Andreas Rabl: "Irgendwer sagt immer: 'So ein Koffer!'"

Andreas Rabl leitet als Bürgermeister und damit Spitze der Bezirksverwaltung von Wels den Krisenstab vor Ort. | Foto: Leitner
  • Andreas Rabl leitet als Bürgermeister und damit Spitze der Bezirksverwaltung von Wels den Krisenstab vor Ort.
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Andreas Rabl sitzt seit einem Jahr im Bürgermeisterstuhl. Im Interview spricht er über Themen, die ihn beweg(t)en, eigene Fehler sowie die Arbeit als Bürgermeister und übt Kritik an den Gepflogenheiten der politischen Mitbewerber.

Sie sind seit einem Jahr Welser Bürgermeister. Wie fällt Ihr Resümee aus?
Andreas Rabl:
In mehrfacher Hinsicht positiv. Erstens, weil die Aufgabe so ist wie erwartet. Also mit sehr großem Gestaltungsspielraum, sehr großen Möglichkeiten, Dinge zu bewegen und zu verändern. Es hat sich nicht wahnsinnig viel geändert zu meiner Zeit davor. Die Belastung ist also keineswegs höher. Es ist ein anderes Arbeiten, weil man nicht mehr an einem Akt arbeitet, sondern eher Linien vorgibt und Überlegungen anstellt, große Themenschwerpunkte herausarbeitet. Ich kommuniziere sehr viel. Ich rede ständig mit irgendwem und habe durchschnittlich 15 Termine pro Tag. Aber es gibt auch etwas, was ich für mich selbst zurückschrauben musste: die Erwartungen an das Änderungstempo. Wenn man eine kleine Organisationseinheit hat wie eine Rechtsanwaltskanzlei, kann man Dinge sehr schnell umsetzen und ändern. Bei einem großen Apparat dauert es länger, bis man eine Botschaft definiert hat und Prozesse, die dahinter liegen, verändert hat.

Etwas zu bewegen und umzusetzen, was in Ihrem Sinne ist, ist also schwerer und langsamer, als sie gedacht oder gehofft haben?
Schwerer nicht, nur langsamer. Gerade, wenn es substanzielle, strukturelle Änderungen sind. Wenn ich sage, wir brauchen wo einen Papierkübel, steht der drei Tage später dort. Aber in einer Unternehmenskultur etwas zu ändern oder in Arbeitsabläufe einzugreifen, große Organisationsänderungen, Sparmaßnahmen, das alles braucht sehr viel Nachdruck und Überzeugungsarbeit, damit es ankommt. Ich habe aber einen sehr guten Rückhalt bei den Führungskräften bekommen. Gerade, wenn man das Verhältnis rotes Haus - blauer Bürgermeister sieht, könnte man ja denken, die versuchen, ihn ausrutschen zu lassen. Den Eindruck habe ich bei den Führungskräften nicht.

Erleichtert der neue Magistratsdirektor in irgendeiner Art und Weise Ihre Arbeit?
Extrem. Bis er gekommen ist, musste ich diese beiden Stellen parallel abarbeiten. Sowohl die magistratsinterne als auch die politisch externe Arbeit wurden von mir gemacht. Dadurch kam es hie und da zu Kommunikationsproblemen. Es ist jetzt bereits nach einer Woche eine deutliche Besserung feststellbar.

Man kann also sagen, dass Sie die Leute besser von Ihren Ideen überzeugen können?
Ja, ein Beispiel ist die Kindergartenthematik. Wenn jeder schon gewusst hätte, was kommt, wäre das schon super gewesen. Aber wenn die Kindergärtnerinnen am Donnerstag erfahren, dass sie ab Montag eine neue Diensteinteilung haben, verursacht das Aufregung. Ich kann nicht immer kontrollieren, ob jede Anweisung, die ich gebe, unten angekommen ist. Da werde ich ja wahnsinnig.

Hätte eine rote Magistratsdirektorin Ihre Arbeit weniger erleichtert als Peter Franzmayr?
Nein, da geht es nicht um Rot oder Blau. Es geht darum, wie das Verhältnis der Zusammenarbeit ist. Ich versuche, einen kollegialen Führungsstil zu pflegen und erwarte mir vom Magistratsdirektor den selben.

Welche Fehler haben Sie bis jetzt gemacht und worauf sind Sie stolz?
Eine Fehlannahme von mir war, dass ich dachte, dass man viele größere Vorhaben schneller umsetzen kann. Das führt aber auch schnell dazu, dass man die Mannschaft überfordert. Ich habe jetzt versucht, etwas Tempo herauszunehmen aus den Prozessen. Wir hatten ja doch neben dem Positionierungsprozess den Aufgabenreformprozess und den Strukturierungsprozess. Das sind drei Prozesse in einem Jahr. Es braucht mehr Zeit für die Umsetzung und man muss genauer definieren. Ich glaube aber, dass wir in diesem Jahr unglaublich viele Vorhaben erledigt haben. Das beginnt bei der Positionierung bis hin zum Stadtrechnungshof, der jetzt selbständig ist, der Sprachförderung in den Kindergärten, dem Wertekodex und dem Traunufer. Ich merke schon, dass wir eine Aufbruchstimmung in der Stadt haben. Der Leerstand in der Innenstadt hat abgenommen. Es bewegt sich etwas.

Wie resümieren Sie über die Bürgerbefragung? Wurden Fehler in der Abwicklung gemacht?
Nein, das glaube ich nicht. Ich habe mir die Prozesse der bisherigen Bürgerbefragungen angesehen, wie jene in Gmunden. Da sind von 14.000 Fragebögen 1000 zurückgekommen. Der Rücklauf war also wesentlich geringer als in Wels. Der Rücklauf war besser als gedacht. Es hätte gleichzeitig die Bundespräsidenten-Wahl stattfinden sollen. Diese Wahltermine kann ich nicht beeinflussen. Ich würde eine solche Befragung wieder machen und betrachte sie schon als großen Erfolg. Es ist dadurch ein Stimmungsbild entstanden. Es wird spannend, wenn jemand sagt, dass diese Befragung nicht gilt, wie er das den Bürgern erklärt.

Es gab die Möglichkeit, mehrmals abzustimmen, online und über die Abgabe des Fragebogens. Wie kontrolliert man das?
Es gab einen Code. Wenn man den Fragebogen elektronisch abgegeben hat, wurde der Code gesperrt. Es zählt das, was als erstes abgegeben wurde. Das System, das dazu verwendet wurde, kommt aus Linz und ist ausgeklügelt und schon hunderte Male verwendet worden. Mich irritiert, dass es den großen Aufschrei wegen Datenschutz und Manipulationen gibt, wenn das ein blauer Bürgermeister macht. Aber das war bei Koits nie ein Thema, obwohl System und Institut immer die gleichen waren.

Das könnte aber auch daran liegen, dass die Menschen nach den Unregelmäßigkeiten bei der Bundespräsidentenwahl in der Hinsicht sensibilisiert sind.
Stimmt, das habe ich mir auch gedacht. Aber ich habe mir dann wieder den Prozess in Gmunden angesehen. Zur gleichen Zeit, mit gleichem Verfahren, dem gleichen Prozess. Kein Wort von Manipulation, weil schwarzer Bürgermeister. Da ist alles gut, nur wenn es ein freiheitlicher Bürgermeister macht, dann hat man riesige Bedenken. Das hat auch mit den politischen Marktbegleitern zu tun. Es wurde schon von Orbanisierung geredet. Das ist tiefster Ton in der Politik, ich habe nur eine Umfrage gemacht. Ich weiß nicht, wo wir einen Fehler gemacht haben sollen.

Die FPÖ ist erstmals in Wels nicht in der Oppositionsrolle. Welche Rolle ist denn die einfachere?
Ich habe mich vor dem Bürgermeisteramt nicht in der Oppositionsrolle gefühlt, weil wir mit drei Regierungsmitgliedern in der Stadtregierung gesessen sind, genauso viele wie die SPÖ damals hatte. Ich denke, der wesentliche Unterschied zu den politischen Marktbegleitern ist jener: Wenn wir etwas kritisiert haben, war das immer mit einem anderen Lösungsvorschlag verbunden. Das fehlt mir derzeit komplett von den anderen. Aber ich glaube, dass jede Rolle einen eigenen Reiz hat, eigene Voraussetzungen braucht. Mir persönlich liegt aber das Gestalten schon sehr. Ich finde es angenehm, Dinge bewegen zu können. Das gefällt mir. Und Everybody's Darling kann man nicht sein. Irgendwer sagt immer: "So ein Koffer!" Beim Einsparungsprozess in Linz haben sich die Oppositionsparteien mit Vorschlägen eingebracht. Die Opposition hat dort konstruktiv mitgearbeitet. In Wels hat sich die SPÖ nur zurückgelehnt. Konstruktives Miteinander gibt es seit Reindl-Schwaighofer nicht mehr. Im Gegenteil, da wird einem dann Orbanisierung vorgeworfen.

Ein Kritikpunkt war jener, dass die ICG-Liste mit den hunderten Einsparungsvorschlägen die anderen Parteien nicht bekommen haben.
Sie haben sie bekommen hinsichtlich der größten 50 Einsparungsvorschläge. Die anderen Punkte nicht, in Linz haben sie auch nur die größten 70 bekommen. Die SPÖ hat ja überhaupt nie ja oder nein gesagt, sondern nur: "Das müssen wir uns überlegen".

Weil die SPÖ prinzipiell gegen diesen Prozess war?
Ja, das ist der Punkt. Wir haben deswegen die ICG geholt, weil sie das in vielen anderen Städten schon gemacht hat – natürlich in roten und schwarzen Städten. Die SPÖ wollte die ICG, ich wollte ursprünglich die KPMG. Am Anfang haben sie gesagt, sie stimmen zu. Silvia Huber und Stefan Ganzert haben zu Beginn gesagt, der Prozess ist in Ordnung. Dann ist es zum Wechsel des Obmanns zu Reindl-Schwaighofer gekommen und dann hat es geheißen, der Prozess passt nicht mehr. Es ist völlig egal, was ich mache, denn es ist immer falsch. Aber welches kulturpolitische Projekt hat der Johnny (Johann Reindl-Schwaighofer, Anm.) in diesem Jahr durchgezogen oder auch nur angefangen? Keines. Wissen Sie warum? Weil er sich nicht mal auf die Verfahren einigen kann. Welches hat denn der Hoflehner verkehrspolitisch angezogen? Keines. Die ÖVP hat Forderungen, aber von der SPÖ kommt nichts, außer "Rabl ist schlecht". Auf Dauer wird das zu wenig sein.

Welche großen Themen werden Sie in nächster Zeit beschäftigen?
Für mich ist das Angenehme, dass wir im ersten Jahr die unangenehmen Dinge weitgehend erledigt haben. Ich werde Beschlüsse bekommen für meine insgesamt "10 Millionen", weil das ziemlich eingetaktet ist. Die Strukturreform, bei der wir Abteilungen zusammenlegen, wird noch im November präsentiert. Dann gibt es sicher auch nochmal Aufregung, aber dann ist das fertig. Dann habe ich erstens das Geld, weil ich die Sparmaßnahmen umgesetzt habe, und kann zweitens noch sehr viel mehr in das gestalterische Element gehen. Dann kann ich das Greif-Gebäude sowie die Tiefgaragen am Stadtplatz und KJ angreifen und am Traunufer das Feuerwehrhaus zur Gastronomie machen. Auch das Weliosthema mit der FH ist auf Schiene. Es sieht gut aus, dass wir die Abgänge von einer Million auf 400.000 Euro pro Jahr reduzieren können. Die FH mietet sich oben ein, über kurz oder lang wird sie es ganz übernehmen. Damit warten wir noch bis 2025, dann besteht keine vertragliche Bindung mehr und die Sache ist erledigt. Die 600.000 Euro an Einsparung, sind aber gar nicht so viel, wenn man bedenkt, dass wir durch Prüfung des Stromvertrags 500.000 Euro im Jahr sparen. Der Vertrag wurde jahrzehntelang nie angeschaut. Das empfinde ich als nachlässig, weil sich keiner darum geschert hat. Bei den Handyverträgen sparen wir 180.000 Euro oder 40 Prozent. Das ist es, was mich so aufregt: der fahrlässige Umgang nach dem Motto "Was kostet die Welt?". Was auch gar nicht geht: Unsere Magistratsmitarbeiter haben im Durchschnitt 37 Krankenstandstage im Jahr. In der Privatwirtschaft sind es acht. Es kann nicht sein, dass die Beamten, die im Büro sitzen, überschaubar im Risiko, fünfmal so häufig krank sind wie Privatwirtschaftsmitarbeiter. Es liegt nicht daran, dass die Arbeit hier so stressig ist und unfassbar anstrengend. Da passt einfach etwas nicht. Da braucht man Maßnahmen.

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