Interview
Peter Lorenz: "HERR MIT SONNENBRILLE"

Szene aus dem Stück "Herr mit Sonnenbrille", in dem Peter Lorenz aus Grinzens Regie führt. | Foto: privat
2Bilder
  • Szene aus dem Stück "Herr mit Sonnenbrille", in dem Peter Lorenz aus Grinzens Regie führt.
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Manfred Hassl

Am 9. November um 20 Uhr feiert das Generationentheater "in diemonopol" in Innsbruck mit dem Stück "HERR MIT SONNENBRILLE" Premiere. Gerhild Steinbuchs Stück, das die Aussichtslosigkeit eines von Industrie und Tourismus verlassenen Dorfs portraitiert, wird zum ersten Mal in Tirol aufgeführt. Der junge Tiroler Regisseur Peter Lorenz aus Grinzens setzt die Sprachlosigkeit und Unfähigkeit der Menschen, einander zuzuhören, in seiner Inszenierung in den Vordergrund. Gefangen in Arbeitslosigkeit, Patriotismus und häuslicher Gewalt kommen die Figuren sich selbst nicht aus und ihnen bleiben nur noch leere Worthülsen und passiver Konsum. Der Regisseur im Interview:

BB:Worauf darf sich das Publikum freuen?
Peter Lorenz: Das Stück überzeugt mit seiner starken gnadenlosen Sprache. Um dies rüberzubringen, hat das tolle Ensemble des Generationentheaters sich auf die genaue Arbeit mit viel Begeisterung eingelassen. Die Lebensrealität in einem wirtschaftlich heruntergekommenen Dorf, das man sich auch so in Tirol vorstellen kann, spiegelt sich in den Worten wider, ähnlich den Sprachflächen von Elfriede Jelinek. Die LaiendarstellerInnen haben diese Herausforderung mit großer Geduld gemeistert. Diese Hingabe zum Theater finde ich fantastisch. Zusätzlich wird das ganze Stück noch musikalisch von zwei Schauspielerinnen mit verschiedenen Blockflöten (Sopran- bis Bass-Flöte) musikalisch live untermalt. Das geht unter die Haut und stößt hoffentlich zum Nachdenken an.

BB: Worum geht es in HERR MIT SONNENBRILLE?
Peter Lorenz: Das Stück porträtiert unser Land anhand eines Dorfes, in dem nichts dem Verfall entkommt: Die Fabrik hat schon lange geschlossen, die Touristen kommen nicht mehr, überall herrscht Arbeitslosigkeit und die Gesellschaft rutscht in die Sinnlosigkeit ab. Selbst die letzten Zufluchtsorte Natur und Tradition sind nur kurzweilige Ablenkungen von der Aussichtslosigkeit. Dies wird über ein Paar erzählt, das doppelt in junger und älterer Perspektive auftritt. Dazu kommt noch die Figur des Kindes, von dem sich das Paar vergeblich seine Rettung erwartet. Drei zeitliche Ebenen werden ineinander gefaltet - eben richtiges Generationentheater. Die Charaktere sind in sich selbst und der Gesellschaft gefangen, weil sie es nie anders gelernt haben. Das führt zu zwischenmenschlichem Versagen, weil keiner zuhören oder aufeinander eingehen kann.

BB: Wie setzt ihr diese Welt auf der Bühne um?
Peter Lorenz: Beim Inszenieren war mir wichtig, die Figuren dreidimensional herauszuarbeiten, denn niemand will eineinhalb Stunden bösen, dummen Menschen zusehen. Deshalb haben wir versucht die Figuren so anzulegen, dass man sie verstehen und sich mit ihnen identifizieren kann. So wird die Tragik der Figuren in ihrem grauenvollen Verhalten klar. Niemand trägt die Schuld, denn in ihrer Ansicht gibt es keinen anderen Ausweg. Gerade das ist das Schreckliche.

BB: Wie kann man sich das auf der Bühne vorstellen?
Peter Lorenz: Die Figuren treten in Hotel-Bademänteln auf. An der Oberfläche wirkt alles sauber und steril. Doch erst mit der Zeit merkt man, was dahinter steckt. So graust man sich wohl in Zukunft vor jedem Wellnessbereich, in dem es selten so sauber zugeht, wie es den Anschein machen will. Die Protagonistenpaare treffen sich im immer gleichen heruntergekommenen Hotelzimmer. Wir stellen dies mit drei schiefen Holzrahmen dar, in welchem sich jeweils eine zeitliche Ebene des Stücks abspielt. Die Schräge und Enge der Räume unterstreicht den Wahnsinn der Situation und gibt den DarstellerInnen einen Widerstand, gegen den sie in den Szenen ankämpfen müssen.

BB: Wie habt ihr diesen Text ausgewählt?
Peter Lorenz: 

Wir suchten nach einem zeitgenössischen Stück mit politischem Biss. Erst nachdem ich über 50 verschiedene Stücke gelesen habe, bin ich über Gerhild Steinbuch gestolpert. Mit der derzeitigen politischen Lage fühlten wir uns unserer Heimat verpflichtet, ihr eine kritische Perspektive entgegenzusetzen.

BB: Was bedeutet Heimat für dich?
Peter Lorenz: Ich habe die letzten acht Jahre im Ausland gelebt, studiert und gearbeitet. Trotzdem fühle ich mich meiner Heimat Grinzens, Tirol und Österreich verbunden. Aber genauso kenne ich eine Heimatverbundenheit und Heimweh für meine Wahlheimaten wie Mostar, Glasgow, Berlin und Wien. Es sind die Lieblingsplätze, FreundInnen, Netzwerke, Erinnerungen und Potentiale, die sie für mich zur Heimat machen. Ich liebe meine Heimat(en) so wie meine Familie, der man ungeniert sagt, was einem stört. Man kann nicht schweigend weitermachen, als ob nichts wäre, wenn es einem Familienmitglied schlecht geht. Und so ist es auch mit unserer Heimat: Österreich geht es nicht gut – es fault braun vor sich hin.

BB: Welche Verantwortung siehst du als Künstler deiner Heimat gegenüber?
Peter Lorenz: Unkritischer Patriotismus ist fehl am Platz. Das ist wie die Rosa-Brille beim Verliebt-sein, man nimmt die Realität nur noch verzerrt war, aber es ist ein Irrweg: ver-lieben ist wie ver-laufen oder ver-irren … da muss man als Künstler der Liebe, dem Land und seinen Leuten einen nüchternen Spiegel vorhalten.

Zur Person

Peter Lorenz arbeitete neben seinem Theater-Studium an der University of Glasgow als Regieassistent bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, der Oper Köln, dem Theater St. Gallen, der Scottish Opera und der Vancouver Opera mit RegisseurInnen wie Renaud Doucet, Hinrich Horstkotte und Christina Rast. Seit 2011 führt er seine eigenen Performances sowie Inszenierungen von Werken von Elfriede Jelinek, Samuel Beckett und Heiner Müller in Glasgow im James Arnott Theater, dem Ton Theater, dem Center for Contemporary Arts und Tramway und in Mostar im OKC Abrašević, dem Kroatischen Nationaltheater und beim Street Arts Festival, welches er 2012 mitbegründete, auf. Für die Uraufführung von Christian Spitzenstaetters Oper „Stillhang” im Dezember 2018 in Erl entwirft er das Bühnenbild.

Szene aus dem Stück "Herr mit Sonnenbrille", in dem Peter Lorenz aus Grinzens Regie führt. | Foto: privat
Peter Lorenz aus Grinzens zählt zu den aufstrebenden jungen Theatermachern in Österreich. | Foto: privat
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.