Interview Birgit Hebein
"Sind der Taktgeber in der Koalition"
Grünen-Spitzenkandidatin Birgit Hebein über Gratis-Öffis und warum sie nicht mit der ÖVP koalieren will.
WIEN. Birgit Hebein wurde am 26. Juni 2019 als Nachfolgerin Maria Vassilakous zur Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung gewählt. Sie möchte bei der Wien-Wahl das bestmögliche Wiener Grünen-Ergebnis erzielen.
Sie fordern ein hochqualitatives Bildungs- und Betreuungssystem. Wie soll dieses aus-sehen?
BIRGIT HEBEIN: Ich finde es schade, dass es in Diskussionen rund ums Bildungssystem immer darum geht, was Kinder nicht können. Wir haben ein sehr gutes Bildungssystem in Wien, das stetig weiterentwickelt wird – wie jetzt mit den Gratis-Ganztagsschulen oder auch mit der "Schule Digital", in die wir 40 Millionen Euro investieren. Der nächste Schritt ist der Chancenindex. Das heißt, dass jene Schulen, die einen besonderen Bedarf an Betreuung und Begleitung, Sozialarbeitern und Unterstützungslehrern haben, diese Unterstützung auch bekommen. Damit wir jedem Kind die Chance geben, seine Stärken zu entwickeln.
Sie wollen für bei der Stadt Beschäftigte die 35-Stunden-Woche einführen und so neue Jobs schaffen. Wie soll das finanziert werden?
Durch Steuergelder, die Stadt Wien und die Bundesregierung. Wien ist der größte Arbeitgeber, wir haben insgesamt 65.000 Bedienstete, darunter vor allem Frauen. 97 Prozent der Kinderpädagogen und 82 Prozent der Pfleger sind weiblich. Mit der Maßnahme könnten wir die Beschäftigten entlasten und gleichzeitig 7.000 Jobs schaffen.
Sie wollen allen Wienerinnen und Wienern ein Jahr das Öffi-Ticket gratis geben...
Viele Menschen müssen wegen der Coronakrise jeden Euro umdrehen. Ein Jahr Gratis-Öffis heißt, wir entlasten Menschen und gleichzeitig tun wir damit auch etwas für den Klimaschutz.
Es gibt grünes Licht für die Stadtstraße. Wie stehen Sie dazu?
Die Stadtstraße ist gekoppelt an eine S1-Spange und eine Außenumfahrung inklusive des Lobautunnels. Da gibt es noch keine Rechtssicherheit. Natürlich braucht es in den Stadtentwicklungsgebieten Straßen. Die Menschen werden nicht über den Acker gehen. Die Frage ist, welche Straßen bauen wir und wie nutzen wir diese – auch für den öffentlichen Verkehr und den Radverkehr. Das ist die entscheidende Frage.
Mit welchen Maßnahmen wollen Sie den Klimaschutz weiter vorantreiben?
Mit jeder Maßnahme, die uns zum Ziel führt, dass Wien zur Klimahauptstadt wird. Raus aus Öl und Gas, weg von Diesel und Benzin. Von einer Energie- und Verkehrswende über neue Technologien und Sanierungen bis hin zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs: Es wird in der Klimafrage immer ein Maßnahmenmix sein. Mein Motto lautet handeln.
Wie stehen Sie zum Vorschlag von Neos, zwecks Abkühlung der Stadt die Bäche wieder an die Oberfläche zu holen?
Dazu muss man wissen, wir haben nur ein Kanalsystem in Wien, in das alle Abwässer hineinfließen. Diesen Vorschlag muss man sich sehr grundlegend anschauen. Was heißt das für eine Stadt mit unserem Kanalsystem? Ist es technisch überhaupt möglich, dieses zu reinigen? Es ist eine sehr teure Idee, weil die Gegebenheiten in Wien nicht ideal sind. Aber mein Motto bleibt immer gleich: Alles, was dem Klimaschutz dient, muss man sich genau ansehen.
Auf Wien-Ebene schließen Sie eine Koalition mit den Türkisen aus. Warum?
Seit zehn Jahren ist Wien die lebenswerteste Stadt. Seit zehn Jahren gibt es Rot-Grün. Ich halte das für keinen Zufall. Und ich bin nicht offen für irgendwelche anderen Experimente. Es ist klar, wer Erster sein wird und dass es am 11. Oktober darum geht, ob es mit uns Grünen in Richtung Zukunft – denn wir sind der Taktgeber in der Koalition – oder mit der ÖVP in Richtung Vergangenheit geht.
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