Wahlmotive
Wer welche Partei gewählt hat
Laut Wahltagsbefragung zeigen sich trotz Skandalen 50 Prozent der Wahlberechtigten zufrieden mit der vergangenen ÖVP-FPÖ-Regierung, nur drei von zehn ÖVP-Wählern will aber eine Neuauflage ÖVP-FPÖ.
ÖSTERREICH. Bei der Nationalratswahl 2019 zeigt sich eine große Kluft zwischen jungen und älteren Wählern: Während ÖVP und SPÖ gemeinsam rund drei Viertel der Stimmen von Personen ab 60 Jahren erhalten haben, lagen ÖVP und Grüne bei den unter 30-Jährigen gleichauf bei je 27% der Stimmen vor der FPÖ mit 20%. Unter den Bis-44-Jährigen Männern schneidet die FPÖ besonders gut ab, junge Frauen haben vor allem Grüne und NEOS gewählt.
Wahlverhalten nach Erwerbsstatus
Unter Arbeitern bleibt auch bei dieser Wahl die FPÖ mit 48 Prozent der Stimmen klar vor SPÖ (23%) und ÖVP (21%).Unter Angestellten liegt die ÖVP mit 40 Prozent vor SPÖ und Grünen (je 18%). Insbesondere die FPÖ, aber auch SPÖ und ÖVP wurden überdurchschnittlich von Personen ohne Matura gewählt.
Mit 32 Prozent sind die Grünen unter Personen mit Matura stärkste Partei (ÖVP: 31%).
Wahlmotive ÖVP
Dreiviertel der ÖVP-Wähler haben sich schon früh für diese Partei entschieden. Rund 3 von 10 (29%) sind mit der Arbeit der türkis-blauen Bundesregierung „sehr zufrieden“, weitere 6 von 10 „ziemlich zufrieden“. Das im „Ibiza-Video“ Gezeigte hält eine Mehrheit von 54 Prozent der ÖVP-Wähler als Problem nur „einzelner Politiker“; 18 Prozent sehen darin ein Problem der FPÖ als Partei insgesamt. Dennoch wünschen sich nur 3 von 10 die FPÖ wieder in einer Regierung.Gefragt nach dem „Hauptgrund“ für ihre Wahlentscheidung, nannten 18 Prozent Spitzenkandidat Kurz und weitere 13 Prozent spezifisch den Wunsch, Kurz solle Kanzler werden. Der Spitzenkandidat ist demnach im Vergleich zur Wahl 2017 als Wahlmotiv diesmal weniger dominant.
Die „inhaltlichen Standpunkte“ der Partei wurden von 18 Prozent als wichtigstes Wahlmotiv angegeben. Am meisten diskutiert haben ÖVP-WählerInnen im Wahlkampf über Gesundheit und Pflege (28% „sehr häufig diskutiert“), Wirtschaft (26%), sowie die Themen Zuwanderung, Umwelt-und Klimaschutz (je 22% „sehr häufig diskutiert“) und Sicherheit (21%).
SPÖ:
Unter SPÖ-Wählern wurden diesmal die inhaltlichen Standpunkte am häufigsten als wichtigstes Wahlmotiv genannt (von 24%), mit deutlichem Abstand gefolgt vom Stammwählermotiv („wähle immer diese Partei“, 14%).Die Top-3-Themen im Wahlkampf waren für SPÖ-Wähler die Käuflichkeit der Politik (43%), Umwelt-/Klimaschutz (42%) sowie Gesundheit und Pflege (41%).
Besonders ausgeprägt ist unter SPÖ-Wählern die Ansicht, dass das im „Ibiza-Video“ Gezeigte typisch für die FPÖ als Partei sei: zwei Drittel sind dieser Ansicht.
FPÖ: Auch für FPÖ-Wähler standen bei dieser Wahl häufig die inhaltlichen Standpunkte der Partei im Vordergrund (für 18% das Haupt-Wahlmotiv). 14 Prozent nannten als wichtigstes Motiv, dass es wieder zu einer ÖVP-FPÖ- Regierung kommen soll; 12 Prozent, dass der FPÖ Unrecht getan wurde und sie diese „jetzt erst recht“ gewählt haben.Hinsichtlich der politischen Themen haben FPÖ-Wähler mit deutlichem Abstand am häufigsten über Zuwanderung (69%) und Sicherheit (54%) diskutiert, gefolgt von Arbeitsplätzen und Arbeitsbedingungen (31%). – Umwelt und Klimaschutz wurde nur von 10 Prozent der FPÖ-WählerInnen „sehr häufig“ diskutiert.
Die FPÖ-Wähler sind mit Abstand am zufriedensten mit der türkis-blauen Regierung (50% „sehr“, 42% „ziemlich zufrieden“), rund zwei Drittel (65%) sehen eine positive Entwicklung des Landes seit 2017.
Grüne:
Unter Grün-Wählern standen am häufigsten die Inhalte im Vordergrund ihrer Wahlentscheidung (44%), gefolgt vom „Comeback“-Motiv (16%).Im Wahlkampf diskutierten 81 Prozent „sehr häufig“ über Umwelt- und Klimaschutz sowie je 46 Prozent über die Käuflichkeit der Politik und Bildung.
NEOS:
Während mit Ausnahme der ÖVP die SpitzenkandidatInnen der Parteien als Wahlmotiv eine untergeordnete Rolle spielten ist dies bei den NEOS anders: Für 19 Prozent der NEOS-Wähler war Beate Meinl-Reisinger das wichtigste Wahlmotiv, für weitere 18 Prozent spezifisch deren Auftritte in den Fernsehdiskussionen. 16Prozent nannten die inhaltlichen Standpunkte der NEOS und 13 Prozent die Glaubwürdigkeit der Partei als wichtigstes Wahlmotiv.Top-Themen für NEOS-Wähler waren Umwelt-/Klimaschutz sowie Bildung (je 44% „sehr häufig diskutiert“).
Top-Themen
Nachdem vor zwei Jahren noch Zuwanderung und Asyl die am häufigsten diskutierten Themen im Wahlkampf waren, steht diesmal Umwelt- und Klimaschutz ganz vorne: 33% der Wahlberechtigten haben „sehr häufig“ über dieses Thema diskutiert. An zweiter Stelle der Themenagenda stand die Käuflichkeit der Politik.
Direktwahl-Frage
In einer fiktiven Direktwahl hätten 47 Prozent Sebastian Kurz als Kanzler gewählt, alle anderen Kandidaten liegen weit dahinter. Nachdem Strache zurückgetreten ist, hat sich Norbert Hofer als Parteivorsitzender der FPÖ etablieren können. 84% der FPÖ Wähler würden ihn auch zum Kanzler wählen. Ähnlich bei der SPÖ. Vor dem Wahlkampf innerparteilich umstritten, hat die SPÖ-Kandidatin 85 Prozent der SPÖ Wählerinnen überzeugt, dass sie die bessere Kanzlerin wäre.
Koalitionspräferenzen
KoalitionspräferenzenIn der Wahltagsbefragung wurde auch gefragt, welche Parteien nach Meinung der Befragten in der nächsten Regierung vertreten sein sollten.
Neben ihrer eigenen Partei wünschten sich ÖVP-Wähler die NEOS (43%), die FPÖ (34%) und die Grünen (20%) als Koalitionspartner.
Während also nur ein Drittel der ÖVP-Wähler die Fortführung der türkis- blauen Koalition befürwortet, wünschen sich 84 Prozent der FPÖ-Wähler eine Regierung aus ÖVP und FPÖ.
Unter SPÖ-WählerInnen sprechen sich 31 Prozent für eine Zusammenarbeit mit den Türkisen aus, unter NEOS-WählerInnen 71Prozent und unter Grün-Wählern 31 Prozent.
Demokratie, Ibizagate und Parteispenden
63 Prozent sehen die Demokratie als „beste Regierungsform“ („stimme sehr zu“). Das ist um 9 Prozentpunkte weniger als 2017 (72% „stimme sehr zu“) und um 18 Prozentpunkte weniger als 2013.Nur eine Minderheit von 15% der Befragten sieht Ibizagate als „typisch für alle Parteien“, aber 28 Prozent der NichtwählerInnen sind dieser Ansicht.
Unter allen Partei-Deklarierten und in allen soziodemographischen Gruppen ist eine Mehrheit der Ansicht, dass es der Demokratie schade, „wenn Firmen und Einzelpersonen unbegrenzt Geld an einzelne Parteien spenden dürfen“. Insgesamt sind 72 Prozent der Wahlberechtigten dieser Ansicht.
Die Wahltagsbefragung wird von SORA/ISA im Auftrag des ORF durchgeführt, um der Öffentlichkeit am Wahlabend empirisch fundierte Analysen bieten zu können: Befragung unmittelbar vor der Wahl, Zufallsstichprobe und soziodemographische Gewichtung, um diewahlberechtigte Bevölkerung repräsentativ abzubilden; endgültige Gewichtung mit der Hochrechnung am Wahltag, um dem
Endergebnis so nahe wie möglich zu kommen. Befragungszeitraum: 25. September nachmittags bis 29. September 2019 mittags
Durchführung der Interviews: ipr – Umfrageforschung Dr. Richard Költringer Stichprobe: n=1.226, nach Gemeindegröße vorab geschichtete ZufallsauswahlSchwankungsbreite: für n=1.200 maximal +/-2,8%
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