"Es droht das Ende der Demokratie"

Foto: JKU

StadtRundschau: Sie sprechen vom drohenden Ende des Sozialsystems in Europa. Ist es so schlimm?
Roland Atzmüller: Der Trend geht hin zu einer sukzessiven Aushöhlung der Sozialpolitik. Das verbindet sich mit sogenannten postdemokratischen und autoritären Tendenzen der Umgestaltung der politischen Systeme und Entscheidungsstrukturen, beispielsweise auf EU-Ebene, aber nicht nur dort.

Wer erzeugt diesen Trend?
Einerseits sind das die europäischen Eliten, die EU-Kommision, aber auch die politischen Kräfte in den Ländern. Das betrifft vor allem die nördlichen Staaten, die in Europa besser dastehen.

Woran liegt das?

Da die Lohnentwicklung in Ländern wie Deutschland oder Österreich hinter anderen europäischen Staaten zurückblieb, entstanden enorme Wettbewerbsvorteile. Diese haben aber zu massiven wirtschaftlichen Ungleichgewichten geführt, die irgendwann in eine Krise münden mussten. Die Löhne hätten hier viel stärker steigen müssen, das musste auf Dauer einfach schiefgehen.

Ist da auch der Euro schuld?

„Schuld" ist eine plakative Äußerung. Was definitiv fehlt ist eine koordinierte Steuer- und Sozialpolitik. Die jetzige Situation bewirkt einen Trend zur gegenseitigen Unterbietung, also zum Sozialdumping. Das wird jetzt den Staaten des Südens von außen aufgezwungen. Die-se haben mit der Einführung des Euros die Möglichkeit verloren, wirtschaftliche Probleme durch Währungsabwertungen auffangen zu können.

Welchen Einfluss hat die Wirtschaft?

Eine sehr große. Jene, die sich besser organisieren können und mehr Ressourcen zur Verfügung haben, ihre Interessen durchzusetzen, nehmen stärkeren Einfluss auf die Politik. Diese verkommt gleichzeitig immer mehr zu einem Medienspektakel und zur Spielwiese für Populisten und Onkels aus Amerika.

Warum gibt es so wenig Widerstand?
Es gibt schon in vielen Ländern Demonstrationen, die aber nicht durchkommen. In den nördlichen Ländern Europas ist es nur temporär ruhig und es ist auch hier notwendig, Projekte zu erstellen und sich für Demokratisierung, gleiche Rechte, soziale Rechte oder die Minimierung von Hierarchien einzusetzen. Diese Themen dürfen nicht den Rechtspopulisten überlassen werden, die Bevölkerungsteile gegeneinander aufhetzen. Anstatt europaweite Solidarität herzustellen, werden Bilder von faulen Südeuropäern gezeichnet, die nun dem Norden auf der Tasche liegen. Das aber wird die Gräben in Europa vertiefen und diese Politik, die die Krise erzeugt hat, nicht beenden.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr eines Systemzusammenbruchs ein?

Ich denke nicht, dass der Kapitalismus von selbst zusammenbricht. Krisen sind immer bewältigbar, die Frage ist, zu welchen Kosten. Die Sparpolitik in Europa bürdet die Kosten der Bevölkerung auf. Dies führt zu massiven Verarmungs- und Verelendungstendenzen in vielen Gesellschaften, die die Idee eines sozialen Europas nachhaltig zu zerstören drohen.

Gibt es denn mögliche Alternativen?

Es ist tatsächlich zu überlegen, ob es Alternativen zum Kapitalismus gibt. Diese sind noch nicht formulierbar, was nicht heißt, dass es dafür nicht eine Notwendigkeit gibt. Die Diskussion über eine nach-kapitalistische Gesellschaft ist sogar dringend notwendig.

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