Er überquert im Cockpit die Alpen

Gespräch im Park: WOCHE Lavanttal-Redaktionschefin Petra Mörth traf Berufsoffizier Markus Megymorez, Heerespilot bei der Hubschrauberstaffel in Aigen, in den "verbotenen Gärten" in St. Andrä | Foto: WOCHE
3Bilder
  • Gespräch im Park: WOCHE Lavanttal-Redaktionschefin Petra Mörth traf Berufsoffizier Markus Megymorez, Heerespilot bei der Hubschrauberstaffel in Aigen, in den "verbotenen Gärten" in St. Andrä
  • Foto: WOCHE
  • hochgeladen von Petra Mörth

WOCHE:Hubschrauber im Spielzeugformat lassen Bubenherzen höher schlagen. Wann begann in Ihnen der Wunsch, Hubschrauberpilot beim Bundesheer werden zu wollen, zu reifen?
MARKUS MEGYMOREZ: Die Fliegerei an sich war für mich vorher schon interessant, aber der Wunsch, Hubschrauber zu fliegen, entwickelte sich erst als Passagier in der Luftlandeausbildung als Einjährig-Freiwilliger.

"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein", sang Reinhard Mey in den 1970er-Jahren. Wie fühlt es sich tatsächlich da oben an?
Ich fliege mittlerweile seit 15 Jahren Hubschrauber des Typs Alouette III, da hat sich natürlich in der Zwischenzeit eine Berufsblindheit eingestellt. Es toppt aber trotzdem immer wieder etwas, das ist das Hubschrauberfliegen im Gebirge. Das sind einfach wunderschöne Eindrücke, die man über 2.000 Meter Seehöhe gewinnt. Es ist immer ein Risiko dabei, deshalb muss man stets mit Respekt dabei sein, aber das heißt nicht, dass man es nicht hin und wieder genießen kann. Das, was mich bis jetzt noch immer fasziniert, sind Sonnenaufgänge in der Luft, besonders über dem Gebirge. Sonnenuntergänge sind auch schön, aber Sonnenaufgänge — wenn man aus dem Nachtflug heraus kommt, die Sonne mit ihrem Farbspiel aufgeht, der Tag im Gebirge anbricht, dann funkeln die Augen bis heute.

Welcher Flug mit den Hubschraubern des Bundesheeres blieb Ihnen bis heute ganz besonders in Erinnerung?
Da kann ich zwei Flüge aus der Katastrophenhilfe anführen. Als es vor einigen Jahren im Herbst relativ schnell geschneit hat, befanden sich in Oberkärnten die Tiere der Bauern noch auf der Alm. Wir haben damals die eingeschneiten Schafe vom Berg geholt, indem wir einen Flugretter abgesetzt haben, der mit den Besitzern die Läufe der Schafe zusammengebunden hat, damit wir dann mehrere Tiere in ein Netz geben konnten, um mit ihnen schließlich so ins Tal hinunter zu fliegen. In exponierterer Lage hat sich der Flugretter ein Schaf vorne auf die Brust gebunden und wir haben ihn mit der Rettungswinde des Hubschraubers herauf geholt und dann beide hinunter ins Tal gebracht. Zugleich flogen wir auch Heuballen auf die Alm, damit das Rotwild ein Futter hatte und nicht die Rinder der Bäume beschädigte. Ein 75-jähriger Bauer, dem ich die Heuballen zu seiner Futterstelle bzw. Futterhütte geflogen habe, hat mir danach gesagt, dass er uns so dankbar ist, weil alleine hätte er das nicht mehr geschafft. Dabei hatte er Tränen in den Augen.

Was hat den anderen Einsatz für Sie so unvergesslich gemacht?
Im Winter 2012 hat sich im Auslandseinsatz in Sarajewo eine Schneekatastrophe ereignet. Wenn es in Bosnien schneit - die Bosnier sind so wie die Kroaten Schnee nicht gewöhnt - sind ganze Täler wochenlang von der Umwelt abgeschnitten. Eine Familie aus Sarajewo wollte damals ihrem Onkel am Land aufgrund der im Wetterbericht angesagten Schneefälle noch eine Verpflegung bringen. Zwei ältere Männer im Alter von 55 und 65 Jahren haben sich mit zwei Kindern mit dem Auto auf den Weg gemacht. Es hat so stark geschneit, dass sie eingeschneit wurden. Es ging weder nach vorne noch nach hinten noch etwas weiter, sie steckten mit ihrem Fahrzeug fest, haben den Schnee mit bloßen Händen weggebuddelt, um in der Not ein an dieser Hangstraße zuvor passiertes betoniertes Häuserl zu erreichen. Der Schnee war aber fast eineinhalb Meter hoch. Das Auto war tags darauf fast gar nicht mehr zu sehen. Am nächsten Tag wollten sie weitergehen, haben noch einmal 500 Meter vom Auto weg in die andere Richtung gegraben, bis wir ihnen zur Hilfe gekommen sind. Wir vom Bundesheer hatten den Auftrag gehabt, Menschen, die Hilfe brauchten, zum Beispiel Dialysepatienten, ins Kran- kenhaus zu fliegen. Ich habe die vier Personen geholt. Als wir bei uns im Camp gelandet sind, drückte mir der 65-Jährige ein Busserl auf die Wange. In den Augen dieses Mannes war so eine Dankbarkeit zu sehen, weil er gewusst hat, dass es nach zwei weiteren Nächten draußen wahrscheinlich nicht so gut für sie ausgesehen hätte.

Welcher Schutzengel begleitet Sie auf Ihren Flügen als Heerespilot?
Es ist ein Maskottchen. Ich habe einen Kärntner Löwen aus Stoff, der fliegt immer bei mir im Hubschrauber mit.

Seit Juni steuern Sie als Bezirksobmann den Abwehrkämpferbund im Lavanttal in die Zukunft. Warum engagiert sich ein nicht einmal 40 Jahre alter Mann für ein fast 100 Jahre zurück liegendes Ereignis?
Mein Urgroßvater war ein aktiver Abwehrkämpfer im Lavanttal. Im Bezirk Wolfsberg hat es rund 2.000 Abwehrkämpfer gegeben, zirka 60 Lavanttaler haben damals ihr Leben verloren. Als Traditionsträger möchte ich das weiterbringen. Andererseits macht genau das den Reiz aus, dass sich diese Ereignisse von 2018 bis 2020 zum 100. Mal jähren. Das ist schon ein Motor für mich, dass man der Bevölkerung bewusst macht, welche Auswirkungen es gehabt hätte, wenn das damals anders ausgegangen wäre. Die Staatsgrenze würde heute südlich von St. Andrä ̈verlaufen, das Gebiet bis Lavamünd wäre nicht mehr bei Österreich, wenn die Abwehrkämpfer nicht für ihre Heimat eingestanden wären. Außerdem bin ich ein Verfechter davon, dass man nicht nur kritisieren soll, sondern auch selbst Verantwortung übernehmen muss. Und Alter ist keine Voraussetzung für die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen.

"Es ist höchst an der Zeit den Kärntner Abwehrkämpferbund aus dem Dornröschenschlaf zu holen", haben Sie bei Ihrer Antrittsrede gesagt. Was schwebt Ihnen vor?
Ich glaube, dass sich gerade die nächsten drei Jahre anbieten, um verschiedene Projekte ins Leben zu rufen, mit denen man die Situation der Menschen von 1918 bis 1920, aufarbeiten kann. Für das Jahr 2020 schwebt uns ein großes Projekt vor, in dessen Rahmen wir die Demarkationslinie, die durch das Lavanttal gezogen war, entlang der Verkehrsrouten symbolisch darstellen wollen, sodass man sich, wenn man dann vorbeifährt, ins Gedächtnis rufen kann, wo die Grenze gewesen wäre.

Für Sie hat Heimat eine große Bedeutung. In der Vogelperspektive sieht St. Andrä klein aus. Wo spüren Sie Heimat besonders intensiv?

Ich fühle mich daheim, wo ich mich wohlfühle. Es gibt viele Orte, an denen ich mich wohlfühle, oder gesellschaftliche Begegnungen, bei denen ich mich wohlfühle. Aber es gibt trotzdem noch einen Punkt, wo ich mich am wohlsten fühle, das ist einfach das Lavanttal, weil ich da aufgewachsen bin.

Fliegen ist Ihre Leidenschaft. Am Boden sind Sie mit dem Motorrad unterwegs. Liegen Sie manchmal auch nur auf der Couch?
Natürlich. Einfach einen ganzen Tag nichts machen, ist hin und wieder auch ganz gut. Aber zwei Monate lang wäre das nichts für mich.

Interview: Petra Mörth

Zur Person:

Name: Markus Megymorez
Geburtstag: 23. März 1981
Wohnort: St. Andrä
Familienstand: ledig
Beruf: Berufsoffizier beim Österreichischen Bundesheer (ÖBH), Militärpilot bei der Hubschrauberstaffel Aigen im Ennstal
Hobbys: Sportfliegen, Motorradfahren, Mountainbiken

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.