Denkmalschutz in Wien: Toilettenanlage ja, Jugendstilvilla nein

Zeitreise: Am Schubertring 14 kann man unter dem 1954 errichteten Häuschen auf die Straßenbahn warten. | Foto: Bundesdenkmalamt
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  • Zeitreise: Am Schubertring 14 kann man unter dem 1954 errichteten Häuschen auf die Straßenbahn warten.
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WIEN. 3.258 Objekte stehen derzeit in Wien unter Denkmalschutz. Für die meisten Wiener trotzdem zu wenig. Jeder Abriss eines Gründerzeithauses wie am Wiedner Gürtel 16 im 4. Bezirk oder auf der Hietzinger Hauptstraße 100-102 im 13. Bezirk lässt die Wogen bei Anrainer und Denkmalschützer hoch gehen. Auch die geplante Aufstockung des Winterthurgebäudes neben der Karlskirche oder der angedachte Bau eines Wohnturmes am Heumarkt auf dem Areal des Eislaufvereins, der sogar unser UNESCO-Weltkulturerbe in Frage stellen könnte, sorgt für hitzige Diskussionen.

Dem gegenüber stehen Gebäude wie das ORF-Zentrum oder die Stadthalle, deren Schönheit nicht sogleich ins Auge springt, sowie teils skurrile Objekte wie Wartehäuschen der Wiener Linien und Toilettenanlagen, über die das Denkmalamt die schützende Hand hält. Grund genug für die bz, beim Bundesdenkmalamt nachzufragen, was ein Objekt vorweisen muss, um unter Denkmalschutz gestellt zu werden.

Wie alt muss ein Objekt sein, damit es unter Denkmalschutz gestellt werden kann?
WOLFGANG SALCHER:
Das Tolle am österreichischen Denkmalschutzgesetz ist, dass es keine Grenze nach unten oder oben gibt. Es können auch neue Gebäude unter Schutz gestellt werden. Nur ist ein Neubau nicht gefährdet, gleich wieder abgerissen zu werden, also ist ein Alter von 30 Jahren realistisch. Da werden die ersten Veränderungen durchgeführt.

Gibt es keine internationale Richtlinie?
Nein, in Indien zum Beispiel ist es ganz schlimm, da können erst 100 Jahre alte Objekte unter Denkmalschutz gestellt werden. Wichtige Gebäude aus den 1950er und 60er Jahren können somit verändert und abgerissen werden.

Welcher Neubau steht in Wien unter Schutz?
Etwa das Haas-Haus. Wenn etwas wirklich von internationale Bedeutung ist, kann man auch schon nach zehn Jahren prüfen.

Es werden ständig Jugendstilvillen und Gründerzeithäuser abgerissen, was eine Welle der Empörung in der Bevölkerung auslöst. Dem gegenüber stehen Wartehäuschen, die unter Denkmalschutz stehen. Ist das nicht grotesk?
Mutet vielleicht so an, aber diese Objekte werden aufgrund ihrer Seltenheit unter Denkmalschutz gestellt. Es gibt in Wien 30.000 Gründerzeithäuser, da suchen wir die einmaligsten heraus. Wir möchten aber Dinge aus verschiedenen Epochen erhalten und die geschützten Wartehäuschen und Fahrgastunterstände sind Objekte, die typisch für ihre Zeit waren.

Um welche Häuschen handelt es sich konkret?
Nicht nur um den bekannten Hofpavillon bei der U4-Station Hietzing, der von 1898 bis 1899 von Otto Wagner für die kaiserliche Familie errichtet wurde. Neben Jugendstilobjekten wie dem hölzernen Wartehaus an der Endhaltestelle der Linie 43 in Dornbach oder der Haltestelle Fasangasse, die um 1910 vom Otto-Wagner-Schüler Christof Ernst erbaut wurde, stehen auch Fahrgastunterstände aus der Zwischenkriegszeit unter Denkmalschutz. Der Unterstand vor dem Hotel Bristol am Kärntner Ring 1 ist 1938 erbaut worden und interessant aufgrund seiner funktionalistischen Architektur. Ebenfalls unter Denkmalschutz steht das 1935 erbaute ehemalige Wartehäuschen am Kahlenberg. Heute befindet sich in der transparenten Glaskonstruktion eine Imbissstube.

Sind diese Bauten wirklich außergewöhnlich?
Ja! Das Wartehäuschen am Schubertring 14, ein 1954 errichteter Stahlbetonbau mit verglasten Wänden und abgerundeten Schmalseiten, ist eines der wenigen erhaltenen Wartehäuschen in den typischen Formen der 1950er-Jahre. Und eines der coolsten Dächer Wiens findet man bei der Haltestelle auf der Kennedybrücke: Eine Betonkonstruktion mit ringförmigem Flugdach auf gerundeten konischen Stützen, 1961-64 von Fritz Pfeffer geplant. Auch die Überdachungen der Straßenbahn-Haltestelle Schottentorpassage aus dem Jahr 1961 steht unter Denkmalschutz. Es werden einzelne Exemplare herausgesucht und tatsächlich gibt es in Wien nicht mehr als zehn Haltestellen, die geschützt sind. Da gibt es viel mehr Toilettenanlagen, die unter Denkmalschutz stehen.

Wo kann man geschichtsträchtig aufs Klo gehen?
Neben den Anlagen im Schönbrunner Schloßpark gibt es noch einige Toilettenanlagen von Wilhelm Beetz, die ab den 1880er Jahren in ganz Wien erbaut wurden. Auf die Schnelle fallen mir da die Anlagen am Graben vor Nummer 22 und die Eisen-Glas-Anlage am Parkring ein.

Wie ist der Denkmalschutz für Anlagen wie die Stadthalle oder das ORF-Zentrum gerechtfertigt?
Der Denkmalschutz der Stadthalle ist im Laufen. Beide erwähnten Gebäude wurden vom Architekten Roland Rainer erbaut. Die Stadthalle ist nicht nur architektonisch bemerkenswert, sondern sie ist auch ein wichtiger Teil der österreichischen Geschichte. Mit der Planung wurde 1953 begonnen - damit wollte der Staat Österreich im Nachkriegswien ein Zeichen setzen, dass es wieder bergauf geht. Die Stadthalle wird nicht nur international für ihre Architektur beachtet, sondern hat auch eine nationale Bedeutung.

Reicht das für einen Denkmalschutz?
Drei Kategorien werden beachtet: Die geschichtliche, die künstlerische und die historische Bedeutung. Wenn eine wichtige Person wie etwa Mozart in einem Haus gewohnt hat, muss es nicht schön sein, um unter Denkmalschutz gestellt zu werden.

Zur Sache

Die Prüfverfahren bei privaten Gebäuden sind aufwendig und dauern zwei bis drei Wochen. Vorher wird der Eigentümer informiert, dass das Denkmalamt beabsichtigt zu Prüfen. Veränderungen wie Plastikfenster werden protokolliert und die Baugeschichte durchforstet. Wenn das Verfahren abgeschlossen ist, wird das Ergebnis dem Eigentümer mitgeteilt, der innerhalb einer Frist Berufung einlegen kann.

Von den 3.258 geschützten Objekten in Wien ist das jungsteinzeitliche Hornsteinbergwerk auf der Antonshöhe in Mauer im 23. Bezirk das älteste. Datiert ist der jungsteinzeitliche Bergbau aus der mittleren Jungsteinzeit, sprich 5. Jahrtausend vor Christi. Hornstein diente zur Herstellung von Werkzeugen in der Urgschichte.

Das derzeit jüngste denkmalgeschützte Einzelobjekt in Wien steht in der Donau-City-Straße 2 im 22. Bezirk. Die Donaucity-Kirche Christus Hoffnung der Welt vom Architekten Heinz Tesar (geboren 1939 in Innsbruck) wurde im Jahr 2000 eröffnet.

Zeitreise: Am Schubertring 14 kann man unter dem 1954 errichteten Häuschen auf die Straßenbahn warten. | Foto: Bundesdenkmalamt
Das Tramway-Wartehäuschen der Haltestelle Fasangasse wurde 1910 erbaut. | Foto: Bundesdenkmalamt
Geschützter Betonoval: In der Station Hietzing auf der Kennedybrücke hielt einst die Stadtbahn. Die Betonkonstruktion mit ringförmigem Flugdach auf gerundeten konischen Stützen wurde 1961-64 von Fritz Pfeffer geplant. | Foto: Thomas Ledl
Der Fahrgastunterstand am Kärntner Ring vor dem Hotel Bristol wurde 1938 errichtet. | Foto: Bundesdenkmalamt
So nobel wartete Kaiser Franz Joseph I. auf die Stadtbahn: Der 1899 von Otto Wagner erbaute Kaiserpavillon bei der Haltestelle Hietzing. | Foto: Bundesdenkmalamt
Der Unterschlupf bei der Endhaltestelle 43 in Neuwaldegg ist ebenfalls denkmalgeschützt. | Foto: Bundesdenkmalamt
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Ein Beispiel für thermische Bauteilaktivierung ist das mehrfach prämierte Wohnquartier Wientalterrassen in Wien-Penzing. | Foto: Wolfgang Thaler
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