Vier Pflegekräfte vor Gericht
Prozessbeginn im Pflegeskandal

Staatsanwältin Barbara Kirchner im Pflegeprozess  | Foto: Ilse Probst
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Der Prozess gegen vier ehemalige Pflegekräfte des Pflegeheimes "Clementinum" hat heute, am 16. September begonnen.

KIRCHSTETTEN/ST. PÖLTEN. Der erste von acht anberaumten Prozesstagen des Pflegeskandals gegen die vier angeklagten Pflegekräfte hat heute Morgen, am 16. September 2020 begonnen. Die Verlesung der Anklagepunkte von Staatsanwältin Barbara Kirchner, löste aufgrund des Schweregrades Betroffenheit aus. Von der Staatsanwaltschaft den Angeklagten zur Last gelegt werden mehrere Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen, das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs wehrloser oder psychisch beeinträchtigter Personen, Körperverletzung und Urkundenfälschung, wobei ein Strafmaß bis zu zehn Jahren Haft im Raum steht. Bis zu einer eventuellen rechtskräftigen Verurteilung gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung. 

Angeklagter bekennt sich  "Nicht schuldig"

Zu der Anklage erklärte der 30-jährige diplomierte Pfleger laut, dass er sich "Nicht schuldig" bekennt. Verteidiger, Stefan Gloß, der die vier Pflegekräfte, den 30-jährigen Mann, und drei Frauen im Alter von 55, 53 und 34 Jahren vertritt, legt in seinem  Eingangs-Plädoyer der Staatsanwältin Ermittlungsfehler zur Last.  Darüber hinaus hätten seine Mandanten erst jetzt die Möglichkeit sich zu äußern, was die vorsitzende Richterin, Doris Wais-Pfeffer mit dem Hinweis auf die schriftlichen Aussagen der Angeklagten zurückwies.  Gloß erklärte, dass die wiederhergestellten Inhalte des damaligen WhatsApp-Verlaufs nur teilweise richtig seien, wobei diverse Äußerungen den Angeklagten die Möglichkeit gaben, sich hinsichtlich der massiven psychischen Belastung abzureagieren. Zu den elf Exhumierungen erklärte der Verteidiger, dass diese medienwirksam auf eventuelle Tötungsdelikte untersucht worden seien, aber nichts dabei herausgekommen sei. 

Das war zynisch gemeint

Bei der Einvernahme durch Richterin Doris Waiß-Pfeffer, die den 30-Jährigen mit den  menschenverachtenden Chat-Protokollen konfrontierte, erklärte  der Beschuldigte mehrmals, dass dies nur zynisch gemeint oder Spaß gewesen sei. So gratulierte er zum Beispiel einer neuen Kollegin bei deren Dienst zwei Menschen verstarben, zur bestandenen Aufnahmeprüfung und ergänzte mit "hahaha." Da der Beschuldigte neben seiner Tätigkeit als diplomierter Pfleger auch 20 Stunden als Pflegeberater tätig war, fragte Wais-Pfeffer: "Sie sind doch Pflegeberater - und dann äußern sie sich so?, antwortete der Angeklagte: "Das war die Situation, das war zynisch gemeint und nur Spaß." Wais-Pfeffer weiter: "Gibt es da auch eine andere Gesprächsbasis oder ist das immer auf diesem Niveau?", darauf der Pfleger: "Das ist immer das Niveau."
Den Vorwurf, Abführmittel an Heimbewohner verabreicht zu haben, auch bei Kollegen, die nicht gemocht wurden, bestritt der Angeklagte.  Gegen Mittag wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitere Anklagepunkte bezüglich des sexuellen Missbrauchs behandelt. 

10.000 Euro für Rufschädigung des Heimes

Privatbeteiligtenvertreter Carsten Koller, der darauf hinwies, dass das Vertrauen der Angehörigen massiv erschüttert sei, forderte für seine Mandanten 6.000 Euro. Das Pflegeheim "Clementinum" in Kirchstetten beantragte 10.000 Euro wegen Rufschädigung. Privatbeteiligtenvertreter Michael Sedlacek, der dem Vortrag der Staatsanwältin fassungslos zugehört hatte, fordert 2.000 Euro. 

Rückblick: Die Bezirksblätter berichteten

Nachdem die Causa im Oktober 2016 aufgrund der Anzeige seitens der Heimleitung ins Rollen kam, erschütterten die Vorwürfe gegen einen diplomierten Krankenpfleger und seine Kolleginnen die Öffentlichkeit, zumal es sich bei den Opfern um mehrere Bewohner des Pflegeheims gehandelt habe, die aufgrund von Gebrechlichkeit, Krankheit oder geistiger Behinderung, meist bedingt durch ihr hohes Alter, sadistischen Grausamkeiten ausgesetzt und großteils nicht in der Lage gewesen seien, sich zu artikulieren.
Zwei Pflegekräfte, die mit den Gegebenheiten und ihren Beobachtungen auf der Station völlig überfordert waren, wendeten sich an die Heimleitung. Von den ursprünglich fünf Beschuldigten müssen sich nun ein Mann und drei Frauen, die sich bis jetzt nicht schuldig bekennen, den Vorwürfen vor Gericht stellen, wobei die zunächst im Raum stehenden Tötungsdelikte durch die Exhumierungen der Leichen nicht mehr zur Debatte stehen.

WhatsApp Verlauf hergestellt

Die Anklage beruht überwiegend auf den Aussagen mehrerer Belastungszeugen, die ihre Beobachtungen zu Protokoll gaben. Ein forensischer IT-Spezialist konnte darüber hinaus die gelöschten Chat-Protokolle einer WhatsApp-Gruppe, der unter anderem die vier Angeklagten angehörten, wieder herstellen. Auszüge aus den Beiträgen könne man, laut Staatsanwaltschaft, den genannten Beobachtungen zuordnen.

"Master of Death"- Pfleger

Als Quälen qualifiziert ist dabei unter anderem, dass man Heimbewohnern den eigenen Kot in den Mund gesteckt und über das Gesicht geschmiert haben soll, um "Restmüll zu sparen", ihnen mit der Bemerkung "stinkende Sau" Franzbranntwein in Mund und Augen verteilt, oder Fotos von den Opfern gemacht habe, nachdem man sie schrecklich geschminkt und bekleidet habe.
Neben Gewalttätigkeiten, wie Faustschlägen, soll es auch zu dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen gekommen sein, wobei der Pfleger, der sich selbst als "Master of Death im Haus" bezeichnet haben soll, tatenlos zusehendes Publikum gehabt habe. Laut Chat-Protokoll habe es sich bei den Opfern ja nur um "Kreaturen, die übrig geblieben sind" gehandelt.

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