Österreichs politisches System - zerbröselt
Österreich hat gewählt und das bisherige politische System ist zerbröselt. Das ist der Tenor der gestrigen Wahl zum Bundespräsidenten.
Revolutionen finden also doch statt. Zumindest in Österreich. Wie auch die meisten Umfragen im Vorfeld ergeben haben, ist das politische System Österreichs seit 1945 zusammengebrochen.
An sich sind ja die BP-Wahlen nicht von besonders großer Bedeutung, doch diese Wahl hat mehr als nur symbolische Kraft: Weil beide Kandidaten der Regierungsparteien mit rund 10 % der Stimmen ein erbärmliches Ergebnis erreichten. Nur der Polit-Kasperl Richard LUGNER war noch weiter abgeschlagen. Das nur zum Trost.
Wer also der nächste Bundespräsident in Österreich wird, machen sich Ing. Norbert HOFER, Burschenschafter und strammer rechter FPÖ-Mann und der "unabhängige" Dr. Alexander VAN DER BELLEN, langjähriger Chef der Grünen, aus. Jedoch - und das ist die Krux - der rechte Wahlsieger fuhr mit mehr als einem Drittel der Stimmen das beste Ergebnis der FPÖ seit ihrem Bestehen ein.
Die beiden Kandidaten der sog. "großen" Parteien, Rudolf HUNDSTORFER und Dr. Andreas KHOL - durchaus beide honorige und verdiente Politiker - sind mit diesem Ergebnis gescheitert. Dies liegt natürlich auch am insgesamt schlechten Image der derzeitigen Regierung in der Bevölkerung: Die Arbeitslosigkeit steigt, der Umgang mit den Flüchtlingen spaltet das Land, ein klarer Wirtschaftskurs ist ebenfalls nicht zu erkennen.
Was also zu einer Persönlichkeitswahl werden sollte, entwickelte sich zunehmends zu einer durchaus wütenden Abrechnung der Bevölkerung mit dem herrschenden politischen Establishment.
Die Sozialdemokratie ist genauso wie die ÖVP in den letzten Jahren immer mehr erodiert. Die gesamte Macht und natürlich auch die Posten wurden fein säuberlich zwischen den (ehemals) großen Parteien aufgeteilt. Und das seit 1945. Ein Staatsoberhaupt, das nicht aus diesen Reihen kommt, war bis vor kurzem noch undenkbar.
FPÖ-Strache sieht natürlich schon eine rechtspopulistische Ära heraufdräuen. Sein Kandidat geht jedenfalls als klarer Kandidat ins Rennen. Mit einem entschlossenen Anti-Islam-Wahlprogramm hat er wohl den Nerv der ÖsterreicherInnen getroffen.
In den nächsten vier Wochen wird es wohl zu einem erbitterten Lagerwahlkampf zwischen Blau und Grün kommen.
Auf der einen Seite der Wirtschaftsprofessor, ein nachdenklicher, älterer Herr, der quasi aus dem Ruhestand hervorgeholt wurde, hoher Symphatiewert inklusive.
Er sagte bei der Wahlauseinandersetzung, dass er keinen Kanzler Strache angeloben würde. Das war sein Alleinstellungsmerkmal.
Auf der anderen Seite ein strammer Rechtspopulist, in dem auch viele den "Wolf im Schafspelz" erblicken.
Es wird sicherlich eine spannende Auseinandersetzung von zwei an und für sich unversöhnlichen und nicht kompatiblen Gruppen mit gänzlich unterschiedlichem politischen Background.
Parallel dazu wird bei den Altparteien eine Art Selbstzerfleischungsprozess einsetzen. Wetten? Zu gross ist die Demütigung und Blamage. Schuldige müssen her. Zwar sind die nächsten Nationalratswahlen erst 2018, doch das derzeitige politische Gefüge ist äußerst fragil. Und gerade die ÖVP hat ja massenweise Erfahrung in der Demontage ihrer Vorsitzenden.
Bleibt also die alles entscheidende Frage: Will Österreich einen rechten Präsidenten mit der dazugehörigen - auch internationalen - Begleitmusik?
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