Von Lambach ins Kriegsgebiet Ukraine
Eine Reise ins Ungewisse

Auf den ukrainischen Straßen befinden sich viele Check-Points. | Foto: BRS
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  • Auf den ukrainischen Straßen befinden sich viele Check-Points.
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  • hochgeladen von Philipp Paul Braun

Ein Konvoi startete Richtung Ukraine. Vollgepackt war er mit Hilfsgütern im Wert von rund 75.000 Euro, zusammengetragen vom Round Table 6. Gemeinsam traten die Fahrzeuge vergangenen Donnerstag, 31. März,  ihre lange Reise ins Ungewisse an - die BezirksRundSchau war dabei.

WELS/LAMBACH. Es ist ein kalter, verregneter Morgen am Betriebsgelände der Firma Gartner. Dort wird ein großer Lkw mit Hilfsgütern beladen - Palette um Palette verschwindet im Anhänger. Auf jeder befinden sich gut verpackte und beschriftete Arznei- und Lebensmittel. Silberne Behälter mit chirurgischem Besteck werden auf die Ladefläche eines Pick-Up-Wagens geladen. Dieser wurde im letzten Moment vom Stift Lambach zur Verfügung gestellt und für die Reise zum Begleitfahrzeug umgerüstet. Zur Verabschiedung stehen Christian Gartner mit seiner Ehefrau bei den Fahrzeugen. Die Vertreter des Round Table 6 sind ebenfalls vor Ort. Sie haben die Spenden- und Transportaktion ins Leben gerufen. Innerhalb von zwei Wochen sei die giganitsche Summe von 75.000 Euro zusammengekommen . Ein letztes Geschenk für die Lenker des Konvois: Es gibt Krapfen und Jausenpakete. Nun gibt es keinen Weg zurück, die Fahrer besteigen die Transporter. Unter ihnen Philipp Braun, Redakteur der BezirksRundSchau. Es liegen über 1.000 Kilometer vor ihnen, bis sie im Kriegsgebiet Ukraine angekommen sind. Dass dieser Weg nicht leicht sein wird, ist jedem wohl bewusst.

Start ins Ungewisse

Die Route führt die Fahrzeuge von Österreich über Tschechien und Polen an die ukrainische Grenze. Dann soll die Stadt Lemberg angefahren werden, um die Ladung auf Züge umzuladen. Trotz schlechtem Wetter sind die Fahrbedingungen gut, obwohl der immer stärker werdende Regen gnadenlos gegen die Frontscheiben schlägt. An den Raststationen wird getankt und untereinander gesprochen. Kleine Scherze und aufmunternde Worte lockern die Stimmung bei den Lenkern auf – man gibt sich gelassener, als man wirklich ist. Unter ihnen befindet sich Lkw-Veteran Armin Hofman. Der gebürtige Franke kann auf viel Erfahrung bauen. Auf seiner ernsten, aber witzigen Art teilt er seine bisherigen Erlebnisse aus der Ukraine mit den anderen. Seine Ausführungen vermitteln ein Gefühl von Sicherheit. An der letzten Tankstelle in Polen werden erstmals Soldaten angetroffen – überraschender Weise US-Militär. Mit jedem Kilometer, mit dem die Ukraine näher kommt, sinken die Temperaturen und die Anspannung steigt. Um Mitternacht steht der Konvoi an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Letzter Stop

An der EU-Außengrenze müssen die Fahrzeuge an einem Parkplatz registriert werden. Auf einer Anzeigetafel steht, dass der Transport erst am nächsten Morgen fortgesetzt werden kann. "Gut", meint Armin. "In der Ukraine darf nachts nur ohne Scheinwerferlicht gefahren werden, die Straßenverhältnisse sind denkbar schlecht und die Gefahr von Plünderungen ist groß". Am Parkplatz herrscht reges Treiben. Transporter werden in der Kälte der Nacht umgeladen und Menschen wechseln die Fahrzeuge. Ein letzter Kaffee, eine letzte Besprechung. Die Fahrer des österreichischen Konvois richten sich in ihren Fahrzeugen auf die Übernachtung ein. In der Enge und Kälte des Pick-Ups bietet ein Schlafsack den einzigen Komfort. Gedanken an den kommenden Tag machen das Einschlafen schwer. Die Nachtruhe wird je durch eine polnische Polizeikontrolle unterbrochen. Die Beamtinnen und Beamten führen Identitäts- und Fahrzeugkontrollen durch. Sie wirken angespannt, suchen nach Waffen im Transportgut.

Die letzte Überquerung

Am Morgen geht es in Richtung Grenzübergang. Die Fahrzeugschlangen auf den beiden Spuren scheinen endlos und das Vorankommen ist mühsam. Nach Stunden können die Papiere am ersten von drei Check-Points auf der polnischer Seite inspiziert werden. Schwerbewaffneten Grenzbeamten geben einen kleinen Vorgeschmack von dem was noch kommen wird. Im zweiten Schritt werden die Lkw kontrolliert und gewogen. Zum Schluss eine letzte Inspektion der Fahrer. Es sind viele verschiedene Fahrzeuge, die die Grenze überqueren wollen. Neben Transportfahrzeugen bilden Busse den größten Anteil an Grenzüberquerern. Auf polnischer Seite stehen große Zelte mit dem Emblem des Roten Kreuzes. Hier werden Menschen versorgt - die Erschöpfung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Eine junge, polnische Soldatin übergibt einen Zettel mit Registrierungsdaten, bevor der Konvoi in der überdachten, ukrainischen Grenzstation steht. Ab hier beginnt eine andere Welt.

Tor zum Kriegsgebiet

Überall Militär. Die Soldatinnen und Soldaten sind freundlich, aber zutiefst ernst und wirken angespannt. Schnelle Bewegungen sind unangebracht. Englisch spricht hier fast niemand und die Kommunikation ist schwer. Auffallend ist das Auftreten der Militärangehörigen: Einheitlich ist hier nur die im Digital-Tarnmuster gehaltene Uniform. Bewaffnung und Ausrüstung variieren stark. Sehr junge Männer und Frauen stehen und frieren sichtlich an ihren Posten. Die Ärmel der Jacken über die Hände gezogen. Trotzdem wirken sie entschlossen. Einer der jungen Soldaten hält einen Geldschein durch das Fenster des Pick-Ups. Es dauert etwas bis bemerkt wird, dass er die Handschuhe, die hinter der Frontscheibe liegen kaufen möchte. Er bekommt sie geschenkt und bedankt sich lächelnd mit den Worten: "Slava Ukraini". Auch auf dieser Seite der Grenze befindet sich eine große Rot-Kreuz-Versorgungsstation. Im Minutentakt kommen Kindergruppen an. Sie steigen in Busse Richtung Polen - es müssen hunderte Kinder sein. Ein Mädchen, das einen roten Luftballon in den Händen hält, wird kurz von der Gruppe getrennt – sie blickt noch einmal zurück in die Heimat. Eine Frau entdeckt das Kind und bringt es hastig zu den anderen. Männer bringen ihre Familien bis zur Grenze, verabschieden sich mit Tränen von ihren Liebsten, bevor sie wieder ins Kriegsgebiet zurückkehren. Es sind ergreifend Szenen. Endlich steht der Konvoi aus Österreich an einem riesigen Gittertor, das von zwei Soldaten geöffnet wird. Einer der beiden trägt ein Kopftuch, fuchtelt mit seiner Kalaschnikow und schreit : "Welcome to Ukraine".

In der Ukraine

Die Straße nach der Grenze ist in schlechtem Zustand. Riesige Schlaglöcher und Risse im Asphalt. Die Fahrzeuge heben und senken sich in einer einzigen Rüttelpartie. Doch der Weg nach Lemberg ist frei. Kilometer für Kilometer kämpft sich der Konvoi voran. Auf der Strecke befinden sich unzählige improvisierte Kontrollposten, bestehend aus Betonklötzen und Sandsäcken. Durch Bretter geschlagene Nägel sollen im Ernstfall Fahrzeuge an der Weiterfahrt hindern. Hastig zusammengeschweißte Panzersperren liegen auf der Straße. Überall am Fahrbahnrand befinden sich riesige Werbeplakate des ukrainischen Militärs. Sie sollen wohl die Moral in der Bevölkerung heben. Schweres Kriegsgerät ist hier keines. Zum Teil sind viele Fahrzeuge auf den Straßen. Die Gehsteige der Ortschaften sind hingegen großteils menschenleer. Denkmähler und Statuen sind großteils durch Sandsäcke verdeckt. Die Stimmung ist dystopisch.

Ziel erreicht

Endlich erreicht der Hilfskonvoi sein Ziel in Lemberg: Ein Logistikzentrum mit Bahnanbindung. Der Kontakt wurde durch Natalia Rekrut von der Ukrainisch-Grichisch-Katholischen Gemeinde in Linz hergestellt und der Weitertransport organisiert. Der Gebäudekomplex erinnert an einen James-Bond-Film. Große, graue Betongebäude und riesige Metallkräne. Obwohl das Betriebsgelände verlassen scheint, erwacht die Plattform, an der die Transporter landen, rasch zum Leben. Frauen und Männer beginnen mit der Verladung. Dieselbetriebene Gabelstapler schaffen die Paletten mit Hilfsgütern ins Innere der Verladestation. Dort wartet ein Güterzug auf die Ladung. Die Arbeiterinnen und Arbeiter zeigen sich erfreut und begeistert über die Menge an Hilfsgütern. Nach einer Stunde sind die Wagons voll und es wird gejubelt. Der Zug startet zu seinem Bestimmungsort: Das stark bombardierte Charkiv - die zweitgrößten Stadt der Ukraine. Dort wird die Hilfslieferung schon sehnsüchtig erwartet.

Weiterer Spendenaufruf des Round Table 6

Um weiterere Hilfstransporte in die Ukraine zu finanzieren, kann unter folgendem Konto nach wie vor gespendet werden:
• IBAN: AT14 1513 0002 8301 6400 Buchungstext "Ukraine 2022"

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