„Goiserer Kindermissbrauchsskandal“: Neue Anklage gegen Pensionist, der Opfer im Internet bloßstellt – Missbrauchsopfer im Exklusiv-Interview

Mittdreißiger Dominik Y: "Ich wurde als Kind hunderte Male missbraucht". | Foto: Symbolfoto: BRS
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  • Mittdreißiger Dominik Y: "Ich wurde als Kind hunderte Male missbraucht".
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BAD GOISERN (tk). Vor einigen Monaten tauchten Daten aus dem „Goiserer Kinderpornoprozess“, darunter Nacktfotos der minderjährigen Opfer sowie deren Adressen und Telefonnummern im Internet auf. Die BezirksRundschau berichtete.
Ein Goiserer Pensionist, der 1997 im sogenannten „Goiserer Kinderpornoprozess“ zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, hatte diese Daten wieder online veröffentlicht.

Wie die Staatsanwaltschaft nun bestätigt sind die Ermittlungen gegen den Pensionisten kurz vor dem Abschluss. Derzeit gehen die Juristen davon aus, dass aufgrund §207a Strafgesetzbuch (StGB) und §301 StGB Anklage erhoben wird. „Die Verdachtslage geht in diese Richtung“, bestätigt Staatsanwalt Gerald Hubmer. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Fündig dürften Polizei und Staatsanwaltschaft bei einer Hausdurchsuchung geworden sein. Dabei wurden Computer, Laptops und Datensticks des Goiserer Pensionisten beschlagnahmt. Aufgrund der Fülle der Daten dauerte deren Auswertung mehrere Monate.

Mehrjährige Haft möglich
§207a StGB bestraft, wenn jemand eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person herstellt, einem anderen anbietet oder sonst zugänglich macht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Hinzu kommt noch ein möglicher Verstoß gegen §301 StGB: Dieser Paragraf bestraft die Veröffentlichung von Inhalten, die vor einem Gericht als nicht-öffentlich eingestuft wurden, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten.

Der Wiener Anwaltskanzlei Ganzger, Lansky & Partner ist es darüber hinaus bereits gelungen, einen Teil der Opfer-Daten, die online waren, aus dem Internet zu entfernen.
„Wir haben auch die Staatsanwaltschaft Wels mit schriftlicher Eingabe von der Verbreitung der gegenständlichen Postings verständigt“, so Rechtsanwalt Gerald Ganzger. Seine Kanzlei unterstützt die Opfer seit 2012, als deren Daten auf You Tube auftauchten.

„Im Sinne der vielen Betroffenen und deren Familien wäre es wünschenswert, dass diesem zehnjährigen Spuk ein rechtlich fundiertes Ende bereitet werden könnte. Die ständige Retraumatisierung der Betroffenen ist unvorstellbar und für diese unzumutbar“, sagt Psychotherapeuth Rainer König-Hollerwöger.


Missbrauchsopfer im Interview mit der BezirksRundschau:
"Wir empfinden nur mehr Hass"


Betroffener spricht seit 12 Jahren erstmals über damaligen Missbrauch.

Mittlerweile ist Dominik Y. (Name von der Red. geändert) über 30. Er ist schüchtern, und es fällt ihm schwer über seine Kindheit zu sprechen. Er war eines der Opfer im sogenannten „Goiserer Kindermissbrauchsskandal“. Seit seinem sechsten Lebensjahr – bis er etwa zwölf war – wurde er laut eigenen Angaben sexuell missbraucht. Einer der damaligen Täter traumatisiert ihn und die anderen Opfer bis heute, indem er ihre Telefonnummern, Aussagen und Fotos im Internet veröffentlicht.
Domink versucht, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Dabei wird er von Rainer König-Hollerwöger unterstützt, der das Buch „Kindsein im Würgegriff sexueller Gewalt“ über den Missbrauch in Goisern schrieb. Die Vergangheit holt Dominik aber immer wieder ein. Er will, dass der Psychoterror endlich aufhört.

BEZIRKSRUNDSCHAU: Wie geht es Ihnen?
Schlecht, ehrlich gesagt. Offensichtlich kann diese Person alles tun und wir haben keinerlei Handhabe dagegen. Und, was ich überhaupt nicht verstehen kann ist, dass eine solche Person möglicherweise noch einen von ihr geforderten Schadenersatz bekommt. Dieser Mann sollte keine Gelegenheit bekommen, Leute zu terrorisieren.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie lesen, dass einer der Täter behauptet, er sei unschuldig?
Das ist ein Wahnsinn. Ich wurde seit meinem sechsten Lebensjahr missbraucht. Diese Behauptung, dass da nichts war, ist einfach unglaublich ...

Wie haben die Täter damals das Vertrauen der Kinder erlangt?
Wir haben Alkohol und Zigaretten bekommen – und dann wurden wir missbraucht. Da wurde nicht gefragt ... darüber hinaus gab es Drohungen ...

Haben Sie deswegen damals, als Missbrauch stattfand, nichts gesagt?
Ja, weil uns immer gedroht wurde. Es wurde uns mit dem Heim gedroht, wenn wir etwas sagen. Außerdem wurde gedroht, dass wir unsere Familie nicht mehr sehen. Und als Kinder haben wir das geglaubt. Wir wurden dauernd unter Druck gesetzt, dass wir schweigen.

Wie alt waren Sie, als der Missbrauch aufhörte?
Da war ich so zirka elf oder zwölf Jahre alt. Begonnen hat es, als ich etwa sechs Jahre alt war. Aber mit so elf oder zwölf war ich offensichtlich schon zu alt und nicht mehr sexuell interessant.

Das heißt, Sie wurden im Alter von sechs bis Sie zirka elf oder zwölf waren bereits dutzende Male missbraucht?
Ja, ... hunderte Male.

Im Interview mit der BezirksRundschau sagte einer der damaligen Täter wiederholt, dass es keinen Missbrauch gab.
Das ist eine glatte Lüge. Wir wurden missbraucht ...

Was sagen Sie dazu, dass Fotos und Aussagen von Ihnen immer wieder im Internet auftauchen?
Ich verstehe nicht, dass er die Fotos immer wieder ins Internet stellen darf. Ich verstehe nicht, dass da niemand etwas dagegen tut.
Ehrlich gesagt: Ich habe auch Angst um meine Kinder! Denn, wie man sieht, sind auch Kinder und Babys anderer Opfer auf diesen Seiten im Internet abrufbar. Es wurden also nicht nur wir missbraucht, sondern auch unsere Kinder werden im Internet bloßgestellt.

Sie sind dauernd mit diesem Psychoterror konfrontiert.
Ja, das hört einfach nicht auf. Es macht mich fertig. Wir empfinden nur mehr Hass ...

Warum äußern Sie sich seit zwölf Jahren erstmals dazu?
So kann es nicht weitergehen. Schweigen ist keine Option mehr. Ich will jetzt etwas dazu sagen, weil das ein unhaltbarer Zustand ist. Überhaupt sind die Strafen, die die Täter bekommen haben, ein Hohn. Es kann nicht sein, dass man für Kindesmissbrauch nur für wenige Jahre hinter Gittern muss. Das ist ein Hohn. Wenn Sie irgendwo eine Kleinigkeit stehlen ist die Strafe in Relation viel höher, als bei solchen Delikten.

Wie ist man von Seiten der Gesellschaft damit umgegangen, dass Sie missbraucht wurden?
Da hat es oft getuscht. Ich wurde geschimpft als Maier-Ficker (Name von der Red. geändert, Anm.). Ich hatte deswegen auch genug Raufereien. Mir wurde vorgehalten, dass ich quasi selbst schuld sei – nicht der Täter von damals. Es wurde uns auch geraten wegzuziehen und eine neue Identität anzunehmen. Nicht er, sondern wir Opfer!

Was haben Sie gedacht, als Sie gelesen haben, dass er jetzt auch noch ankündigt, um Entschädigung wegen der §209 StGB-Verurteilung anzusuchen? ("Homosexuellen Paragraf", der gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter achtzehn Jahren bestrafte und vom VfGH aufgehoben wurde, Anm.)
Da hätte mich fast der Schlag getroffen. Da ist alles wieder hochgekommen und auch ein unbändiges Gefühl von Wut. Es hört offensichtlich nie auf und das ist komplett niederschmetternd. Das Wichtigste für mich wäre, dass das irgendwann abgeschlossen wird – damit ich mein Leben weiterleben kann.
Nach sovielen Jahren ist es unglaublich, dass das nicht aufhört. Das ist ein Wahnsinn .... wir wollen endlich unser Leben leben.

War von Seiten des Staates genügend Unterstützung da, nachdem der Missbrauch damals bekannt wurde?
Nein, absolut nicht. All das was wir erleiden mussten – und auch heute noch müssen ...

Ihre Daten finden sich seit Jahren im Internet, zuvor wurden Sie, laut eigenen Angaben, sexuell missbraucht. Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, ob Sie lieber geschwiegen hätten?
Nein, weil dann ginge das heute noch so weiter, wie damals und es gäbe wahrscheinlich noch viel mehr Opfer. Als alles ans Licht kam, war ich auf dem Polizeiposten und habe ausgesagt und das war richtig so.

Wurde von Seiten der Polizei, wie einer der Täter behauptet, Druck ausgeübt, um Geständnisse zu erhalten?
Also ich wüsste davon nichts. Bei mir kann ich das ausschließen. Wir wurden von der Polizei auf den Posten gebracht und haben dort unsere Aussagen gemacht.

Denken Sie es gibt noch mehr Opfer, die sich – vielleicht aus Schamgefühl – damals gar nicht gemeldet haben?
Ich würde schätzen, dass mehr als 100 Kinder betroffen waren. Allerdings lässt sich das heute nicht mehr nachvollziehen und nicht beweisen, solange diese Personen sich nicht äußern. Aber persönlich weiß ich, dass viele Betroffene damals nichts gesagt haben. Vielleicht haben Sie sich nicht getraut, oder sie wollten damit nichts zu tun haben. Wir und die anderen Kinder damals waren ja nicht die ersten Opfer...

Haben Sie privatrechtlich schon versucht, gegen die Veröffentlichung der Daten vorzugehen?
Wir sind sehr dankbar, dass uns Dr. Ganzger aus Wien unterstützt. Aber ehrlich gesagt – und da geht es wahrscheinlich den meisten Opfern gleich – fehlt uns schlicht das Geld und die Kraft für einen langen und schwierigen Prozess.

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