Eklat nach Drogenrazzia in Wohnheim

Schulverweigerung geschehe nicht aus Unlust, sondern sei häufig ein Symptom einer psychischen Störung. | Foto: karwa/Fotolia
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WELS. Das Wohnhaus der mopäd (Mobile Pädagogik, privater Betreiber einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung) GmbH in Wels steht seit 23. Mai im Zentrum der Kritik. An jenem Tag führte die Polizei eine durch die Welser Staatsanwaltschaft angeordnete Drogenrazzia in dem Haus durch. Dort wohnen neun Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Anlass für den Einsatz seien konkrete Hinweise auf regelmäßigen Suchtgiftkonsum im Jugendheim gewesen. "Wir fanden Utensilien, die auf Drogenkonsum hinweisen sowie Rückstände von Cannabis", schildert Stadtpolizeikommandant Klaus Hübner, der die Razzia leitete. Zudem sei der Zustand einiger Räume erschreckend gewesen: "Manche Zimmer waren in Ordnung, manche waren definitiv vermüllt. Ein Zimmer hat besonders erschreckend ausgesehen, das haben wir auch mit Fotos dokumentiert." Diese Fotos habe man mitsamt einem Bericht an die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Wels sowie an die Jugendhilfe des Landes übermittelt. "Wir fanden Schmutz, Müll und Zigarettenstummel im ganzen Haus. Die Bewohner unterliegen mitunter noch dem Jugendschutzgesetz, dennoch dürfte in allen Zimmern geraucht worden sein. Man könnte den Eindruck bekommen, dass die Erzieher bei allem wegsehen. Es jetzt darzustellen, als würde die Polizei aus Spaß eine Hausdurchsuchung durchführen und Jugendliche sekkieren, weise ich aufs Schärfste zurück", so Hübner.

"Zweiter Blick wünschenswert"

Diese Vorwürfe will mopäd-Geschäftsführer Günther König so nicht stehen lassen. "Diese Schilderungen entsprechen nicht der Wahrheit. Wir wurden schon von verschiedensten Stellen überprüft. Jeder, der selbst Teenager hat, weiß, dass sie es mit der Ordnung oft nicht so genau nehmen. Aber vermüllt waren die Zimmer nicht." Auch vom Fund der Drogenutensilien will König nichts wissen. Es sei lediglich eine Geldbörse, die keinem der Bewohner zugeordnet werden konnte, sichergestellt worden. "Mehr steht auch nicht im Sicherstellungsprotokoll der Polizei", hält König fest, der zudem den Umfang des Einsatzes kritisiert: "27 Polizisten und zwei Drogenspürhunde drangen in die Lebenswelt von neun Jugendlichen ein. Das erachte ich als übertrieben." Dass es generell Probleme mit Drogen im Wohnhaus gibt, streitet König nicht ab. Er hält aber fest, dass es eine Null-Toleranz-Politik gebe und gefundenes Suchtgift stets unter Aufsicht vernichtet werden müsse. "Ich habe Verständnis für unsere Nachbarn und generell für die Öffentlichkeit, die nach einem ersten Blick ein schlechtes Bild von unserer Einrichtung haben. Ich würde mir allerdings auch wünschen, dass es einen zweiten oder dritten Blick gibt", so König. Die untergebrachten Jugendlichen weisen zum Teil sehr belastende Vorgeschichten auf, wurden der Obhut ihrer Eltern entzogen oder durchliefen bereits mehrere Jugendheime. "Es wäre unseriös von mir zu behaupten, dass es in Zukunft keine Vorfälle mehr bei uns geben wird. Ein Problem, dass zwölf Jahre lang entstanden ist, kann man nicht in zwei Monaten beheben", gibt der mopäd-Geschäftsführer zu bedenken. Nach einer meist schwierigen Anfangsphase würden sich die Jugendlichen aber nach ein paar Monaten bei mopäd akzeptiert und zuhause fühlen. Im Schnitt verbringen Königs Schützlinge zwei Jahre bei mopäd. 21 junge Menschen wohnten bereits in der Einrichtung. "Zu vier oder fünf haben wir keinen Kontakt mehr. Der Rest geht täglich arbeiten und wohnt alleine oder in einer Partnerschaft", erzählt König. Die Erfolgsquote belaufe sich auf etwa 70 Prozent.

Kein Verständnis für Schulschwänzer

FP-Sozialreferentin Vizebürgermeisterin Christa Raggl-Mühlberger kritisiert, dass bei der Razzia am Vormittag ein Großteil der Jugendlichen schlafend in ihren Zimmern, statt in der Schule vorgefunden wurde. "Die Heimplätze sind mit hohen Kosten verbunden, ich denke da kann man auch gewisse Erwartungen an die Pädagogen haben. Etwa, dass man dem Schulschwänzen entgegenwirkt." Konkret wird ein Heimplatz mit 5.400 Euro brutto pro Monat pro Jugendlichem finanziert. "Damit müssen aber neun Betreuer, die einen 24-Stunden-Dienst abdecken, ein WG-Bus, eine Haushälterin, Therapiehunde und vieles mehr bezahlt werden", rechnet König auf. Ein Null-Defizit sei erst ab einer Auslastung von 97 Prozent möglich. Zum Vorwurf des Schulschwänzens meint er: "Wir können die Kinder ja nicht mit Gewalt in die Schule zwingen." FP-Sicherheitsreferent Vizebürgermeister Gerhard Kroiß sieht das anders: "Bei allem Verständnis für die schwierigen Verhältnisse, aus denen die Kinder stammen. Gerade in so einem Fall ist es wichtig, dass wir Konsequenzen einfordern. Zu erwarten, dass die Jugendlichen ihr Verhaltensmuster ändern und gleichzeitig zu sagen, Konsequenzen gibt es nicht, kann nicht die Lösung sein." Für Kroiß wären etwa die Reduktion von Freizeitaktivitäten, wie Ausflügen oder Kinobesuchen denkbar.

Wels der richtige Standort?

Sozialreferentin Raggl-Mühlberger stellt zudem den Standort des Wohnhauses in Frage: "Man muss sich schon fragen, ob es zielführend ist, wenn der Kaiser-Josef-Platz und die damit verbundene Drogenszene nur um's Eck sind." "Es macht keinen Unterschied, ob wir in einer Stadt oder auf der grünen Wiese beheimatet sind. Die Drogenszene ist mobil. Wenn die Jugendlichen wollen, kommen sie überall an Suchtgift", entgegnet König. Für Wels würden hingegen die ausreichend vorhandenen Therapiemöglichkeiten sowie Zugang zu Ärzten, Krankenhäusern und Schulen sprechen. "Man stelle sich nur einmal vor, was los wäre, wenn sich unser Haus in einem kleinen Dorf mit nur einer Schule befinden würde und alle unsere Jugendlichen dann diese eine Schule besuchen würden. In Wels sind sie in Absprache mit dem Landesschulrat auf alle Schulsprengel verteilt", sagt König.
Ein Projekt zwischen Landesschulrat, Bildungsregion Wels und mopäd förderte den geregelten Schulbesuch der Jugendlichen. "Leider wurde es im letzten Jahr eingestellt. Wenn jetzt über neue Projekte nachgedacht wird, hatte der Vorfall zumindest etwas Gutes", so König.

Keine Beanstandung durch Fachaufsicht

Aufgrund der Vorkommnisse führte die Fachaufsicht des Landes OÖ am 29. Mai eine weitere, unangemeldete Überprüfung durch. Diese ergab keine Beanstandungen hinsichtlich der pädagogischen Arbeit oder des Zustandes der Räumlichkeiten. "Die komplexen Belastungen der Jugendlichen bringen intensive Problematiken wie Schulverweigerungsverhalten, Substanzkonsum oder delinquentes Verhalten mit sich. Es geht hier aber nicht um Schulschwänzen aus Unlust, sondern um Schulverweigerung, die häufig Symptom oder Folge einer psychischen Störung ist", heißt es in einer Stellungnahme. In der unmittelbaren Situation sei es mit erlaubten pädagogischen Mitteln nicht möglich, einen Jugendlichen gegen seinen Willen in die Schule zu zwingen. Hier braucht es Lösungen zwischen allen Beteiligten. Ein erstes Gespräch findet am 7. Juni statt.

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