Intersexualität und trans* (transgender, transident, nichtbinär)
Offener Brief gegen die Diskriminierung von trans* und intergeschlechtlichen Menschen
Dieser Tage wenden sich über 50 Organisationen in einem offenen Brief anlässlich des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie an die zuständigen Regierungsspitzen.
Im Jahr 2021 werden zahlreiche trans* und inter*Personen noch immer in Österreich aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, ihrer Geschlechtsmerkmale und ihres Geschlechtsausdruckes diskriminiert. Diese Diskriminierung erfahren trans*, inter* und nicht-binäre Personen nicht nur im Alltag, sondern auch in rechtlichen Ungleichbehandlungen.
Aus diesem Grund haben sich mehr als 50 Organisationen auf die Initiative der Vereine HOSI Wien, VIMÖ, TransX und Aids Hilfe Wien anlässlich des Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (IDAHOBIT) am 17. Mai zusammengefunden und formulierten einen offenen Brief an die zuständigen Regierungsmitglieder Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler und Innenminister Karl Nehammer.
Transidente, trans*geschlechtliche, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen sehen sich noch immer mir bürokratischen Hürden konfrontiert, wenn sie selbstbestimmt in ihrem Wunschgeschlecht leben möchten. Denn der Personenstand ist in Österreich nicht frei und selbstbestimmt wählbar. Möchte ein Mensch seinen Personenstand ändern, so benötigt er pathologisierende Diagnosen und psychiatrische Gutachten, die der betroffenen Person eine psychische Erkrankung ausstellen. Die strikte Regulierung des Zugangs zu trans*spezifischen Behandlungen durch psychologisch-psychiatrische Begutachtung, steht in der Kritik von Trans*Organisationen. Transsexualität hat nämlich nichts mit einer psychischen Erkrankung zu tun. In Österreich dürfen Transmenschen heute auch ohne körperliche Behandlungen (wie Hormone, Operationen) ihren Personenstand ändern. Dazu sind allerdings psychologische Begutachtungen nötig, was viele trans* Menschen als Bevormundung empfinden, weil sie selbst darüber entscheiden möchten, wie sie leben. Sie fordern mehr Selbstbestimmung über ihren Körper und medizinische Behandlungen.
Der offene Brief fordert daher:
"· Freie Personenstandswahl ohne bürokratische Hürden – jeder Mensch muss durch Selbstauskunft in dem Geschlecht anerkannt werden, in dem er lebt!
· Zugang für transidente und nicht-binäre Personen zu den Einträgen „inter“, „divers“, „offen“ und „kein Eintrag“.
· Schluss mit der Pathologisierung intergeschlechtlicher und trans*Personen – Ende der Gutachtenpflicht.
· Anerkennung darf nicht zu finanziellen Belastungen und in weiterer Folge zu Schulden führen – kostenfreie Neuausstellung von Dokumenten und Abschaffung der Gebühren für Personenstands- und Vornamensänderungen“
Der gesamte Offene Brief und die unterzeichnenden Organisationen finden sich hier:
https://www.transx.at/Dokumente/Offener%20Brief%202021.05.pdf
Rückfragehinweise:
TransX: Eva Fels, transx@transx.at 0680/2414748
VIMÖ: Tinou Ponzer, info@vimoe.at, +43 732 28700210
HOSI Wien: Ann-Sophie Otte, anso.otte@hosiwien.at, 0678/1312356
Exkurs: Trans*Identitäten und deren Pathologisierung durch die Psychiatrie
Bedauerlicherweise wurde früher Transidentität als psychische Erkrankung verstanden, weil nur eine Minderheit aller Menschen trans* ist und Transidentität daher nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Die Psychologie und Psychiatrie war hier jahrzehntelang äußerst unreflektiert und hat Norm mit Gesundheit bzw. Krankheit gleichgesetzt. Auch heute noch wird in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) Transsexualität irrtümlicherweise noch als psychische Erkrankung genannt. Dies wird sich in Zukunft ändern.
Wenn Trans*Menschen unter Depressionen, Angststörungen oder anderen psychischen Symptomen leiden, dann sind das häufig reaktive Folgen auf schwierige Lebensumstände, Mobbing, Diskriminierung und soziale Stigmatisierung. Wird einem Kind die Transidentität verboten, so beginnt sich dieses für sein trans*-Sein zu schämen, seine trans*Geschlechtlichkeit zu unterdrücken und sich selbst abzulehnen. Es kommt zu starken innerseelischen Konflikten, die jedoch nichts mit der Transidentität zu tun haben, sondern eine Folge der Unterdrückung und Diskriminierung sind.
Viele transidente und transgender Menschen sind sogar sehr belastbar und entwickeln sich trotz gesellschaftlicher Widerstände zu starken Persönlichkeiten.
Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision
(Logotherapie und Existenzanalyse)
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