Zentrum, Provinz
Es war eine „spontane Kulturkonferenz“, einberufen, da Kulturminister Josef Ostermayer sein Kommen verschoben hat. Es wurde zu einem außergewöhnlichen kulturpolitischen Ereignis.
Der Minister bekam gestern im Parlament noch eine Anfrage zum Burgtheater-Skandal auf den Tisch und damit war seine Konferenz in Gleisdorf hinfällig. (Nun wird ein neuer Termin vereinbart.)
Da aber der Abend und der Konferenztisch schon vorbereitet waren, wurde am späteren Nachmittag eine spontane Kulturkonferenz ausgeschrieben. Eine sehr interessante Besetzung kam zustande.
Da Thema „Zentrum, Provinz“ bleibt ja relevant und handelt von Fragen, wie Kulturpolitik und Kulturgeschehen in der Provinz sich entwickeln mögen, wo das Landeszentrum so extrem mehr an Mitteln und Möglichkeiten nutzen darf und wo ganz generell Budgets wegbrechen.
Es ging ferner darum, wie sich staatliche Kofinanzierung zur Eigenverantwortung der Kultur- und Kunstschaffenden verhalten solle und über welche Strategien, über welche konkreten Verfahrensweisen die primären Kräfte Nachteile der Provinz und der Budgetentwicklungen ausgleichen können.
Die Schlüsselperson dieses Treffens war Herbert Nichols-Schweiger vom steirischen Kulturkuratorium, der sich auf diesen Abend einließ. (Er gehörte auch zur Evaluierungskommission des jüngsten Landeskulturförderungsgesetzes der Steiermark.) Sein Kommen löste die neue Einladung aus.
Dazu kam Sandra Kocuvan von der Kulturabteilung des Landes Steiermark, mit ihr Michaela Zingerle vom Vorstand der IG Kultur Steiermark. Was nun die Konferenz inhaltlich so spannend werden ließ, war die ungewöhnliche Runde.
Es saßen nicht nur aktive Kunstschaffende am Tisch, sondern auch zwei Bürgermeister, weitere Kräfte aus Politik und Verwaltung, aus der Kunstvermittlung, aus der Wirtschaft, also das ganze Spektrum dessen, was der Kulturpakt Gleisdorf im Kern meint: Staat, Markt und Zivilgesellschaft.
Gemäß der bisherigen Kulturpakt-Praxis wurde nicht Lobbyarbeit für Geld und Partikularinteressen betrieben, sondern eine ausführliche inhaltliche Debatte geführt, in der -- entsprechend jener kontrastreichen Besetzung -- sehr unterschiedliche Positionen deutlich wurden.
So berühren sich etwa die offenen Fragen von Kulturreferent Alois Reisenhofer und City-Manager Gerwald Hierzi, aber dahinter stehen ganz unterschiedliche Aufgabenbereiche. Gemeinderat Karl Bauer blickt anders auf den laufenden Betrieb als Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov.
Filmemacher Alfred Ninaus stellt sich Anforderungen, die sich mit denen von Malerin Irmgard Hierzer nicht vergleichen lassen. Bürgermeister Peter Moser ist in Ludersdorf mit manchen Fragen befaßt, die auch Bürgermeister Christoph Stark in Gleisdorf kennt, doch die Rollen beider bleiben sehr unterschiedlich.
Unternehmer Richard Mayr ordnet ökonomische Fragen gewiß nicht gleich an wie Kulturmanagerin Michaela Zingerle. Wo nun dieser Reichtum an Kontrasten zu einer Praxis des Kontrastes werden soll, liegt eine wesentliche Voraussetzung darin, daß man lernt, die Sprache der anderen, ihre unterschiedlichen Codes, zu verstehen und ihre Prioritäten ernst zu nehmen.
Ab da erscheint es möglich, selbst über Dissens hinweg gemeinsam relevante Fragestellungen zu finden, die zu gemeinsamen Arbeitsvorhaben führen können. Das macht Allianzen möglich, in denen schließlich auch ganz neue Finanzierungsmodelle machbar werden.
Nichols zeigte sich vom Lauf der Debattte in Gleisdorf überrascht und meinte, in Graz hätten nach zehn Minuten die ersten Leute nur mehr von sich und ihrem individuellen Budgetbedarf gesprochen. Kocuvan erzählte von aktuellen Programmen der EU, von Fördermitteln, mit denen gearbeitet werden könne.
Nichols schilderte Zusammenhänge und Hintergründe: Wie funktionieren einschlägige Gremien und Ämter? Was sollte man beachten und was wissen, wenn man sich um Kofinanzierungen bemüht? Dieser Abend des heurigen Gleisdorfer Kunstsymposions markiert definitiv einen neuen Abschnitt im kulturpolitischen Geschehen der Region.
+) Das Kunstsymposion: [link]
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