Der Erinnerung auf der Spur im Vierten
Ein Forscherteam hat sich auch auf der Wieden auf die Spurensuche nach Erinnerungszeichen für die Opfer des Nationalsozialismus und des Austrofaschismus gemacht.
WIEDEN. 53 Erinnerungszeichen für die Opfer des Nationalsozialismus und des Austrofaschismus gibt es auf der Wieden. Zum Vergleich: In den Nachbarbezirken Margareten und Landstraße sind es 29 bzw. 135. Warum es auf der Landstraße verhältnismäßig viele sind, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass der Bezirk einfach um einiges größer ist als der Vierte. Wieden und Margareten hingegen sind von der Größe her ähnlich, gemessen an den Einwohnerinnen und Einwohnern ist Margareten sogar um rund 20.000 Menschen größer. Nichtsdestotrotz – Orte bzw. Zeichen der Erinnerung gibt es im vierten Bezirk mehr. Dass man das überhaupt zahlenmäßig benennen kann, ist einem engagierten Forschungsteam der Uni Wien zu verdanken - die bz berichtete bereits über das Projekt.
Historiker, Politikwissenschaftler und auch Landschaftsarchitekten waren in dem Team vertreten und haben über zwei Jahre akribisch Erinnerungszeichen aufgespürt und dokumentiert. Ergebnis ist eine interaktive Karte, die zwar bisher noch nicht öffentlich zugänglich ist, aber Politikwissenschaftler Mathias Lichtenwagner, der Teil des Teams ist, hat der bz in seinem Büro einen Einblick in die Karte gewährt. Dabei können verschiedene Ebenen gefiltert werden. Neben einigen Steinen der Erinnerung, die man im ganzen Bezirk, im Boden eingelassen, sehen kann, zeigt die Karte auch Gedenktafeln, die man nicht so leicht entdeckt. Entweder, weil sie sich in Innenräumen oder schlichtweg an schlecht sichtbaren Orten befinden. Oder: Weil sie entfernt wurden. Was nicht heißt, dass sie verschwunden sind. Möglicherweise hängen sie – undokumentiert – an einem anderen Ort, vielleicht sogar in einem anderen Bezirk.
"Unsichtbare" Tafeln
So war ein großer Teil der Forschungsarbeit, solchen Begebenheiten nachzugehen. Lichtenwagner fand etwa heraus, dass eine Gedenktafel – aufgehängt im Jahr 1999 für einen jüdischen Lehrer und Schülerinnen und Schüler, die deportiert wurden – im Jahr 2001 in die HLW10 übersiedelt wurde. Dort hing sie bei der Nachschau 2014 hinter einem Kaffeeautomaten – wer nicht weiß, dass sie da ist, wird sie ziemlich wahrscheinlich nicht finden. Aber auch an großen, namhaften Institutionen im Bezirk lassen sich derartige Zeichen entdecken – manchmal muss man auch dafür ein bisschen genauer hinschauen. Etwa bei der im Jahr 1995 aufgehängten Gedenktafel der Technischen Universität (TU), auf der man sich auch der eigenen Verantwortung bewusst gibt ("Verfolgt – Vertrieben – Ermordet – Dem Gedenken an die Opfer von Rassismus und Faschismus im Bewusstsein der politischen Verantwortung der Technischen Universität"). Aber: Die Tafel muss man erst einmal finden. Sie hängt in einer Vertiefung, in der Wand eingelassen, im Hof 2. Und das ist auch die Kritik von Lichtenwagner: "Wieso hängt man sie nicht in die Aula, wo die Studierenden oft vorbeikommen?" Ja, warum eigentlich nicht?
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