Gesundheitsminister im Interview
Anschober: "1.500 Grippe-Tote, und kaum jemand lässt sich impfen"
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko über das Corona-Virus, Ansteckungsgefahren und die "stinknormale" Grippe.
Am Donnerstag traf sich Anschober mit den GesundheitsreferentInnen der Länder. Dabei herrschte Einigkeit über ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen gegen eine Ausbreitung des Coronavirus in Österreich.
RMA: Herr Gesundheitsminister, welche Maßnahmen setzen Sie bei einem Ausbruch?
Rudolf Anschober: Für mich ist die Vorsorge das Entscheidende. Wir haben vor zwei Wochen eine Verordnung zur Einführung einer amtlichen Meldepflicht für Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle durch 2019-nCoV erlassen. Zusätzlich wurde die Verordnung betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen (Absonderungsverordnung), BGBl. Nr. 39/1915, durch BGBl. II Nr. 21/2020, abgeändert. Die Maßnahmen hat die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu verfügen. Damit werden Quarantänemaßnahmen möglich. Mit der Verordnung ist es möglich, nicht nur kranke oder krankheitsverdächtige Personen, sondern auch schon ansteckungsverdächtige Personen, die noch keine Krankheitssymptome zeigen, im Umgang mit anderen Personen zu beschränken.
Einreisende werden ja jetzt mit Fieber-Checks am Flughafen kontrolliert...
Wir arbeiten intensiv mit den europäischen Gesundheitskontrollebhörden zusammen. Wir sind in einem Kontrollsystem eingebettet. Am Freitag findet eine erste Telefonkonferenz mit EU-Gesundheitsministern statt. Solche Maßnahmen auf europäische Ebene zeigen wieder, wie wichtig es ist, als Europa gemeinsam zu agieren. Denn Kontrollen am Flughafen helfen natürlich nicht, wenn ein Infizierter mit Auto anreist. Als Nationalstaat wären wir in einer solch fordernden Situation alleine gelassen.
Sind Grippenmasken ein Thema?
Diese sind aus meiner Sicht keine Lösung. Aber es ist notwendig, dass sie für Gesundheitspersonal, Einsatzkräfte vorhanden sind.
Sie haben eine Paket zum Impfen angekündigt. Was ist da vorgesehen?
Wir wollen die erhöhte Sensibilität, die durch das Coronavirus da ist, dafür nutzen, dass die Bereitschaft, sich über Impfungen zu schützen, wieder erhöht wird. Etwa gegen Grippe. Das Absurde ist: Wir haben einen Impfschutz, der wirksam ist, und haben nur eine acht-bis neun-prozentige Impfrate in Österreich, aber gleichzeitig 190.000 Grippefälle bzw. Grippeähnliche Fälle. Umgekehrt gibt es 28 Erkrankungsfälle durch das Coronavirus in Europa und keinen einzigen in Österreich. Also: 1.500 Tote im Schnitt der letzen Jahre durch Grippe, und kaum jemand lässt sich impfen.
Sie sind geimpft?
Ja, auch wegen der Vorbildwirkung. Hauptmaßnahme wird aber der elektronische Impfass sein. Die Ausrollung erfolgt ab Jahresmitte. Die meisten kennen gar nicht ihre letzte Impfung, da sie den Pass häufig verlegt oder verloren haben. Das wir mit dem neuen einfacher. Außerdem bekommen wir erstmals Daten, wo z.B. die Impfbereitschaft besonders gering ist. Denn bisher haben wir keine konkrete Daten. Was praktisch ist:. Z.b. rund um den 10. Jänner mussten wir einen Grippenarlam auslösen und können in Zukunft dann durch den elektronischen Impfpass Betroffene sofort informieren. So soll ein Bewusstsein entstehen. Ich bin ein großer Freund von Überzeugung, nicht Verboten.
Für bestimmte Berufsgruppen soll trotzdem eine Impflicht kommen?
Das überprüfen wir gerade. Wenn eine Mitarbeiterin jeden Tag 200 Grippefälle zu behandeln hat, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung größer. Hier ist die Freiwilligkeit bei diesen Gruppen aber ohnehin gegeben.
Mehr zum Thema Corona-Virus findest Du hier auf unserer Themenseite.
Weitere Infos zum Thema auch auf der Seite des Sozialministeriums
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.