Diesen Job der direkten Konfrontation sehe ich lieber in Händen von Professionals.

Davon abgesehen ist das Abendland am sichersten, wenn wir kollektiv dafür sorgen, daß sich Verteilungsgerechtigkeit erreichen läßt, daß Bildung ein hohes Gut ist und daß der Staat das Gewaltmonopol behält.

Dabei werden wir Millionen Muslime auf unserer Seite haben und weltanschauliche Differenzen sollten in diesem Verhältnis kein Problem sein.

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