Streit um Gitter und heiße Luft: Die Grünen fordern mehr Solidarität
Gitter sollen ungebetene Gäste vor Supermärkten fernhalten – für Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Neuroth inakzeptabel.
WIEDEN. Bis zu 50 Grad warme Luft kommt aus den Lüftungsschächten vor Supermärkten. Gerade im Winter gelten diese für Obdachlose oder Verkäufer von Straßenzeitungen als willkommene Gelegenheit zum Aufwärmen. Mit dieser Praxis scheint nun in Wieden vorerst einmal Schluss zu sein: Mittels Absperrgittern deklariert man die Lüftungsschächte mehr und mehr zur No-Go-Area.
So geschehen zum Beispiel in der Billa-Filiale am Rilkeplatz. Dort montierte man bereits 2014 eines der Gitter, offziell begründete man das Vorgehen damals damit, dass von den Schächten eine Verletzungsgefahr ausgehe, das Absperrgitter sei daher eine reine Vorsichtsmaßnahme. Nach einer Welle der Empörung, ausgetragen in den Sozialen Medien, entfernte man das Gitter wieder. Seit Anfang Juli befindet sich die Absperrung wieder an Ort und Stelle - massiver und größer.
Zynisches Vorgehen
Für Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Barbara Neuroth ist dieses Vorgehen ein Unding. Es sei "zynisch" und "strikt abzulehnen" Obdachlosen im Winter einen Platz zum Aufwärmen zu verwähren, wo die Wärme doch "im Winter wie Sommer kostenfrei in die Luft geblasen wird". Auch vor einem Supermarkt in der Gußhausstraße brachte man Anfang des Jahres eine solche Absperrung an. In einer Bawagfiliale auf der Favoritenstraße verfuhr man ähnlich, in der Absicht das Sitzen auf der Fensterbank zu verhindern. Und an der Karlskirche installierte man im Frühling Eisengitter um „Partys von Drogensüchtigen“ zu verhindern. In einem Resolutionsantrag fordert Neuroth nun zu mehr Solidarität im Umgang mit Wohnungslosen auf.
Auf bz-Nachfrage, erklärt Neuroth, dass es dabei vor allem darum gehe, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Gerade im Bezirk Wieden sei ein solches Vorgehen anscheinend in Mode geraten, dem wolle man seitens der Bezirkvorstehung entgegenwirken.
Eigentümer ohne Auskunft
Da der Hauseigentümer natürlich auch das Recht am Eigentum besitzt, könne in diesen Fällen nicht mehr gemacht werden, als im Dialog auf eine gemeinsame Lösung zu pochen. Doch dies ist offenbar leichter gesagt als getan. Verantwortlich für die Anbringung von derartigen Vorrichtungen ist nämlich nicht die Supermarktfiliale, sondern der Hauseigentümer. Schon im Jänner versuchte Neuroth den verantwortlichen Eigentümer des Gebäudes in der Gußhausstraße zu kontaktieren – bis heute ohne Ergebnis.
Supermarkt im Recht
Nachgefragt bei der betroffenen Billa Filiale schiebt man die heiße Kartoffel von Einem zum Nächsten. In der Filiale selbst verweist man auf die Gebäudeverwaltung. Diese wiederum verweist auf den Hauseigentümer. Der Hauseigentümer war trotz war trotz mehrmaliger Nachfrage bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Dass Obdachlose nicht immer unbedingt ins Stadt- bzw. Geschäftsbild passen ist auch außerhalb von Wien keine Neuigkeit. Für Empörung sorgte 2014 ein Fall in London, bei dem ein Hauseigentümer Metallstacheln vor seinem Eingang anbrachte um Wohnungslosen dort vom Übernachten abzuhalten. Innerhalb kürzester Zeit unterschrieben 125.000 Londoner eine Petition gegen die Vorrichtung, kurze Zeit später wurden diese abmontiert. Aufmerksamkeit erregte auch die deutsche Supermarktkette Aldi Süd, nachdem sie für rund 70 Filialen ein Aufenthaltsverbot für Verkäufer von Straßenzeitungen erteilte. Juristisch behielt Aldi Süd Recht, die Verkäufer befanden sich auf ihrem Privatgründstück, moralisch jedoch, sei dieses Vorgehen nicht zu rechtfertigen, kritisierten mehrere Organisationen zur Unterstützung von Obdachlosen.
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