Viel zu sehen gab es im Stadtarchiv beim Tag des Denkmals im Zeichen der "großen Töchter"

Mag. Klein (Bild) und Ingrid Riegler vom Stadtmuseum, sowie Mag. Schmitner vom Stadtarchiv erzählten Geschichte im stimmungsvollen Rahmen sehr lebendig
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  • Mag. Klein (Bild) und Ingrid Riegler vom Stadtmuseum, sowie Mag. Schmitner vom Stadtarchiv erzählten Geschichte im stimmungsvollen Rahmen sehr lebendig
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Wiener Neustadt: Anlässlich des 300. Geburtstages von Kaiserin Maria Theresia stand der Tag des Denkmals ganz im Zeichen der "großen Töchter". Österreichweit fanden im Zuge dieses Veranstaltungszyklus Ausstellungen statt, so auch im Stadtmuseum Wiener Neustadt, dem ich mit zahlreichen Interessen beiwohnen durfte. Aber nicht nur die "großen Töchter" der höchsten gesellschaftlichen Schichten sind von Interesse, so wie dies bei der genannten Kaiserin und Begründerin der Militärakademie zu Wiener Neustadt der Fall war, sondern zunehmend ist die Erforschung der "Geschichte von unten" im Brennpunkt des Interesses, wie dies auch im Stadtarchiv demonstriert wurde....

Das Stadtarchiv - eine unbekannte Größe

Das als Veranstaltungsort dienende Archiv hat als ehemalige Jesuitenresidenz hat zwar bereits eine 280-jährige Geschichte vorzuweisen, der jetzigen Bestimmung wurde es erst im Zuge der 800-Jahr-Feier der Stadt 1994 übergeben. Zuvor erfüllte seit den 1960er-Jahren St. Peter/Sperr diesen Zweck.
Ursprünglich waren die Bestände des Wiener Neustädter Archivs, welches bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts urkundlich erwähnte wurde, im Südturm des Domes untergebracht. Da der göttliche Schutz allein nicht vor ungewollten Zugriffen schützte, dienten in der Folge Räumlichkeiten der Sammlung, die auch unter weltlichem Schutz standen. Die dann im Rathaus untergebrachten Beständen wurden im 18. Jahrhundert vom Pauliner Ordenspriester Mathias Fuhrmann geordnet. 1943 wurde der Bestand nach Seebenstein ausgelagert, um diesen der Bedrohung durch Bombenangriffe zu entziehen, ehe er wieder in den 1960 mit dem bereits erwähnten Kloster St. Peter/Sperr in seine Heimat zurückkehren durfte.
Mit über 700 Urkunden verfügt das Neustädter Archiv über die größten Bestände aller niederösterreichischen Stadtarchive. Nicht nur die Quantität, auch die Qualität ist enorm: So ist die älteste Urkunde, das Mautprivileg des Babenberger-Herzogs Friedrich II. des Streitbaren als ältestes Dokument der Sammlung mit dem Jahr 1239 datiert. Aber auch der historische Buchbestand (beginnend im 15. Jh.; darunter die Ratsprotokolle), die historische Pläne (beginnend mit dem 16. Jh.), der Aktenbestand des Magistrats vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, sowie der umfangreiche Zeitungs- und Zeitschriftenbestand, das Fotoarchiv mit über 130 000 Fotos und das von der Bundespolizei übernommene historische Meldearchiv (19. Jahrhundert bis 1945) sind neben zahlreichen persönlichen Nachlässen von großem (historischem) Wert, was nicht vielen Wiener Neustädterinnen und Wiener Neustädtern bekannt sein dürfte.
Im Zuge des "Tages des Denkmals" wurden Dokumente und Vorträge seitens Mag. Klein und Ingrid Riegler vom Stadtmuseum und Mag. Sabine Schmitner vom Stadtarchiv gehalten, unter anderem zu:

Afra Schick - eine Kräuterfrau wird als Hexe am Scheiterhaufen verbrannt

Vielen Wiener Neustädterinnen und Wiener Neustädtern ist Afra Schick bekannt, einer Kräuterfrau und Kleinhäuslerin, die mit ihrem Wissen manch Mensch und Tier geheilt haben soll. Geboren in Mariazell lebte Sie 30 Jahre in Bromberg in der Schlatten, das zur Herrschaft Kirchschlag gehörte. Auf der einen Seite hatten die Menschen Respekt Ihrer Fähigkeiten wegen, doch herrschte auch Misstrauen, woher Sie denn Ihre Fähigkeiten erworben hatte.
In einer Gesellschaft, die erst 1878 den Frauen die Ablegung der Matura gestattete bzw. erst auf allerhöchsten kaiserlichen Befehl seit 1896 die Nostrifizierung von im Ausland erworbenen Doktortiteln zugestand, konnte diese Konstellation verheerende Folgen haben. Medizinischen Wissen wurde überhaupt als den Frauen nicht zuträglich erachtet, da Sie "über einen zu kleinen Kopf, und somit auch ein zu kleines Gehirn" verfügten, um die Medizin zu erlernen bzw. dieser gerecht zu werden, wie dies noch Ende des 19. Jahrhunderts von Spitzen der Medizin postuliert wurde. So verwundert es nicht, dass mit Gabrielle Possanner von Ehrenthal erst 1897 die erste Frau Österreichs zum "Dr. med. univ." promovieren durfte.
Zum Verhängnis wurde Afra Schick, die in der Gegend bis in das heutige mittlere Burgenland einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben hatte, dass Sie über 2 Kristalle verfügte, mit denen Sie Krankheitsursachen und die Zukunft lesen konnte. Der Besitz derselben war aber nach der Rechtsordnung verboten, sodass der Verwalter der Herrschaft Ihr die Kristalle abnehmen sollte. Diese weigerte sich jedoch und als der Gesandte unverrichteter Dinge zurückkehrte und beim Heimritt einen Rheumanfall erlitt (und auch kurze Zeit später verstorben sein dürfte), verdichteten sich die Gerüchte, dass (nicht nur) dessen Schicksal durch die Zauberkünste von Afra Schick beeinflusst worden sein dürfte. Als dann noch ein gewisser Michael Gsöllner, der in Wiener Neustadt in Haft saß, behauptete, durch Sie zur Zauberei gefunden zu haben, war die Beweislast der damaligen Rechtsprechung nach erdrückend. Afra Schick wurde einer "peinlichen Befragung" unterworfen, wo Ihr zuvor - entgegen der damaligen Judikatur für über 60-jährige Menschen - die Folterinstrumente präsentiert und unter Androhung der Nutzung derselben ein Geständnis entlockt werden konnte. Am 11. Dezember 1671 wurde Sie dann vor dem Wiener Tor in der Nähe der "Spinnerin am Kreuz" verbrannt. Michael Gsöllner entkam der vorgesehenen Enthauptung nur, weil er bereits vorher im Gefängnis verstorben war.

Berta Merstallinger - eine Gemeinderätin im Zeichen des Krieges und der Hungersnot

1918 zogen 3 Frauen in den neuen republikanischen Gemeinderat der Stadt Wiener Neustadt ein: Julia Rauscher für die Sozialdemokraten, die mit Anton Ofenböck bis zum Bürgerkrieg 1934 auch den Bürgermeister stellten, Rosina Koschi für die Christlich-Sozialen und Berta Mestallinger für die Deutsch-Nationale Partei. Berta Merstallinger hatte sich beim "Verband deutscher Hausfrauen Österreichs, Ortsgruppe Wiener Neustadt" Verdienste um die Organisation von Lebensmitteln für die Mitglieder erworben. Vor dem Hintergrund des 1. Weltkrieges, der nicht wie ursprünglich erwartet ein "kurzes reinigendes Gewitter" geworden war, sondern zum Weltkrieg mit ca. 9 Mio. Toten mutierte (davon 1,2 Mio. in Österreich-Ungarn), war die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmittel von essentieller Bedeutung. Die nicht erwartete Kriegsdauer, die Blockade der sogenannten Entente-Mächte Großbritannien, Frankreich und Italien und der somit der nicht mehr mögliche Zugriff auf Handelsrouten, die nur zögerlich organisierte Rationalisierung und der Verlust von Arbeitskräften an die Front stellten die Familien im Hinterland vor besonders schwierige Versorgungsverhältnisse.
Die bereits vor dem ersten Weltkrieg gegründeten bürgerlichen (Konsum-)Organisationen ROHÖ (Reichsverband der Hausfrauen Österreichs) richtete sich ursprünglich gegen die steigenden Lebensmittelteuerung. Weil jedoch viele Mitglieder den ROHÖ zu sehr dem traditionellen Rollenbild verpflichtet sahen, spaltete sich während der Kriegsjahre der "Verband deutscher Hausfrauen Österreichs" ab. Berta Merstallinger wurde zur Vorsitzenden-Stellvertreterin des Verbandes und als einzige Frau in die lokale Preisprüfungsstelle berufen. Diese sollte die Einhaltung der staatlichen Preisvorschriften kontrollieren, gegebenenfalls zur Anzeige bringen und somit dem Wucher vorbeugen. Weitere Mitglieder waren Stadtthaltereirat i.R. Franz Richter, der deutschnationale Stadtrat Franz Bauer, der christlich-soziale Stadtrat Dr. Karl Prokopp, der sozialdemokratische Stadtrat Theodor Wutscher, der Direktor des Neustädter Schlachthofes Ludwig Kohlfürst und der Lichtenwörther Mühlenbesitzer Hans Hofer. Die Verdienste von Berta Merstallinger in dieser schwierigen Zeit wurden durch den damals noch nicht üblichen Einzug einer Frau in den Gemeinderat der Stadt nach Kriegsende gewürdigt.
Ein besonderer Dank gilt Mag. Eveline Klein, Ingrid Riegler, Mag. Sabine Schmitner und Dr. Gerhard Geissl für die Mühen für diesen Tag, aber auch persönlich für die Verfügungstellung von Informationen zu meinem Bericht!

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